Alpen

[131] Alpen, (aus dem celtischen alb, hoch,) [131] das große mitteleuropäische Hochgebirge, das sich von dem Rhonethale bis an die Donauebene und das adriatische Meer erstreckt, als dinarisches Gebirge aber bis an den Hämus ausläuft; seine Länge beträgt gegen 150 M., die Breite 20–40, es bedeckt eine Fläche von 7000–8000 QM. und sendet seine Traufe dem Mittel-, dem adriatischen, dem schwarzen Meere und der Nordsee zu. Es ist eine europäische Wetter- und Völkerscheide, und wie es zur physischen Gestaltung unseres Erdtheils wirkte, so hat es auch auf die Geschicke der Nationen, besonders auf Deutschland, Frankreich und Italien entscheidenden Einfluß geäußert. Die nördliche Abdachung der Alpen ist von der Iller an eine weitreichende, an die Donau sich verlaufende Fläche, die höher liegt als die nördliche Abdachung vom Bodensee bis an den Jorat; südwärts fällt das Gebirge steil ab und während der Chiemsee über 1500', der Bodensee 1200', der Genfersee 1150' über dem Meere liegt, liegen die großen Seen auf der Südseite der Alpen, obwohl zum Theil noch die Spalten des Gebirges ausfüllend, z.B. der Langensee, der See von Como nicht mehr 700' über dem Meere, und die Poebene noch unverhältnißmäßig tiefer als die mit ihr parallele Donauebene. Der Höhe nach unterscheidet man: Hochalpen von 8000–14000'; Mittelalpen von 5000–8000', und Voralpen von 2000–5000'. Die Schneelinie ist zwischen 7000–8000'; höchste Schafweide an der Südseite des Monterosa 8000', hingegen der Grindelwaldgletscher im Berner Oberlande bis auf 3200' heruntersteigend. An den Mittel- und Hochalpen unterscheidet man mehrere Regionen: 1. den Fuß, angebaut, mit menschlichen Wohnungen besetzt. 2. Den Wald, zuerst Laubwald, dann Nadelwald, häufig durch Wiesen unterbrochen, wenn nicht Felsenwände und Felsentrümmer die Vegetation fast gänzlich ausschließen. 3. Die Alpen oder die Weiden, mit kurzem, weichen Grase in dichtem Rasen, würzhaften Kräutern, die beim Schmelzen des Schnees schon hervorsprossen; die höchsten Weiden, gegen 7000' über dem Meere, können im besten Falle 6 Wochen bezogen werden. 4. Den ewigen Schnee oder Firn, körnig, sehr rein, unter localen Verhältnissen in Gletscher übergehend, in welchem Falle er viel tiefer herabgeht als der Firn; s. Gletscher. 5. Den Felsen, das Haupt des Berges, in den verschiedensten Formen, gewöhnlich sehr schwer zu ersteigen; nur in den Schründen und Spalten haftet hier der Schnee. – Das Alpengebirge besteht nicht aus einer Kette, sondern aus vielen. Die oft gebrauchte Eintheilung in 3 Ketten: 1. Alpenkette oder Uralpen; 2. Alpenkette oder Kalkalpen und 3. Alpenkette oder Nagelfluhealpen ist in jeder Hinsicht unrichtig; besser ist die in 1. Westalpen, bestehend aus den Seealpen oder niederen Alpen; höchster Berg Col de Longet 9708', durch den Col de Tenda mit den Apeninen zusammenhängend, über den zugleich eine Bergstraße führt; den cottischen Alpen mit dem Mont Olan 12966', der Bergstraße über den Genèvre 5800' hoch, aus dem Thal der Durance in das der kleinen Dora führend; den graischen oder grauen vom Montblanc bis Mont Cenis, mit der Aeguille de Vanoise 11892' hoch; Straßen: Mont Cenis zwischen der Isère und kleinen Dora 8670' hoch., Kl. Bernhard 6654' hoch zwischen Isère und Dora Baltea. 