[1102] Zimmerausstattung. Diese war bei den Germanen selbstverständlich noch äusserst einfach. Von einer häuslichen Einrichtung nach unseren Begriffen weiss ein nomadisierendes Volk nichts, und wenn auch die Germanen schon in ihren asiatischen Wohnsitzen den Ackerbau kennen gelernt und wohl auch ausgeübt haben, was Grimm aus dem ihn betreffenden Wortschatze nachgewiesen hat, so brachte doch der grosse Zug nach dem Nordwesten diese Völkerschaften notgedrungen wieder aus der stilleren Lebensweise heraus und liess sie bei den römischen Berichterstattern den Kelten gegenüber als ein unstätes[1102] Nomadenvolk erscheinen, das die festen Wohnsitze verschmähte. Zum kleineren Teile aus Verachtung, zum grösseren aus Bequemlichkeit oder Faulheit nimmt sich der Mann der Wirtschaft nicht im mindesten an, er pflegt nur die Waffe. Haus und Feld besorgt die Frau, was eine sehr primitive Einrichtung des ersteren und eine mangelhafte Bestellung des letzteren notwendig zur Folge hat.
Das Häuschen war leicht aus Holz gebaut und sass entweder schon auf einem Wagen oder liess sich auch beim Weiterzuge leicht ganz oder zerlegt auf denselben heben. Gelegentlich benutzte man auch vorhandene Höhlen und baute sich diese in der Folgezeit als den sogenannten tunc, welche Benennung von dem Dünger herrühren soll, mit dem diese zum Schutze gegen die Winterkälte bedeckt wurden. Mit den festen Wohnsitzen kamen dann auch die festen Wohnstätten in Gebrauch. Dass diese anfänglich nur aus Holz gebaut waren, lässt sich schon aus dem Umstand schliessen, dass dieses Material überall vorhanden und leicht zu verarbeiten war. Dieser Annahme entsprechen auch die ältesten Ausdrücke für die Thätigkeit des Bauens: Ahd. zimbarjan, zimbarôn, got. timrjan, alt- und angelsächsisch timbrjan, altnordisch timbra. Innerhalb der vier Pfähle bestand das Haus aus einem einzigen Raum. In den beiden Kurzseiten waren die Thüröffnungen, die nicht nur als Ein- und Ausgang dienten, sondern auch zugleich unsere Fenster vertreten mussten. Die eine Thür fehlte auch mitunter, und diese Seite (wahrscheinlich die nördliche) bekam statt derselben eine Erhöhung. Einzig zwei Stützbalken bildeten im Norden die rohe Gliederung des Raumes. Sie standen in der Mitte desselben. Zwischen ihnen, gegen die Sonne gekehrt, erhob sich der Sitz des Hausherrn. Nach beiden Seiten hin verliefen die Bänke und zwischen diesen brannte das grosse Herdfeuer. Die Erhöhung an der einen Kurzseite trug im Norden den Frauensitz, in Westfalen den Herd. Kleinere Verschläge, die meist an einer Langseite angebracht waren, bildeten die Schlafstätten und Vorratskammern. Gedeckt war der Raum unmittelbar durch das Dach, durch dessen Lücken der Rauch seinen Ausgang suchte. Mitunter waren freilich zu diesem Zwecke auch viereckige Lücken bereitet, durch die nebenbei auch der Tag seinen Eingang finden sollte.
Das Vieh fand mancherorts seinen Schutz unter dem gleichen Dache; auf grösseren Höfen aber war es in einem getrennt gebauten Stalle untergebracht. In Upland z.B. gehörten sieben Gebäude zu einem vollständigen Hofe, das Wohnhaus (stuva), die Küche, die Scheune, die Kornkammer, das Vorratshaus, das Schlafhaus und der Viehstall. Ein dichter Zaun oder Lebhag umgürtete sie gemeinsam. In andern Höfen bildete wenigstens das Frauenhaus einen abgesonderten Teil, der mit einem eigenen Zaune umgeben war. Von eigentlichen Hausgeräten, noch viel weniger von etwaigem Zimmerschmuck ist nichts bekannt; es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass in dieser Hinsicht viel Aufwand gemacht wurde. Ein beim Bau abfallender Block oder ein in der Nähe liegender Stein war doch ein solider Sitz; wurde er mit einem Bären- oder Wolfspelz überdeckt, so mochte er auch als bequem und schön erscheinen; die Bank war aus einem behauenen Stück Holz leicht und billig herzustellen, des Tisches bedurfte man entweder gar nicht, oder man bereitete sich denselben wieder aus einem massiven Blocke; das Stroh- oder Mooslager ward auf dem Boden bereitet und[1103] den Wandschmuck bildete die Waffe des Hausherrn.
So blieb es in den unteren Schichten der Bevölkerung noch weit bis in das Mittelalter herauf, auch als durch das Beispiel der Römer angeregt, die Wohnsitze der Adeligen aus festem Mauerwerke aufgeführt wurden und in der Folgezeit Klöster und Kirchen der deutschen Baukunst Gelegenheit zu ihrer Entfaltung gaben. Wenn auch die bürgerlichen Wohnstätten nach und nach etwas bequemer und zu Karl d. Gr. Zeit schon vielfach aus Stein aufgeführt wurden, so bestanden sie doch vorzugsweise immer noch aus nur einem Raum, der für die häusliche Arbeit, für die geselligen Zusammenkünfte, als Ess- und Trinkstube und zugleich als Schlafzimmer diente und zwar für beide Geschlechter, für die Frauen und für die Mägde, für die Herren und ihre Knechte, wie es im Norden vielfach bis in unsere Zeit geblieben ist. Wenn die Nacht anbrach, belegte man den Boden des Saales mit Stroh und jeder legte sich an jener Stelle unter den Tisch, wo er vordem seinen Platz zum Sitzen hatte. An den Wänden waren auch etwa verschliessbare Schlafräume (lokhvilur) angebracht, die jedoch für die Gäste oder für besonders vornehme Hausgenossen reserviert blieben. Um Ungehörigkeiten zu vermeiden, brannten die ganze Nacht hindurch eine entsprechende Anzahl Lichter. In höfischen Kreisen sind die Schlafstätten nach Geschlechtern getrennt. Der Herr schläft bei seinen Knechten, die Frau mitten unter ihren Weibern und Mädchen. Auch die eigentlichen Zimmergeräte kommen hier in Aufnahme und dringen nach und nach in gleichem Masse, wie die Kultur überhaupt fortschreitet auch zu den unteren Schichten der Bevölkerung durch. Dieses Fortschreiten ist freilich ein sehr allmähliches und nirgends deutlich nachweisbar.
