[2] Italien (Frauen). Winckelmann sagt: »Der Kopf eines Italieners von der niedrigsten Abkunft kann in dem erhabensten historischen Gemälde angebracht werden, und unter den Frauen dieses Landes ist es nicht schwer, auch in dem geringsten Orte das Bild einer Juno zu finden.« Dagegen bemerkt Hagemann: Von der weiblichen Hälfte läßt sich dieß nicht so allgemein behaupten. Unter den Landleuten, namentlich in der Campagna di Roma, sind die frühen Heirathen so gewöhnlich, die Arbeiten der Frauen so hart und mühselig, ihre meist aus vegetabilischen Stoffen bestehende Nahrung so kraftlos, und ihre Sorglosigkeit hinsichtlich der Sonnenhitze, der Luft und der Kleidung so groß, daß ihre schöne natürliche Körperform schon vor ihrer völligen Entwickelung zu Grunde gerichtet wird. Hiervon gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen, besonders im Florentinischen, wo man die reizendsten Bäuerinnen erblickt, und in Dörfern, wo der Wohlstand größer ist, als in der Campagna u. a. a. Orten. In Städten aber findet man die schönsten weiblichen Formen. Die allgemeinsten Kennzeichen der Italienerinnen sind: eine schmale Stirn, starkes, schwarzes oder dunkelbraunes Haar, große feurige, ausdrucksvolle Augen, eine schöne Nase, die mit der Stirn das berühmte römische Profil bildet, ein kleiner Mund mit etwas aufgeworfnen Lippen, die gewöhnlich mit einem leichten sammtnen Anfluge schwarzer Haare besetzt sind, eine zarte weiße Haut mit nur schwach durchscheinender Rothe und ein seiner, aber regelmäßiger Gliederbau. Was wir Häuslichkeit nennen, besitzen die Italienerinnen im geringeren Grade. Die Familien[1] des Mittelstandes benutzen den eigenen Heerd in der Regel nicht; die Mahlzeiten werden aus einer Garküche geholt; die Kinder vertraut man der Dienerschaft, Strümpfe, Wäsche, Kleider etc. werden fertig gekauft. Sie leben der Muse und der Muße sie besuchen regelmäßig Kirche, Theater und Concerte, glänzen auf Promenaden, entzücken in Gesellschaften; sie sind lebhaft, heiter bis zur Ausgelassenheit, gebieterisch und wieder hold schmiegsam. Sie erobern als Siegerinnen und beglücken als Besiegte. Die Italienerin ist treu in der Liebe, nicht aber so in der Ehe. Eine Pflichtverletzung wird leicht durch Beichte, Reue und Gebet abgebüßt; den Treulosen aber verfolgt glühende Rache. Es ist der weibliche Stolz, der eine Hintansetzung nicht ertragen, nicht verzeihen kann. Der schöne Mund spricht das Wort »amazzare« eben so leicht aus, wie das deutsche Mädchen auf dem Balle das »ich bin schon engagirt« ausspricht. Man kann sie leicht rühren, leicht begeistern, ihnen leicht Thränen entlocken; aber man kann sie auch leicht zum Widerspruch und Zorne reizen. In dem Klange ihrer Stimme liegt etwas zauberisch-Weiches ihr Blick ist herausfordernd, kriegerisch, seines Sieges gewiß. Sie wollen überwinden, um glücklich zu machen, sie fesseln, um den Gefesselten an ihr Herz zu drücken, ihre Ketten verwandeln sich in zwei liebende Arme; sie sind launenhaft, kokett, eifersüchtig; aber wenn sie lieben, beglücken sie auch mit der vollen Kraft ihrer Seele, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln. Das Mädchen sucht mit ängstlicher Sorgfalt seinen Ruf rein zu erhalten; als Frau nimmt sie es leichter damit. Deßhalb ist die Ehe nicht gerade ein Grab der Liebe, aber wechselseitige Ueberschreitungen scheinen ein stillschweigendes Zugeständniß. Sie sind vortreffliche, edle Mütter, die an ihren Kindern mit der aufopferndsten Liebe hangen. Trotz dem ist die Kinder- und Krankenstube nicht ihr brillantester Wirkungskreis, wie dieß meist bei den nordischen Frauen der Fall ist; zur Geduld und