Gewächshäuser

[774] Gewächshäuser, Gebäude zur Kultur von Gewächsen, die unser Klima oder doch unsre Winterkälte nicht vertragen, sowie solche, in denen man Pflanzen in ungewöhnlicher Jahreszeit zum Blühen oder zur Reise bringt. Die G. sind Glashäuser mit Dach, meist auch mit Wänden von Glas, oder Orangeriehäuser, Konservatorien, Überwinterungshäuser, mit nur einer Seite von Glas, wohl auch nur mit hohen Fenstern in der Südwand. Diese Häuser dienen zur Überwinterung von Orangen, Lorbeer, Granatapfel, Oleander, Myrten etc., sie dürfen kein Oberlicht haben, um Erwärmung zu vermeiden, wohl aber gute Lüftungsvorrichtungen und Heizung, die benutzt wird, wenn die Temperatur unter den Gefrierpunkt zu sinken droht. Die Kulturhäuser haben Glasdach und werden teils nach der Höhe der darin unterhaltenen Wärme, teils nach ihrer besondern Bestimmung unterschieden in: 1) Kalthäuser (Frigidarien) zur Kultur von Gewächsen, die im Winter eine Temperatur von 3–6° Wärme erfordern; 2) laue, gemäßigte oder temperierte Häuser (Tepidarien) mit 10–15°; 3) Warmhäuser (Kaldarien) mit gewöhnlich 18–24°. (Die Wärmeangabe bezieht sich nur auf künstliche Winterwärme, nicht auf Sonnenwärme.) In allen Gewächshäusern, besonders in warmen, wird die Temperatur nachts um 2–3° niedriger gehalten. In großen Gärtnereien hat man von Kalthäusern außer den Überwinterungshäusern: das Winterhaus (Konservatorium), worin Pflanzen im freien Grunde stehen, und das im Sommer ganz oder teilweise abgebrochen wird; das Grünhaus (Neuholländer, Kaphaus), worin vorzugsweise immergrüne Pflanzen aus dem südlichen Australien, Neuseeland, vom Kap der Guten Hoffnung und aus Ländern von ähnlichem Klima gezogen werden. Das temperierte Haus hat oft zwei Abteilungen mit 2–3° Unterschied, teils für besondere Vegetationsbezirke, teils um darin gewisse Pflanzen sowohl der Kalt-als Warmhäuser vereinigt ziehen zu können. Die Warmhäuser zerfallen in gewöhnliche Warmhäuser, niedrige Warmhäuser mit Bodenwärme, Treibhäuser und Vermehrungshäuser. Letztere haben bis zur Brusthöhe aufgemauerte Beete (Vermehrungsbeete) mit Heizung zur Erzeugung von Bodenwärme. Auch baut man besondere Häuser für Pflanzenfamilien oder Arten, die bestimmte Ansprüche betreffs des Lichtes, der Lüftung und der Feuchtigkeit machen, als: Kamelien-, Erizeen-, Sukkulenten-, Pelargonien-, Arazeen-, Orchideen-, Farn-, Palmen-, Wasserpflanzenhäuser etc. Orchideenhäuser müssen hell sein und gute Lüftung gestatten. Man richtet drei Abteilungen ein, eine mit 18–22° für ostindische Arten, eine zweite von 15–18° für Cattleyen, Oncidien etc. und eine kühlere von 10–14° für Masdevallien, Odontoglossen etc. Treibhäuser im eigentlichen Sinne dienen zum Treiben von Früchten und Gemüsen oder von Blumen (Wein-, Pfirsich-, Erdbeer-, Ananashäuser, Bohnen-, Gurkenhäuser). Die G. sind einfache oder Doppelhäuser, d. h. sie haben nur an einer oder an zwei Seiten Fenster (G. mit Satteldach). Sie stehen ganz über der Erde oder nur wenig vertieft, oder es sind Erdhäuser, die nur oben Fenster haben. Die letztern halten sich wärmer und gleichmäßiger, sind aber als Kalthäuser oft zu feucht. G. sind meistens mit glatten, schiefen Dächern versehen, die nach einer oder zwei Seiten, seltener nach vier Seiten geneigt sind; sehr große Häuser haben zuweilen einen Kuppelbau mit Seitenflügeln oder die Form einer Basilika. Der Neigungswinkel der Glasdächer schwankt zwischen 5 und 45°, doch sind Häuser mit 25–30° am häufigsten, sehr flache Fenster unzweckmäßig. Alte G. hatten oft 75 bis 80° Fensterneigung, was sie für die Wintersonne am empfänglichsten machen sollte. G. sind von Glas, Holz und Mauerwerk oder ganz von Glas und Eisen, nur mit dem nötigen Unterbau. Als Baumaterial zu letzterm dient Holz oder Eisen oder auch beides vereinigt. Wegen seiner Billigkeit wird der Eisenbau immer allgemeiner. Die Lage der G. richtet sich zunächst nach Lokalität, Bedürfnis und Bauart. Allgemein ist für einseitige G. die Lage nach Süden Regel, aber nicht unbedingt nötig, für Doppelhäuser nach Osten und Westen (also von Norden nach Süden); aber Ausnahmen sind häufig. Alle Pflanzen bedürfen zwar des Sonnenscheins, aber in sehr verschiedenem Maße. Gute Vorrichtungen zum Lüften, Beschatten und Decken müssen in jedem Gewächshaus vorhanden sein. Das Wichtigste der innern Einrichtung ist aber die Heizung. Sonst war die Heizung mittels eines sanft aufsteigenden Rauchkanals allgemein. Dagegen ist jetzt die Dampf-, mehr noch die Warmwasser-Zirkulationsheizung beliebt, wobei die in den Häusern verteilten Wasserreservoirs zum Heizen sowie auch die Gießwasserbehälter erwärmt werden. Große Pflanzen werden in den Gewächshäusern unmittelbar auf die Erde oder auf niedrige Ständer gestellt, kleine auf Gestelle (Stellagen) oder auch auf gemauerte Hohlbeete, die unterirdisch durch Wärmerohre, frischen Pferdemist oder Gerberlohe erwärmt werden (Warmbeete). An den Fenstern werden 60–90 cm breite Fensterbretter über den Heizrohren angebracht, oft auch mehrere übereinander, sogar unter den schrägen Fenstern, was aber immer verdunkelt. Da das Lichtbedürfnis der Pflanzen verschieden ist, so kommt alles darauf an, sie passend aufzustellen, namentlich die zarten, weichblätterigen dicht an den Fenstern, sich ausbreitende ganz frei, während hartblätterige Pflanzen unter ihnen stehen können. Letztere stellt man sogar bei überfüllten Häusern unter die Stellagen. Eine besondere Art von Gewächshäusern sind die Wintergärten (s.d.).[774]

Die größten G. in Europa haben folgende Maße:

Tabelle

Vgl. Wörmann, Der Garteningenieur, 5. Abt. (Berl. 1864); Bouché, Bau und Einrichtung der G. (Bonn 1886); Hartwig, G. und Mistbeete (2. Aufl., Berl. 1893); Schnurbusch, Die praktischen Kultureinrichtungen der Neuzeit, 3. Teil: Gewächshausbau (Leipz. 1904); Ledien, Das Gewächshaus des Privatmanns (Berl. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 774-775.
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