Zum Sitzen bediente man sich hier in Abweichung von der römischen Gewohnheit der sophaähnlichen Gestelle im besten Falle des Sessels, der die Gestalt eines kleinen Klappstuhles hat, wie er in den Hütten der Bergbewohner heute noch gefunden wird. Doch findet dieser in der Regel nur als Ehrensitz seine Anwendung; die Familie sitzt bei Tische, zur Arbeit und Unterhaltung auf langen Bänken, die aus Holz gezimmert und an den Wänden befestigt, selten beweglich sind. Gepolsterte und mit Teppichen belegte Lehnstühle kommen nur in den Häusern der Vornehmsten, und auch da nur sehr vereinzelt vor. Die Tische sind auch an die Wand geklappt oder aus schweren, viereckigen Tafeln bereitet, die auf einem meist gekreuzten Gestelle ruhen. Doch kommen auch schon Rundtische vor, die ohne Zweifel mehr zur Zierde in der Mitte des Zimmers aufgestellt wurden, während die eigentlichen Arbeits- und Esstische in einer Ecke angebracht waren. Kostbarkeiten, wohl auch Kleider und kleinere Geräte, wurden in kofferartigen Truhen aufbewahrt. Unter dem Deckel einer solchen sollte nach der Erzählung Gregors von Tours die widerspenstige Rigunthe, Chilperichs Tochter, den Gehorsam gegen ihre Mutter lernen, die ihr, aufgebracht über ihr anmassendes Wesen, über ihre unverdienten Schmähungen und Faustschläge, die Truhe öffnet, die Schmucksachen ihres Vaters herauszunehmen erlaubt, dann aber den scharfkantigen Deckel so sehr auf den Nacken drückt, dass ihr die Augen aus dem Kopfe quellen und nur die herbeieilende Magd sie vor dem Tode errettet. Diese Erzählung lässt es als unzweifelhaft erscheinen, dass unter derartigen Truhen nicht ein Schmuckkasten[1104] zu verstehen sei, sondern eine grosse Lade, wie sie die Landbevölkerung heute noch zur Aufbewahrung seiner Fruchtvorräte benutzt. In einem solchen einfachen Holzbehältnis fanden sich in der Gruft des heil. Gallus das härene Gewand und die Geissel vor. Ihr Verschluss war ein Band, dem das Wachssiegel aufgedrückt wurde. Was über die Betten dieser Zeit gesagt wird, ergeht sich in Mutmassungen. Es wird angenommen, dass dieselben nach Art der spätrömischen aus einem vierbeinigen Gestell, teilweise mit, teilweise ohne Kopf- und Fusslehne bestanden haben, auf das die nötigen Unterpolster und Decken zu liegen kamen. Tücher und Teppiche kommen häufig vor und dienen nicht nur zum Belegen der Möbel, sondern auch zum Verkleiden der Wände und Verhängen der Thür- und Fensteröffnungen. Vielleicht auch wurden an grossen Häusern die Söller damit überspannt, zur Zeit, da man auf denselben zu speisen pflegte. Als Wandschmuck kommen metallene Spiegel vor, vom 9. Jahrhundert an auch etwa Malereien, meist durch italienische Künstler ausgeführt. Die Prachtgeräte Karls, von denen einige Schriftsteller so gerne und so viel erzählen, sind meist byzantinische Ehrengeschenke und können darum hier nicht in Betracht kommen.
Bis um die Mitte des 12. Jahrhunderts vermochte das deutsche Handwerk in Zimmermöbeln nicht viel neues zu schaffen. Die spärlichen vorhandenen Abbildungen zeigen durchweg noch dieselbe rohe Profilierung und dieselbe Schwerfälligkeit. Neben den Klappstühlen erscheint als gewöhnlicher Sitz ein dem römischen Divan nachgeahmter Kasten, mit oder ohne Lehne, öfters auch sattel- oder schlittenartig gestaltet, mit monströsen Tierfiguren geziert oder verunstaltet. Zum Besteigen desselben wurde die Fussbank vorgesetzt. Neben dieser erscheint ein dreibeiniger Fussschemel. Die Tische sind halbrunde oder länglich viereckige Platten, auf unmittelbar damit verbundenen Füssen oder auf einem sägebockartigen Gestell. Doch zeigen die Abbildungen aus dieser Zeit auch schon Schreibtische im Gebrauch, die einen Fuss und eine schrägstehende Tafel haben, auf der das Dintenfass in Gestalt eines kurzen Horns befestigt ist. Der Fuss ist derb profiliert, die Tafel zum Stellen eingerichtet. Diesen entsprechend waren die Lesepulte, teilweise festgemacht, wohl mehr aber versetzbar. (Bezüglich der Betten verweisen wir auf den Artikel Lagerstätten.)
Besondere Beachtung verdienen die Beheizungseinrichtungen. Das älteste und natürlichste war das offene Feuer. Je mehr aber das Zimmer seinen Zweck des Schutzes gegen die Unbilden der Witterung erfüllen sollte und je schöner man es zu seiner eigenen Behaglichkeit ausstattete, um so mehr wurde das offene Feuer verdrängt. Es entstanden in kurzer Aufeinanderfolge verschiedene Ersatzmittel. Auch in den Wohnräumlichkeiten, wie in der Kirche (diese Vergünstigung kam in der Regel nur der Geistlichkeit zu gute) wärmte man sich die Hände an sogenannten Calefactorien, an kleinen Gefässchen, die die Form eines hohlen, durchbrochenen Apfels hatten und mit einem metallenen Einsatz zur Aufnahme glühender Kohlen oder eines erhitzten Eisens versehen waren. Eine grössere Art derselben hatte die Gestalt eines Tisches oder eines niedrigen, vierrädrigen Wagens. In Tischgestalt ist das Gerät mehrfach abgebildet, z.B. in den Miniaturgemälden zu dem »Hortus deliciarum« der Äbtissin Herrad von Landsperg, die aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts stammen.[1105] Die vier Füsse des Tisches sind unterhalb verziert. Auf demselben steht das Kohlenbecken, das die Form einer vierekigen, rostartig durchbrochenen Schüssel hat. Frühestens aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts stammt das Gerät in seiner zweiten Form. Es ist aus Bronze oder aus Eisen gemacht und besteht aus einem umfangreichen, viereckigen Behältnis für die Feuerung, dessen Boden rostartig, dessen Wände aber zur Erzielung eines möglichst starken Luftzuges ein geflochtenes Stab- und Rankenwerk bilden. Das aus einer Platte bestehende Untergestell ist mit vier kleinen Speichenrädern und einer Deichsel als Handhabe versehen. Für grössere Räumlichkeiten reichten zwar diese »Feuersorgen« nicht aus; da bedurfte man doch wieder des lebhaften Holzfeuers, das aber aus der Mitte des Zimmers nach einer Wand verlegt und aus leicht begreiflichen Gründen in die Mauer geborgen wurde. So entstand das Kaminfeuer. Metallene Feuerböcke trugen die starken Holzkloben. Sie bestanden aus zwei völlig gleichgestalteten Gestellen, deren jedes eine senkrechtstehende Vorstange mit einem unterwärts rechtwinklig daran festgemachten Stabe zeigte. Sie waren für sich beweglich, konnten also je nach Bedürfnis weiter auseinander oder näher zusammengerückt werden. An den Vorstangen waren Ringe und Häkchen angebracht, an die Feuergabeln, Kohlenzangen und andere nebengeordnete Gerätschaften angehängt werden konnten.
Spiegel und Uhren gehören auch jetzt noch, selbst in den Zimmern der Vornehmen, zu den ungewöhnlichen Dingen.
