[420] Gewächshäuser nennt man diejenigen Gebäude, worin theils exotische, theils einheimische Pflanzen aufbewahrt, kultivirt und getrieben, d. h. durch künstliche Wärme, unabhängig von der Ordnung der Jahreszeiten, Blüthen und Früchte von ihnen gewonnen werden. Ihrer Einrichtung und ihrem Zwecke nach theilt man sie in 3 Klassen. Ein Glashaus (frigidarium) hat eine Temperatur von 18 Grad Réaumur; zweitens ein lauwarmes Haus (tepidarium) eine Temperatur von 812 Graden, und ein Treibhaus (caldarium) 1216 Wärmegrade. Letzteres enthält[420] nur solche Gewächse, die das ganze Jahr hindurch stehen bleiben z. B. die meisten Palmen, Scitamineen, Museen und viele andre Bäume, Sträuche und perennirende krautartige, aus heißen Zonen kommende Pflanzen. Hinsichtlich der Bauart und innern Einrichtung ist das sogenannte lauwarme Haus wenig von dem heißen unterschieden, nur sind die Dachfenster so eingerichtet, daß man sie im Sommer abnehmen und den Pflanzen durch diese Oeffnung gelinden Regen und den erquickenden nächtlichen Thau zukommen lassen kann. Die darin aufbewahrten Gewächse stehen während der wärmsten Monate an beschützten Orten im Freien, und werden erst Ende August wieder in's Haus gebracht. Die kalten oder Winterhäuser, eigentlich nur zur Durchwinterung mancher Pflanzen bestimmt, sind Gebäude von verschiedener Größe und Gestalt, mit oder ohne Dachfenster. Die Heizung aller dieser Gewächshäuser findet auf mannichfache Art Statt; durch gewöhnliche Oefen (mit Holz, Torf, Steinkohlen), durch Heizcanäle, welche an den Wänden oder unten am Boden des Hauses angebracht sind, und durch Rauch und Wasserdämpfe. Nicht allein in botanischen Gärten, deren Zweck und Aufgabe es hauptsächlich ist, die verschiedenen Entwickelungs- und Ausbildungsstufen der fremden Pflanzen zu beobachten, sondern auch in großen fürstlichen Gärten und in den erweiterten Anlagen reicher Privatpersonen findet man jetzt Gewächshäuser aller Art, von den niedern Erd- und Lohbeeten, den Erd- und Ananashäusern bis zu de großen Glashäusern, angefüllt mit den schönsten und seltensten ausländischen Pflanzen. Von Jahr zu Jahr vermehrt sich die Anzahl der zu uns versetzten exotischen Gewächse, und bald wird kein fremder Erdtheil mehr Etwas im Pflanzenreiche besitzen, wovon man nicht eine Probe, obgleich oft kaum mehr kenntlich, in deutschen und besonders in englischen Gewachshäusern aufweisen konnte. Die ersten Spuren künstlichen Treibens, sowohl der Blumen als auch der Gemüse und Früchte, finden wir bei den Römern. Der hierbei getriebene Luxus ward jedoch[421] bald so groß, daß ihm durch besondere Gesetze Einhalt gethan werden mußte. Die Blumenliebhaberei, welche schon unter August zur Leidenschaft gediehen war, artete zu Heliogabal's Zeit in wahre Raserei aus. Als Modeblume konnte die aus Aegypten herübergekommene Rose betrachtet werden, auf deren Kultur die größte Sorge gewendet wurde. Die Fenster der damaligen Treibhäuser, welche bereits zellenförmig abgetheilte Mauern hatten wie man sie jetzt in England sieht, bestanden aus sehr dünnen Blättern des lapis specularis. Gurken und andre beliebte Gemüse wurden in Kisten oder Körben voll Dünger und Erde, des Nachts mit solchen Glimmerplatten belegt, gezogen. So auch Trauben und Pfirsiche. Nachdem diese Epoche mit dem Verfall des römischen Reichs ihr Ende erreicht, verstrichen Jahrhunderte, ohne uns auch nur eine Spur von Gewächshäusern in irgend einem Lande zurückzulassen. Die Holländer, diese geborenen Blumenfreunde, scheinen die ersten wieder angelegt zu haben, wenigstens war Boerhaave, Professor der Botanik am Leidener Pflanzengarten, der Erste, welcher Treibhäuser nach physikalischen Gesetzen einrichtete. Seinem Beispiele und seinen Vorschriften folgten bald Linné zu Upsala, und mehrere andere Vorsteher botanischer Gärten in Europa. Aber die Holländer beschränkten sich nicht allein darauf, Blumen zu ziehen, sondern verstanden auch Trauben im März und April zur vollen Reise zu bringen, und ihre in niedrigen Mistbeeten gezogenen Ananas waren weit und breit berühmt. Je weiter nach Norden, desto ausgebreiteter und sorgfältiger wird die Treibhauskultur. Wer kennt nicht die großen Fortschritte, welche in Rußland unter Peter, Katharina und Alexander im höhern Gartenbau gemacht worden? In England hat man es gegenwärtig in der Kunst des Treibens so weit gebracht, daß man fast das ganze Jahr hindurch reife Trauben essen kann und der Gartenkünstler Knight hat für die Kultur der Ananas und mehrerer seinen Küchengewächse außerordentlich Viel gethan. Die Heizapparate vervollkommen sich von Tag zu Tag, Rauch, [422] Dampf, und heißes Wasser circuliren in gewundenen Röhren durch die Mauerzellen. Der Anfang der eigentlichen Treibkultur in England fällt zwar in das Ende des 17. Jahrhunderts, und Karl II. besaß das erste warme Gewächshaus; doch waren alle Einrichtungen damals noch sehr unvollständig. Im Jahr 1792 fing man dort an, sich des Dampfes zur Heizung zu bedienen, welcher Gebrauch aber erst 1815 recht allgemein wurde. Obgleich der pariser Pflanzengarten schon 300 Jahre existirt, sah man doch nicht früher als zu Ende der Regierung Ludwig's XIV. einige Treibhäuser mit Glasdächern dort entstehen. Ueber die Zeit der Einführung der Gewächshäuser in Deutschland sind keine sichern Nachrichten vorhanden. Doch scheint erst das 18 Jahrhundert sie hervorgebracht zu haben, wie aus einer im Jahr 1718 angekündigten Schrift des Herrn Dr. L. Chr. Lehmann in Leipzig zu vermuthen.
L. M.