Ausdauer, zur sorgsamen Pflege haben sie ein zu lebhaftes Temperament. Der[2] Seelenschmerz ist ihnen wie der körperliche eine vorübergehende Erscheinung; das sentimentale »Hangen und Bangen,« das Schwelgen im Grame, wie es bei den deutschen Frauen vorkommt, ist ihnen fremd; sie leben in der Gegenwart und stürmen in die Zukunft. Alle Grabhügel, die sie umgeben, erinnern sie weniger an den Tod als an das blühende, grünende Leben, das diese bedeckt und sie umkränzt. Sie sind keine »stillen Schwärmerinnen,« was sie träumen und sehnen, das suchen sie auch in der Wirklichkeit. Den Besitz, welchen sie wünschen, wollen sie auch erlangen. Sie sind religiös oder vielmehr gläubig; die Kirche gewährt ihnen für alle Vergehen Verzeihung und von dieser Verzeihung machen sie auch ohne große Schüchternheit Gebrauch. Sie sind wohlwollend, mildthätig; der Unglückliche muß sich ihrem Schutze anvertrauen und er ist geborgen. Ist seine Rettung mit Gefahr, mit Opfern verbunden, desto besser für ihn! Sie beneiden ihre Nebenbuhlerinnen und hassen sie tödtlich, aber sie lästern sie nicht. Den Ungetreuen können sie tödten, ohne aufzuhören ihn zu lieben. Die Freiheit, die sie lieben, gewähren sie Andern nicht gern. Das Cicisbeat ist in neuerer Zeit abgekommen; es war ein mehr auffallendes als gefährdendes Verhältniß. Selten hat die Italienerin ihren Cicisbeo wahrhaft geliebt; VI schmeichelte ihr nur, von ihm angebetet zu werden. Er war nichts als ein Page in der Livrée seiner Herrin. Und man weiß, daß sich beim weiblichen Geschlechte in der Regel Diener viel seltener zu der Rolle der Günstlinge emporschwingen. So heirathet der Mann öfter unter seinem Stande, als die Frau. Der Mann ist mit einem geringern Grade der Kultur und Herkunft zufrieden; die Frau will sich immer an das Höherstehende anschließen. Nenne man dieses Streben immerhin Eitelkeit, es bleibt ehrenwerth. Die italienische Liebe mag in ihrer Dauer vielleicht kürzer sein als die gemüthlich sinnige, deutsche; aber sie preßt in Momente einen Reichthum von Seligkeiten zusammen, die dem Berauschten eine Ewigkeit dünken. Er hat nichts verloren am Gehalt des Glückes, nur[3] in der Zeit. Vedi Napoli e poi morire! daraus klingt trotz der Hyperbel eine charakteristische Wahrheit. Und wer zöge den tropischen Frühling eines ganzen Jahres von 12 Monaten nicht zwanzig sibirischen Lenzen von 3 Wochen Dauer vor, wenn es sich nicht bloß um die Lebensdauer, um das Alter handelte? Die Enthusiasten sagen: Nur die Italienerinnen können lieben! Wir behaupten: Die Frauen aller Breitengrade können lieben; nur kommt es darauf an, ob Naturell, Umgebung, Klima, erregte Phantasie etc. im gleichen Grade zur Liebe stimmen. Die Liebe im monddurchschimmerten Orangenhaine, wie in der Schneehütte Grönlands bleibt immer ein himmlisches Gefühl, so wie der Ermüdete auf hartem Erdboden eben so sanft schlaft, als ein Anderer auf Eiderdaunen. Aber wer zöge nicht bei freier Wahl Italiens warme Luft, seine balsamischen Haine, seine glutentzündeten und glutentzündenden Herzen vor? Die Natur hat dem Menschen mit dem Fleck Erde, auf welchem er wohnt, einen großen Theil eigenthümlicher Vortheile und Beschwernisse gegeben, die er zu genießen und zu tragen hat. Nur die höhere geistige Richtung, die Wirksamkeit für obere Interessen gleicht die Dissonanzen aus, und die Gleichstimmigkeit der Ideen, der göttliche Gedanke ist es, der den Menschen der rauhen Zone dem Menschen der milden gleich stellt. Unser gemeinschaftliches Paradies, wo wir uns Alle vereinigen, liegt in der Ideenwelt! (S. die Art. Rom, Neapel, Sicilien etc.)
n.
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