Deutlicher und entschiedener werden die Fortschritte im 13. Jahrhundert, wo sich als Frucht der Kreuzzüge und Anzeichen eines geistigen Erwachens überhaupt in der Ausstattung des Zimmers der orientalische Einfluss immer mehr kund gibt, namentlich in der Beschaffenheit der Ruhebetten und Sessel, sowie ganz besonders in derjenigen der Thronstühle und Ehrensessel. Neben den bisherigen Formen treten nämlich ganz besonders hohe, umfangreiche Stühle mit runder oder vieleckiger Sitzplatte auf, mit entsprechender Rücken- und Seitenlehne. Diese steigt senkrecht auf und umschliesst oft den ganzen Sitz, mit einziger Freilassung der nötigen Sitzöffnung. Am häufigsten sind die sechseckigen Sitze, die in der Regel auf drei, seltener auf fünf Seiten mit einer Lehne versehen sind. Im letzteren Falle sind die beiden Lehnenstücke, die der Sitzöffnung zunächst stehen, etwas niedriger gebaut. Überhaupt pflegte man die Lehne nach Art eines ein- oder mehrreihigen zierlichen Gitterwerkes zu behandeln und ihre senkrechten Zwischenpfosten mit einem geschnitzten Knauf zu verzieren. Der Anzahl der Ecken und Pfosten entsprach auch die Anzahl der Stützen oder Füsse, so dass der sechseckige Stuhl deren ebenfalls sechs erhielt; der runde dagegen stützte sich auf drei oder vier. Auch der Raum zwischen diesen Füssen war, namentlich bei der Sechszahl, mit ähnlichem Ranken- und Gitterwerk ausgefüllt, und gleichsam als Stütze des Ganzen wurden unter die Füsse Tiergestalten gesetzt, vornehmlich Löwen, meist in kauernder Stellung. Teppiche, Fussbänklein und Schemel fehlten natürlich auch hier nicht:
alumbe an allen sitzen
mit senften plumiten
manec gesitz da wart geleit,
druf man tiure kultern breit.
Auf die Veränderungen, die in dieser Zeit mit den Tischen vorgenommen worden, lässt sich weniger schliessen, da die grösseren derselben auf den Abbildungen stets bis zum [1106] Fussboden herunter mit einem Teppich behangen erscheinen. Es lässt sich daher nicht einmal genau feststellen, ob sie überhaupt noch durch Vereinigung einer Platte mit selbständigen Stützen hergestellt oder ob man sie von vornherein mit den nötigen Füssen versah. Grosse Speisetische wurden ohne Zweifel stabil aus Stein verfertigt. Auch wurde es, entgegen dem bisherigen deutschen Gebrauch, nunmehr üblich, grössere Tischgenossenschaften nicht mehr an einer grossen, sondern an mehreren kleinen Tischen zu bewirten, die aus Holz und Metall gearbeitet, namentlich an den Füssen mehr oder minder künstlich verziert, bereits als wirkliche Zimmergeräte angesehen werden können. Die Lese- und Schreibpulte behielten ihre Form bei. Letztere trugen das Dintenhorn oft in einem Kästchen, das zugleich zur Aufnahme der Federn und des Messers diente. Auf dem Pulte lag die Wachstafel, in die nach römischer Weise mit einem metallenen Griffel die gewöhnlichen Notizen eingeritzt wurden.
Die Teppiche dieser Zeit sind schon recht kostbar. Wenn die einheimischen Gewirke die orientalischen Muster auch bei weitem nicht erreichen, so zeigt sich in dieser Kunst doch ein entschiedener Fortschritt, und so konnte es nicht fehlen, dass nicht nur die Möbel, sondern auch die Fussböden und Wände immer reichlicher mit den Erzeugnissen derselben behangen wurden, wie folgende Stellen aus Parzival und Tristan bekunden:
Manec rückelachen
in dem palas wart gehangen.
aldâ wart niht gegangen
wan ûf tepichen wol geworcht.
und:
des herzogen palas
was alumb und umbe gar
behangen mit sperlachen clâr
diu meisterlîche wârn gebriten,
wol geworht und underspriten
mit sîden und mit golde.
Wer aber keine Fussteppiche aufzubringen vermochte, behalf sich mit geflochtenen Strohmatten oder mit einer Streu von Binsen oder bei festlichen Anlässen mit grünen Reisern, Blättern und Blumen.
manic gelbe bluomen tolde,
rôsen rôt und grüenes gras
ûf den estrich gestreuet was.
(Tristan.)
Schon im 13., mehr aber noch im 14. Jahrhundert, gründete sich der deutsche Handwerkerstand und konsolidierte sich in seinen zahlreichen Zünften oder Innungen. Damit war die Losung zu einer freien Entwickelung der gewerblichen Künste gegeben, die bis auf die besagte Zeit in der Hand der Geistlichkeit lag, in den Klöstern ihren Sitz hatte und fast ausschliesslich der Kirche diente. Die altrömischen plumpen Formen fielen und an ihre Stelle traten, auch was das Geräte selber anbetrifft, die schlanken, germanischen Säulen- und Rankenformen. Mit der Kräftigung dieser Zünfte begann erst das eigentliche Städteleben und gründete sich der habliche Bürgerstand, der die einheimische Kunst weit mehr zu fördern fähig und willig war, als es der ausgeartete Adel konnte, und der alle Schichten der Bevölkerung weit mehr zur Nachahmung seines Beispieles reizte. Die einteiligen Wohnhäuser genügten nicht mehr. Sie wurden erweitert und in mehrere Räume eingeteilt, deren jeder seinen bestimmten Zweck hatte. So entstanden die gesonderten Wohn-, Gesellschafts-, Arbeits- und Schlafgemächer. Ja, man ging noch weiter und erstellte in einem von diesem ganz gesonderten Teil des Hauses noch besondere Fremdenzimmer. Diese besonders, aber auch die Familienzimmer, wurden nun auch nach bestimmten Grundsätzen[1107] ausgestattet, je nach den Mitteln, die man dafür zur Verfügung hatte. Die Wände wurden mit einem glatten oder geschnitzten Holzgetäfel versehen, mit Teppichen oder mit ledernen Tapeten verkleidet, die womöglich bebildert wurden. Die Sonne wurde durch Vorhänge fern gehalten oder auch schon durch Fensterläden, die der Grösse und Breite nach geteilt, oft aber auch ungeteilt waren. Die Möbel waren dem entsprechend gearbeitet. Vornehmlich die Sessel waren geeignet, das Versuchsfeld der jungen Kunst zu werden. Seiten- und Rückenlehnen gestaltete man vorerst noch zumeist geradlinig, seltener gebogen, und gab ihnen durchgängiger, als es bis dahin der Fall war, die Form von mehrfach gegliederten Pfeilern oder Säulen mit darauf ruhenden Karniesen und dazwischen geordnetem, erhobenem oder durchbrochenem »Masswerk«, gemeiniglich aus dem sogenannten »Dreiblatt« und »Vierblatt« bestehend. Der Tisch hingegen verlangte seines Zweckes wegen mehr die Beibehaltung der gegebenen Formen, höchstens das Fussgestell erlaubte eine freie Behandlung. Die Truhe blieb das gebräuchlichste Repositorium, doch kam der Schrank oder Kasten bereits stark in Aufnahme, der dann in seinen verschiedenen Grössen und Gestalten bald das kostbarste Hausgeräte wurde. Noch war er grossenteils sehr einfach gestaltet, ein unmittelbar auf dem Boden oder auf kurzen Füssen stehender Bretterverschlag mit mehreren nebeneinanderliegenden und übereinanderstehenden Abteilungen, deren jede ihr eigenes Thürchen hatte. Ausser dem Beschläge ist kaum eine Verzierung vorhanden. Zunächst folgt dann das oben aufgelegte »Masswerk«, der gesimsartige Kranz. Die Wände werden hierauf mit Pergament verkleidet und bunt bemalt.
Die Thron- und Ehrensessel hatten teils noch immer die Gestalt der viereckigen Kasten, mit geradaufsteigenden Eckpfeilern, teils diejenigen der sägebockähnlich sich kreuzenden krummen Füsse und Lehnen. Der Unterbau derselben wurde erhöht, um auch den Fusskissen und Fussbänkchen eine freiere Gestaltung und grössere Ausdehnung zu gestatten. Darüber breitete sich der Thronhimmel aus, der zuweilen mit Seitenvorhängen versehen war. An einem solchen Sessel arbeiteten verschiedene Handwerke. Die erste Arbeit fiel dem Holzarbeiter zu, der ein feiner Schnitzler sein musste; dann wurde das Geräte bemalt, vergoldet, mit Elfenbein und anderen Stoffen ausgelegt, auch mit goldenen oder silbervergoldeten Zieraten, mit farbigen Emaillen und stellenweise selbst mit Steinen und Perlen bedeckt. Eiserne oder bronzene Geräte formte und zierte man womöglich noch hünstlicher. Lehnen, Fussgestelle und Sitze wurden nach wie vor gerne mit Tierköpfen oder ganzen Tierfiguren geziert, namentlich mit Löwen, Tigern, Hunden etc. als Sinnbilder der Kraft und Wachsamkeit. Die Teppiche waren von purpurfarbiger Seide oder von Sammet mit Gold bestickt.
Im bürgerlichen Hause blieb der kleine lehnenlose Klappstuhl immer noch in seiner Geltung, wenn auch selbst er eine freiere, leichtere Behandlung erfuhr und gelegentlich seinen Tierkopf darstellen durfte. Die grossen schwerbewegbaren Bankkästen dagegen, die sich längs den Zimmerwänden hinzogen, kamen mehr und mehr ausser Gebrauch oder wurden durch leichtere Geräte derselben Art ersetzt, die mit Füssen versehen, auf der vordern Langfläche gefeldert, mit gerader Lehne, hoher Rückwand, oft mit überhängender Bedachung und mit Schnitz- und Schnörkelwerk ausgestattet wurden. Die Versetzbänke waren bald kastenartig geschlossen,[1108] bald nur von Füssen unterstützt, mit Seiten- oder Rücklehnen, auch mit beiden zugleich versehen, offen oder geschlossen, nach Sitzplätzen abgeteilt oder auch nicht. So ist um 1365 erwähnt »eine Bank aus Eichenholz zum Bewegen, von zwanzig Fuss Länge nebst Rückenlehne, um vor den grossen Speisetisch des Königs aufgestellt zu werden«. Kleinere Bänke dieser Art gestaltete man bald rund, bald dreieckig (mit drei Füssen). Solche fehlten in keinem auch nur mässig begüterten Hausstande. Die grosse kastenartige Bank wurde auch mitunter zur eigentlichen Doppelbank von beträchtlicher Breite. Jede Schmalseite trug eine senkrecht aufsteigende Wand, deren Mitten durch eine in Scharnieren vor- und rückwärts bewegliche gerade Lehne verbunden waren, so dass mehrere Personen bequem Rücken gegen Rücken sitzen konnten. Solche Bänke stellte man etwa vor das Kamin und legte sich gar darauf schlafen, in welchem Falle zum Schutze gegen die direkte Wärmestrahlung ein zeltartiger Teppich vorgehängt wurde. Daneben wurden die Truhen auch als Sitze verwendet.
Tische verfertigte man aus Metall, aus Stein und Holz. Oft waren die Füsse aus diesem, die Platte aus einem anderen Stoffe. Grosse Tafeln behielten meist das gekreuzte Fussgestell. Das Tischtuch fehlte nie, doch war es nicht durchweg weiss, sondern oft farbig und gemustert.
Unter den Kleingeräten waren namentlich die zierlichen Kästchen zur Aufnahme von Schmucksachen, Messern, Nähzeug u. dgl. bei den Frauen beliebt. Die grösseren bestanden zuweilen aus zwei oder mehreren neben- und übereinander geordneten Schubladen, nebst zwei verschliessbaren Flügelthürchen. Waren sie gar kostbar aus edlen Metallen und Gesteinen gefertigt, so steckte man sie auch in eigens bereitete Futterale aus Leder, die durch Pressung, Malerei und Beschläge selber wieder reich ausgestattet wurden. Die Spiegel dagegen waren fast durchweg blosse Handspiegel von geringem Umfange, aber von zierlichster Beschaffenheit und reichster Ausstattung. Sie bestanden aus poliertem Metall, Gold, Silber, Stahl, Zinn, auch aus geschliffenem Kristall, selten aus Glas. Die Amalgamisierung desselben, wodurch der Glasspiegel alle anderen aus dem Felde schlug, wurde erst im 15. Jahrhundert erfunden. Erwähnt werden z.B. um 1313 »Ein Spiegel von Silber«, um 1372 »ein Spiegel von Kristall, welchen ein Weib in Gestalt einer Sirene von vergoldetem Silber hält«, um 1380 »ein Spiegel von Gold mit vier Rubinen, vier Saphiren und vierunddreissig Perlen besetzt«, »zwei hohe Spiegel mit zwei Füssen von Elfenbein, der eine grösser als der andere«, »zwei Spiegel von Stahl, der grössere von Kupfer eingefasst und rückwärts damit bedeckt, der andere auf einem Holzgestell stehend« und »ein kleiner Spiegel von Silber, längs den Rändern und rücklings emailliert, getragen von zwei Kindern in Mäntelchen und langen Kappen, diese mit Blümchen in Email bedeckt, stehend auf einem Plättchen mit einer Maske nebst zwei Füssen, darunter eine gesimsartige Platte mit emaillierter Darstellung einer Hirschjagd«. Auch treten gegen Ende dieses Zeitraumes neben den längst bekannten Sand- und Wasseruhren grössere Wanduhren mit einer Art Räderwerk auf, freilich noch sehr selten und einfach, nur mit einem Zeiger versehen. Denkt man sich noch die mit kostbaren Teppichen verhängten Zimmerwände und die ebenfalls aus kunstreich gestickten Tüchern gefertigten, in Holz gerahmten [1109] Flügelwände zum Verstellen der Thür- und Fensteröffnungen hinzu, so kann man sich einen ungefähren Begriff von einem Zimmer des 14. Jahrhunderts machen. Freilich erlaubte sich der schlichte Bürgerstand einen solchen Luxus noch nicht. Die schweren Bankkästen, einige bewegbare Truhen, ein oder mehrere Langtische und die erforderliche Anzahl von Betten machte hier ohne Zweifel das gesamte Mobiliar aus. In den Hütten der Armen machten die Truhen sogar den Tisch entbehrlich, waren alles in allem, höchstens noch etwa von besonderen Schlafstellen begleitet.
Im 15. Jahrhundert brach sich der burgundische Einfluss Bahn, der in dem kräftigen deutschen Handwerkerstande einen fähigen Träger fand. Die Goldschmiedekunst und ihre Zweige, die Emaillierung und Steinschneiderei, das Handwerk der Schmiede, Schlosser, Kupferschmiede, Bronzegiesser und Zinnarbeiter wetteiferte mit dem der Elfenbeinschnitzler, der eigentlichen Bildschnitzer, Schreiner, Töpfer u.s.w. Den grössten, d.h. den für die Ausstattung der Wohnräume praktisch verwendbarsten Schritt, thaten wohl die Glaser, die nun neben allerlei nützlichen Dingen die Glasfenster herstellten, aus Rundscheiben zusammengesetzt, wie sie sich bis in unser Jahrhundert erhalten haben. Wenn auch die unvermeidliche Bleifassung, verbunden mit der meist noch geringen Qualität des Glases, ein Produkt entstehen liess, das der Vollkommenheit noch fern stand, so war doch dieses schon von grosser Bedeutung, ein nicht gering zu schätzender Fortschritt gegenüber den früheren Fensterverschlüssen aus Horn oder geöltem Papier. Diese gelangten überhaupt nie zu allgemeiner Verbreitung.
In bezug auf die Teppichwirkerei genossen die flandrischen Werkstätten eines hohen Rufes, vor allem durch die »hochschäftige Wirkerei mit senkrechter Kette«, durch die »hautelisse«. Der Aufwand an solchen Teppichen überstieg zuweilen jedes erdenkliche Mass. So wird erzählt: »Als man bei Gelegenheit der Vermählung Karl VIII. (um 1491) das Schloss Amboise ausstattete, verwandte man dazu an seidenen und golddurchwirkten Wandteppichen nicht weniger als mehrere tausend Ellen. Allein um den Hof damit zu bedecken, bedurfte man viertausend Haken, und zu einem einzigen Gemach dreihundertsiebenundvierzig Ellen von dem stärksten Seidenstoff, darauf in fortlaufenden Bildern die Geschichte Mosis zu sehen war. Die anderen Teppiche enthielten Szenen aus der Mythologie, aus der älteren und der neueren Geschichte. Auf ihnen erblickte man unter anderem die siegreichen Thaten des Herkules, die Geschichte der Sibyllen, die Eroberung von Troja, die Zerstörung Jerusalems, einzelnes aus dem Roman von der Rose und die Schlacht von Formigni, in welcher um 1450 Karl VII. die Engländer schlug«. Zur Bedeckung der Zimmergeräte und zum Überziehen der Polster wählte man fortwährend mit Vorliebe die gewöhnlich bestickten, einfarbigen oder buntbemusterten Stoffe.
Auch in bezug auf die Verfertigung von Uhren ward ein wichtiger Schritt vorwärts gethan. Er ging von Frankreich aus. Um das Jahr 1480 erfand dort ein gewisser Carovage oder Carovagius die Spiralsprungfeder und verwandte deren Triebkraft zur Herstellung von kleineren Wanduhren, die kurze Zeit hernach (1500) Peter Hele in Nürnberg derart vervollkommnete, dass er als der eigentliche Erfinder der Taschenuhren angesehen werden darf.[1110]
In bezug auf die Gestaltungsweise des Geräts im allgemeinen hielt man sich an die »germanischen« Grundformen, so dass darüber, namentlich aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts, weniger zu berichten ist. Die verzierende Ausstattung freilich wurde immer mannigfaltiger, ja in dem Streben, durch immer neue Erfindungen zu glänzen, verlor sie gegen Ende des Jahrhunderts den feineren Sinn für künstlerischen Zusammenhang, sie führte zur Überladung und zur Willkür und in ihrem Umschlag zur nüchternen Leere, so dass sie sich endlich teils in launenhafter Vermischung von starren oder doch nur mässig ornamental belebten Flächen mit einer zumeist übertriebenen Fülle von bunt zusammengeordnetem Zierwerk, teils in ausschliesslicher Verwendung des letzteren verlor.
Neben den bisher üblichen verschiedengestalteten Lehnsesseln tritt der ähnlich aussehende Drehsessel auf, der wie der Rollstuhl hauptsächlich von Kranken mag gebraucht worden sein. An Schränken und Truhen suchte man nun vorzüglich die gesteigerte Fülle baulicher Verzierungsformen zur Geltung zu bringen, auch kommen an denselben neben kostbarem Schnitzwerk oft Goldverzierungen, sowie Holz- und Metalleinlagen vor. Die Truhen stellte man gern auf Tierköpfe; die Schränke erhielten grössere Flächen, damit die Verzierungen reichlicher angebracht werden konnten. Die Thüren wurden kleiner, deren Umrahmungen aber verbreitert, sowie die wagerechten Leisten zwischen den Fächern. Neben den grösseren Stand- oder Wandschränken bediente man sich auch kleinerer, die an die Wand gehängt werden konnten und eben ihrer Kleinheit wegen um so köstlicher geziert wurden.
Unter den vielen Arten des Tisches begegnet man am häufigsten dem kleinen, einfüssigen, mit runder, ovaler und viereckiger Platte, und dem scharnierbeweglichen Klapptische. Beide kommen mehrfach im Zimmer vor und zwar ihrer Kostbarkeit wegen mehr als Ziertisch. Die Platte ist Marmor oder Serpentin, zum mindesten eine seltene Holzart, mosaikartig ausgelegt, bemalt, auch wohl am Rande zierlich eingefasst. Die Füsse sind Metallarbeit, aus Holzschnitzwerk oder aus einzeln gearbeiteten Ornamentstücken zusammengesetzt. Auch die Füsse der mehrfüssigen Tische sind die hauptsächlichsten Träger der Verzierungen. Auch die Schenk- oder Kredenztische fanden ziemliche Verbreitung; die Schaugestelle oder »dressoirs« und die Anrichtetafeln oder »buffets« stellte man mit der Zunahme der Prunkgeschirre (Glas- und Thonwaren, Gold- und Silbergeschirre, Brunnen [Giessfässer], Dreifüsse und Schiffe) viel häufiger und umfangreicher her, als es früher geschah und ermangelte selbstverständlich auch nicht, sie selber mit allem erdenklichen Zierat zu schmücken. Als Zimmerschmuck wären endlich noch die grossen Tafelbilder, auf Holz gemalt und zierlich eingefasst, sowie die gläsernen Wandspiegel zu nennen.
Wenn auch das bürgerliche Wohnhaus all diese Pracht noch nicht auf einmal nachzuahmen vermochte, so wuchsen doch auch dort die Bedürfnisse stetig. Die Bankkästen blieben noch, die Truhen ebenso, doch werden daneben mehr oder minder reichverzierte Tische, Stühle, Bänke, Schränke, Lesepulte u.s.w. fast allgemein angetroffen, und auch die nicht einmal reich Begüterten erlaubten sich zu Ende des Jahrhunderts den Luxus der Hängeteppiche und des Holztafelwerkes.
Für das 16. Jahrhundert wird[1111] Italien tonangebend. Dort hatte sich zuerst wieder das Bedürfnis der Auffrischung des Geschmackes an dem Vorbild der Alten kund gethan. In eingehender Verwendung der altklassischen Formen zuförderst im baulichen Betriebe, war man zugleich bemüht, auch die antike Verzierungsweise wieder aufleben zu lassen, was der Gerätebildung mit zu statten kam. Anfänglich ahmte man die Muster getreu nach, lernte das Ebenmass der Teile wieder schätzen und die Fülle der Zieraten damit in Einklang bringen, was auch für die neuen Verhältnisse nicht über Gebühr schwer sein durfte. Behandelten doch die Vorbilder in wechselvollster Durchbildung und Anordnung die blossen Phantasie-Ornamente, die mannigfaltigsten Gegenstände aus dem Tier- und Pflanzenleben und aus der altrömischen Verkehrswelt, dem kultlichen, kriegerischen und alltäglichen Leben, was alles nicht nur die Sinne bildete, sondern auch die Phantasie zu eigenen Kombinationen anregen musste.
Die »Renaissance« ging zunächst auf Spanien, dann auf Frankreich und erst durch dieses auf die Niederlande und auf Deutschland über; jedes dieser Länder hat sie in seiner eigenen Art empfangen und aufgegriffen, keinem aber hat sie noch vollends so ein bestimmtes Gepräge aufgedrückt, wie dem letztgenannten, das sein Haus und seine Stadt in einer Weise herausbildete, dass der objektive tieferblickende Fremde mit seinem Beifalle nicht zurückhalten konnte. So sagt der feingebildete Italiener, Äneas Sylvius, Papst Pius II. (14581464), dass er die grösseren niederländischen, deutschen und schweizerischen Städte ihrer besonderen Sauberkeit, Ordnung und Wohlhabenheit wegen, lediglich abgesehen von Kunstschmuck, den grösseren italienischen und französischen Städten weit vorziehe und viele, wie vor allem Gent, Brügge, Breslau, Prag, Lübeck, Aachen, Trier, Köln, Ulm, Wien, Strassburg, Salzburg, Basel, Zürich u.a. als Musterbilder, ja einzelne, wie Augsburg und Nürnberg, geradezu als Ideale einer vollkommenen Stadt bezeichnet werden müssen. Und ähnlich sprach sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Michel de Montaigne aus, der ausdrücklich hervorhebt, dass in den deutschen und schweizerischen Städten die Strassen und öffentlichen Plätze, die Wohnungen samt ihrem Hausrat, ihren Tafeln und Tafelgeschirren, weit schöner und sauberer seien, als in Frankreich.
In der Behandlung der edeln Metalle und Steine waren unter den deutschen Meistern die Augsburger und Nürnberger am berühmtesten, doch genossen auch die Ulmer, Kölner, Frankfurter (a.M.), Prager, Wiener und Dresdener eines guten Rufes. Die Elfenbeinschnitzerei hatte besonders in Augsburg ihren Sitz. Die Arbeit in Holz hatte schon im 15. Jahrhundert in rein technischer wie in künstlerischer Hinsicht eine Stufe erreicht, die eine bedeutende Weiterentwickelung kaum mehr zuliess; aber das immer steigende Bedürfnis für derartige Arbeiten für weltliche, und bis zum Ablauf der dreissiger Jahre auch noch für kirchliche Zwecke, liess doch mancherlei Neuerungen und Verbesserungen unvermerkt entstehen. Eine solche war die von Italien auf Frankreich und dann auch auf Deutschland übergehende Liebhaberei für geschnitzte Zimmerdecken. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts begnügt man sich noch mit einem sich kreuzenden, einfach gegliederten Balkenwerk mit Verzierungen in Flachschnitzerei; in der zweiten Hälfte aber entwickelt sich die Decke durchgängig zu einem sehr verschiedenen, oft äusserst künstlichen Kassettenwerk, ausgefüllt[1112] mit erhabenen Schnitzereien und Gemälden im Wechsel, oder auch in ihrem Verlaufe lediglich mit Malereien. Doch blieb der Geschmack für gute Schnitzarbeit immer vorhanden, ja man begnügte sich nicht mehr damit, bloss die Flächen, deren Einfassungen und Bekrönungen damit zu zieren, sondern fügte noch völlig rund gearbeitete Einzelteile bei, Figuren von Menschen und Tieren, zuweilen in Gruppen, Köpfe, Tierfüsse, Säulen, Pfeiler, Stützen u. dgl. Neben den einheimischen Holzarten, Eichen- und Nussbaumholz, gelangen nun auch fremde zur Verwendung, so besonders das aus Ostindien bezogene Ebenholz, das anfangs seines hohen Preises wegen nur zu kleinen Geräten verwendet werden konnte, von den siebziger Jahren an aber, infolge eingetretener Preisermässigung, bei den vornehmen Familien geradezu vorherrschend wurde. Beliebt waren namentlich die Möbel mit Elfenbein- und Silbereinlagen. Die Schreiner setzten sich zu diesem Zwecke mit den Künstlern von Fach in Verbindung und waren nicht selten selber tüchtige Schnitzer und Baumeister.
Nicht minder rührig waren die Metallarbeiter, Schmiede, Schlosser, Kupferschmiede, Bronze- und Zinngiesser. Auch sie wussten zu leisten, was das Handwerk überhaupt je zu leisten vermochte. Namentlich die Arbeiten der damaligen Schlosserei verdienen heute noch unsere Bewunderung. Es sind nicht nur kunstreich gearbeitete Schlösser und Beschläge, sondern auch einige Uhrwerke, die als Turmuhren mit einem Schlagwerk und mancherlei kunstreichen und ergötzlichen Zuthaten versehen sind, daneben auch astronomische Instrumente und verschiedenartige Figuren, die durch einen künstlichen Mechanismus ihre Thätigkeiten ausführen. Die Glasfabrikation und Verarbeitung dieses immer wichtiger werdenden Stoffes ruhte besonders noch in der Hand der Venezianer. Alle köstlicheren Stücke kamen von dort her. Im eigenen Lande machte man ausser den Fensterscheiben und kleinen Spiegeln nur die kleinen Gefässe für den Hausbedarf, allerhöchstens etwa Deckelgläser (Humpen) mit eingebrannten Pinselzeichnungen. Auch die Töpferkunst und Steingutfabrikation blühte in Italien zumeist und ging von da nach Frankreich über. Als Werkstätten letzterer Art waren in Deutschland und in den Niederlanden besonders Delft und Köln bekannt. Köln that sich auch in der Teppichwirkerei und Verarbeitung des gepressten Leders hervor.
Der neuen Geschmacksrichtung folgte auch in Deutschland, wie anderorts, anfänglich weniger der Hof und der Adel überhaupt, als das vornehme Bürgertum, so in Augsburg die Fugger und Welser. Der Gelehrte Beatus Rhenanus beschreibt in einem Briefe vom Jahr 1531 das Haus des Anton Fugger folgendermassen: »Welch eine Pracht ist nicht in Anton Fuggers Haus. Es ist an den meisten Orten gewölbt, und mit marmornen Säulen unterstützt. Was soll ich von den weitläuftigen und zierlichen Zimmern, den Stuben, Sälen und dem Kabinette des Herrn selbst sagen, welches sowohl wegen seines vergoldeten Gebälkes, als der übrigen Zieraten, und der nicht gemeinen Zierlichkeit seines Bettes das allerschönste ist? Es stösst daran eine dem heiligen Sebastian geweihte Kapelle, mit Stühlen, die aus dem kostbarsten Holze sehr künstlich gemacht sind. Alles aber zieren vortreffliche Malereien von aussen und innen. Raymund Fuggers Haus ist ebenfalls köstlich und hat auf allen Seiten die angenehmste Aussicht in Gärten. Was erzeuget Italien für Pflanzen, die nicht darin[1113] anzutreffen wären, was findet man darin für Lusthäuser, Blumenbeete, Bäume, Springbrunnen, die mit Erzbildern der Götter geziert sind? Was für ein prächtiges Bad ist in diesem Teile des Hauses. Mir gefielen die königlich französischen Gärten zu Blois und Tours nicht so gut. Nachdem wir ins Haus hinaufgegangen, beobachteten wir sehr breite Stuben, weitläuftige Säle und Zimmer, die mit Kaminen, aber auf sehr zierliche Weise, zusammengefügt waren. Alle Thüren gehen aufeinander bis in die Mitte des Hauses, so dass man immer von einem Zimmer ins andere kommt. Hier sahen wir die trefflichsten Gemälde. Jedoch noch mehr rührten uns, nachdem wir ins obere Stockwerk gekommen, so viele und grosse Denkmale des Altertums, dass ich glaube, man wird in Italien selbst nicht mehrere bei einem Manne finden. In einem Zimmer die ehernen und gegossenen Bilder und die Münzen, im anderen die steinernen, einige von kolossaler Grösse. Man erzählte uns, diese Denkmale des Altertums seien fast aus allen Teilen der Welt, vornehmlich aus Griechenland und Sizilien, mit grossen Kosten zusammengebracht. Raymund ist selbst kein ungelehrter Mann, von edler Seele.«
Einfacher (das reiche Basel ausgenommen) wohnte man in der Schweiz. Aloysius v. Orelli schreibt zwischen 1550 und 1575 aus Zürich, dass überall Reinlichkeit die grösste Zierde sei, daneben aber Einfachheit herrsche. Teppiche habe er nur in zwei Häusern vorgefunden. Der vornehmste Schmuck der Zimmer sei das nussbaumene Getäfel mit gotischem Schnitzwerk. Die Fussböden der Wohnzimmer seien von Holz, die der anderen von Backstein gemacht, deren viele ohne Zierat, andere mit einer Blume oder einer sonstigen Zeichnung geziert seien. Die Zimmerdecke dagegen sei vielfach köstlich geschnitzt und bemalt, hin und wieder mit massivem Gipswerk (Stuck) in Waffen und Harnischen, auch etwa mit Gold geziert. Daneben seien lateinische Denksprüche hingemalt. Zur Erwärmung der Zimmer bediene man sich grosser Ofen. Die Trinkgefässe seien von Zinn, oft der einzige Schmuck der dunkeln Stube, daher täglich blank gescheuert. »Die Gerätschaften« schreibt er weiter »sind auf Dauer gemacht, wenig zahlreich, viel weniger prächtig, aber oft in gutem Geschmack. Für den täglichen Gebrauch sind in den Wohnzimmern, längs der Wand und um einen grossen Tisch herum, lange Bänke für die Haushaltung hingestellt, wovon die oberste, für den Herrn und die Frau des Hauses bestimmt, mit Tuch ausgeschlagen ist. Kömmt Gesellschaft, so werden in den reichen Häusern hölzerne Stühle hingestellt, deren Sitz mit Sammet beschlagen und mit seidenen, auch, doch selten, mit silbernen und goldenen Fransen geziert sind. Weniger Reiche begnügen sich mit Stühlen, mit gefärbtem Tuch oder Leder ausgeschlagen, oder mit Polstern darauf, von den Frauen und Töchtern im Haus gestickt; mit dergleichen, und etwa auch mit gestickten Teppichen, werden bei festlichen Anlässen die Tische bedeckt. Lehnstühle hält dies rüstige Volk nur für Kranke oder Greise tauglich.« Er redet dann von der Menge silberner und vergoldeter Trinkgefässe, Pokale, Schüsseln u. dgl., die man in reichen Häusern finde und mit denen bei festlichen Anlässen die Tafel gedeckt und geschmückt werde, auch von der in Sammet gebundenen, mit Silber und Gold gezierten Hausbibel und fährt dann fort: »So einfach und haushälterisch die Speisen im täglichen Leben sind, so einfach ist auch das Tischgeräte. Die Löffel sind durchgängig von Holz oder Horn, nur bei reichen Personen,[1114] die des Hausvaters und der Hausmutter, mit ein wenig Silber verziert. Von gleichem Gehalt sind auch die Teller der Gemeinen, die der Reichen von Zinn, wenigstens des Hausherrn und der Hausfrau ihre. Die Schüsseln sind von verzinntem Kupfer, Zinn oder gebrannter Erde; so auch die Trinkgefässe. Glas hat man nicht zum täglichen Gebrauche, deshalb sind die Flaschen von hartgebranntem Thon, die Becher hölzern oder von Zinn.«
Zu bedenken ist bei der Beurteilung dieser beiden wertvollen Nachrichten, dass Rhenanus den Haushalt des Bürgerfürsten, Orelli aber absichtlich den der einfachen Bürgersleute beschreibt, und dass sie sich darum zur Kombinierung eines Gesamtbildes gegenseitig ergänzen. Der eigentliche Bürgerstand wird auch in Deutschland mehr nach der zweiten Schilderung gewohnt und gelebt haben. Wie viel übrigens zu einem mittleren Hausstand schon nötig war, beschreibt Hans Sachs in dem um 1544 erschienenen Gedichte »Der ganze Haussrat bey dreyhundert Stücken, so ungefehrlich in ein jedes Hauss gehört« folgendermassen:
»Erstlich in die stuben gedenk,
Musst haben Tisch, Stul, Sessel und Benk,
Bankpolster, Küss und ein Faulbett,
Giesskalter und ein Kandelbrett,
Handtzwehel, Tischtuch, Schüsselring,
Pfannholz, Löfl, Teller, Küpferling,
Krausen, Aengster und ein Bierglass,
Kuttrolff, Trachter und ein Salzfass,
Ein Külkessel, Kandel und Flaschen,
Ein Bürsten, Gläser mit zu waschen,
Leuchter, Butzscher und Kerzen viel,
Schach, Karten, Würfel, ein Bretspiel,
Ein reisende Uhr, Schirm und Spiegel,
Ein Schreibzeug, Tinten, Papir und Sigel,
Die Bibel und andere Bücher mehr
Zu Kurtzweil und sittlicher Lehr.
Darnach in die Kuchen verfüg
Kessel, Pfannen, Häfen und Krüg,
Drifuss, Bratspiess gross und klein,
Ein Rost und Bräter muss da seyn,
Ein Wurtzbuchs und ein Essigfass,
Mörser, Stempffel, auch über das
Ein Laugenfass, Laugenhäfen, zwo Stützen,
Zu Fewersnot ein messen Sprützen,
Ein Fischbret und ein Ribeisen,
Schüsselkorb, Sturtze, Spiknadeln preisen,
Ein Hakbrett, Hakmesser darzu,
Salzfass, Bratpfann, Senffschüssel zwu,
Ein Fülltrichter, ein Durchschlag eng,
Feimlöffl und Kochlöffl die meng.
Ein Spülstandt, Panzerfleck darbey,
Schüssel und Teller mancherley,
Pletz klein und gross ich dir nit leug,
Schwebel, Zunder und Fewerzeug,
Ein Fewerzangen, ein Ofenkruken,
Das Fewerpöklin zuhin schmuken,
Ein Tegel, Blassbalg, Ofenrohr,
Ein Ofengabel musst haben vor
Kyn, Spän und Holz zum Fewer frisch,
Ein Besen, Strohwisch und Flederwisch,
Auch musst du haben im Vorrat
In der Speisskammer früh und spat
Ein Aufhebschüssel, ein Zerlegteller.
Nun musst auch haben in dem Keller
Wein und Bier, je mehr je besser,
Ein Schrotleiter und ein Dambmesser,
Ein Fassbörer muss auch da seyn,
Ein Rören und ein Kunnerlein,
Ein Stendtlein und auch etlich Kandel,
Weinschlauch und was gehört zu dem Handel.
Wilt nun in die Schlafkammer gehn,
Ein Spannbett muss darinnen stehn
Mit Strohsack und ein Federbett,
Polster, Küss und ein Deckbett,
Deck, Pruntzscherb, Harnglass und Betttuch
Und auch ein Truhen oder zwu,
Darein man wol beschliessen thu[1115]
Gelt, Silbergeschirr und Pocaln,
Kleinat, Schewem, Porten und Schaln.
Auch musst du haben ein Gewandhalter.
Auch wie man zu dem Gwand muss brauchen
Ein Gwandbürsten und ein Gwandbesen.
Auch musst sunst haben in gemein
Vil Hausratt in dem Hause dein,
Damit man täglich flück und besser
Ein Segen, Reben- und Scheitmesser,
Hammer, Negel, Maissl und Zangen,
Hobel, Handbeihl, ein Laiter hangen,
Schaufel, Hawen, Axt nutzt man gern,
Ein Rechen, Schlegel und Latern.
Auch Werkzeug mancherlei Vorrath
Zum Handel selb in dein Werkstatt.
Auch musst du für dein Maid und Frawen
Nach einem Spinnrädlein umbschawen,
Rocken, Spindel und Hespa gut,
Scher, Nadel, Eln und Fingerhut,
Ein schwarzen und ein weissen Zwirn,
Markkorb, Tragkorb, Fischsack, kern ihrn,
Auch muss sie haben zu dem Waschen
Laugen, Seiffen, Holz und Aschen,
Multer, Waschböck und Züberlein,
Gelten und Scheffel, gross und klein,
Schöpfer, Waschtisch, Waschpleul und Stangen,
Daran man die Wesch auf thut hangen.
Wenn man dann ins Bad will gan,
Ein Krug mit Laugen muss man han,
Badmantel, Badhut und Haubtuch,
Beck, Pursten, Kamp, Schwammen und pruch.
Geht dann die Fraw mit einem Kindel,
So tracht umb vierundzweinzig Windel,
Ein Fürhang und ein Rumpelkess,
Weck, Käss und Obst zu dem Gefräss,
Ein Kindlbett, dem Kindt ein Wiegen,
Musst haben Milch, Mäl und Kindspfannen,
Ein Kindmaidt und ein Lüdelein.
Kannst du solches alles nit erschwingen,
Musst in versetzten Thon du singen.
So hab ich dir gelt ausgesundert
Des Hausrathsstück bis in dreyhundert,
Wiewol noch viel gehört zu den Dingen.
Traust du dir den zuwegen bringen
Und darzu Weib und Kind ernähren,
So magst du greiffen wol zu ehren,
Darumb bedenk dich wol, es liegt an dir.«
Die Möbel nahmen an Umfang zu. Als Sitze blieben die Lehnsessel, Stühle, Schemel, Bänke und sophaartige Gestelle in Gebrauch. Die Rücklehnen der Sessel wurden hie und da etwas rückwärts, die Armlehnen etwas einwärts geneigt. Doch blieben im Durchschnitt die gerade Linie und der rechte Winkel herrschend. Die Klappstühle kamen bedeutend in Abgang, wie auch die feststehenden hohen Gestühle, alles musste möglichst leicht und beweglich sein. Statt der aufgelegten Kissen brachte man jetzt festgenagelte Polster an. Die Lehnen waren entweder auch gepolstert oder aus Stabwerk mit reicher Verzierung aufgebaut, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wie die Sitze selber oft ein künstliches aber derbes Rohrgeflecht. Metallene Stühle wurden selten. Die gleiche Wandlung machten auch die verschiedenen Arten der Bänke durch, bis sie, die Bankkästen zuerst, gegen Ende des Jahrhunderts aus den Wohnzimmern von Stil ganz verschwanden und höchstens noch etwa in den Vorzimmern und Tanzsälen geduldet waren. Die Wandlungen der Tische dieser Zeit sind bedeutend und beschränken sich hauptsächlich auf[1116] die Verzierungen des Fussgestelles. Neu traten grosse halbrunde, dreifüssige Tische hinzu, die beliebig als Ziertische an die Wand gestellt oder je zu zweien auch als Speisetisch benutzt werden konnten. Die reichlichste Durchbildung erfuhren die Schreibtische, durch die Erfindung der Buchdruckerkunst veranlasst. Doch bereitete man auch jetzt schon besondere Büchergestelle, die wie die Buffets und Schautische sich zu köstlichen Schaustücken herausbildeten. Die Truhen und Schränke kommen auch jetzt noch nebeneinander vor, doch werden die letzteren häufiger und dienen erstere fast ausschliesslich nur noch zum Versorgen der Leibwäsche u. dgl.; überhaupt versehen sie den Dienst unserer Kommoden, während Kleider und Schmucksachen an die Schränke übergehen. Die »Toilette« dagegen bildete nur in Ausnahmefällen ein zierlicher Koffer; in der Regel war sie ein einfaches Tuch oder ein aus demselben bereitetes Säckchen, das alles das in sich barg, was zur Nachtzeit und beim Morgenanputz erforderlich war.
Die Ausartung blieb auch diesmal nicht aus. Von den dreissiger Jahren des 17. Jahrhunderts an hatte die Willkür, der »Barockstil« über die Renaissance den Sieg davongetragen. Auch er ging von Italien aus und nahm seinen Weg über Frankreich zu uns. Freilich vermochte er auf deutscher Erde weniger leicht Fuss zu fassen, auf der überhaupt der furchtbare Bruderkrieg alles künstlerische Leben für einige Zeit darniederhielt. Deutschland verfiel in dieser Hinsicht mehr als in jeder andern sklavisch dem Arme Frankreichs. Die Tafelgeräte, Trink- und Giessgefässe erlitten freilich neben einer Vervollständigung einerseits in gewisser Beziehung eine Verminderung. Die Brunnen und Dreifüsse gingen in den zwanziger, die Schiffe und schiffsförmigen Becken in den dreissiger Jahren ab. Auch als Trinkgefässe bleiben in der Hauptsache nur noch bestehen die Humpen, Kelche, Becher und Schalen. Die Zimmermöbel verlieren wieder an Umfang, da es immer mehr beliebte, sie nicht für einen bestimmten Standort fest, sondern möglichst leicht bewegbar herzustellen. Als Verzierungen dauern die Schnitzereien fort, doch beliebter sind die Einlagen und aufgesetzten Verzierungen von farbigem Gestein, Glas, Schildpatt und besonders von Metall, Silber oder vergoldeter Bronze. Für die Sitze erhielt sich bis stark auf die Mitte des Jahrhunderts die gerade Linie und der rechte Winkel noch fast durchweg, worauf sie aber durch die geschwungene verdrängt wurde, die anfänglich auf die Armlehne, dann auf die Rücklehne und in den siebziger Jahren auf die Füsse übertragen wurde, worauf sie auch für die Sitzplatte durchweg gefordert wurde. Die Polsterungen nahmen an Umfang noch immer zu. Sie dehnten sich nicht nur über den Sitz, sondern bald auch über die Rück- und Armlehnen aus. Zum Überziehen der Polster verwendete man statt des bisher üblichen Leders und Samts mit Vorliebe bestickte Seidenstoffe. Die Tische machten die gleiche Wandlung durch. Auch sie erhielten namentlich gezierte und geschwungene Füsse. Die eigentlichen Gebrauchsschränke behielten ihre Form länger, während die Kunstschränke eine kleinkünstlerische Prachtarchitektur von oft wunderlicher Durchbildung erfuhren. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erscheint dann auch ein schrankartiger Behälter mit ein oder zwei Schiebkasten von durchgehender Länge als Vorläufer der Kommode, welche die Truhe zu verdrängen bestimmt war, und gegen Ende des Jahrhunderts kam ein Toiletten-Geräte auf, bestehend in einem tischartigen Schrank mit schmalem Ausziehkästchen und daraufruhendem Spiegel.[1117]
Das 18. Jahrhundert endlich brachte wieder seine besonderen Verhältnisse. Namentlich seit dem zauberhaften Aufblühen der neuen russischen Hauptstadt wurden auch in deutschen Städten die Neubauten zu Palästen, damit aber auch zu kasernenartigen Mietshäusern, die dem Familienleben nach altem Brauche, überhaupt dem »deutschen Hause« den Todesstoss gaben. Natürliche wirkten noch viele andere Umstände mit. Was speziell die Ausstattung der Zimmer anbelangt, so zeigte sich bald, dass mehr und mehr das Handwerk von der Kunst sich trennte und dadurch in Misskredit kam. Die Maschinen halfen treulich, den Wert einer Arbeit mehr nach der Quantität zu bemessen, als nach der Qualität, und die bald allseitig eröffnete Konkurrenz brachte endlich die Zustände unserer Zeit.
Nach Weinhold, die deutschen Frauen, und Weiss, Kostümkunde.
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