2. Die Mittel- oder Centralalpen, der entwickeltste und höchste Theil des ganzen Gebirges. Zu ihnen gehören: die penninischen A. von dem Montblanc, der höchsten Spitze des ganzen Alpengebirges, 14760' hoch, bis zum Simplon; Straßen: der Gr. Bernhard 6580' zwischen Rhone und Dora Baltea, der Simplon 6114' zwischen Rhone und Langensee; die lepontischen Alpen vom Simplon bis zum Splügen, ihre Zweige weit nach Norden entsendend, mit dem Piz Val Rhein 10300' hoch, den Straßen über den Gotthard 6650', zwischen Reuß und Tessin, den Bernhardin, 6580', zwischen Rhein- und Misoccothal, den Splügen 6170', zwischen Rhein und Adda; die rhätischen Alpen vom Splügen bis Dreiherrenspitz (Wasserscheide der Salza, Drau und Etsch); die Berninahörner 13000'; Straßen: über die Maloya zwischen der Albula (Rhein) und Maira (Adda), 5850', [132] das Berninajah 6200' aus dem Engadin nach Poschiavo, das Stilfserjoch 9000', aus dem obern Etschthale in das Valtellin (Adda), die Reschenscheideck 4300', zwischen dem obern Etschthal und untern Engadin, der Brenner 4353', zwischen dem obern Eisachthale und dem mittleren Innthale. Von den Mittelalpen breitet sich das Gebirge nordwärts aus zum Theil in mächtigen Ketten: die Berneralpen, von den Aarquellen bis zum Dent de Morcles an der Rhone, mit einer Reihe der höchsten europäischen Berggipfel, das Finsteraarhorn 13200'; Pässe: Rawyl, Gemmi, Grimsel; die Vierwaldstätter Alpen, vom Thuner- und Brienzersee bis an die Reuß und den Vierwaldstättersee, mit dem Titlis 10800', der Brünigpaß; die Glarner und Schwyzer Alpen, von der Reuß bis an die Linth, den Wallenstädter und Züricher See mit dem Tödi, 12000'; Pässe: Oberalp, Panixer, Segnes, Gungels, Pragel; die Thuralpen, mit dem Säntis 7800'; die Vorarlberger Alpen; der Arlberg mit der Straße aus dem Ill in das Innthal, der Arlbergpaß 895,5 Wienerklafter hoch; die Algäueralpen (s. Algäu). Gegen Süden entfaltet das Mittelgebirge nur zwei Stämme: die Ortelergruppe zwischen Etsch, Inn u. Adda mit dem 12060' hohen Orteler, und die tridentinischen Alpen, zwischen Etsch, Rienz und Brenta. 3. die Ostalpen von dem Dreiherrenspitz bis an die Kulpa und Leitha. Zu ihnen gehören: die norischen Alpen zwischen der Donau und Drau, mit den salzburgischen, österreichischen und steyerischen, karnischen und julischen A. als Zweigen; der Wienerwald mit dem Kalenberge ist der nördlichste Ausläufer; Großglockner 11982'; Wiesbachhorn 10800'; Straßen: von Ampezzo, zwischen Piave und Tagliamento, von Saisnitz 2400', zwischen Gail (Drau) und Tagliamento; von Hochfeld, zwischen der Drau und dem oberen Lungau; der Radstädter Tondernpaß, 4900', zwischen dem obern Lungau und Ensthal; der Predil, zwischen Isonzo und Drau; von Adelsberg, 2610', zwischen Laibach und Triest; der Loibelpaß zwischen Sau und Drau, 4000'; die Pässe der Rottenmanner Tauern und von Eisenärz, zwischen dem unteren Lungau und dem Ensthal; der Sömmering 3123', zwischen Donau und Mur, über und durch diesen Berg führt bald der erste Schienenweg, der das Alpengebirge schneidet; die Louisenstraße, zwischen Fiume und Karlstadt, die Josephsstraße zwischen Zengg und Karlstadt. 4. Die dinarischen A., erstrecken sich vom Kleck bei Ogulin zwischen der Sau, Donau und dem adriatischen Meere bis zum 9600' Schardagh, wo sie sich dem Hämus anschließen. Im ganzen Alpengebirge sind 740 Berge bekannt u. benannt, welche die Schneelinie übersteigen, die Gletscher kommen dieser Zahl nahezu gleich. Der Bau der A. hat die Geognosten u. Geologen von jeher sehr in Anspruch genommen, doch ist er trotz der ununterbrochenen Forschungen in der neuesten Zeit noch lange nicht hinlänglich bekannt; die Granit- und Gneißformation mit ihren Uebergängen, die mannigfaltige Kalkformation, Thonschiefer, Sandstein und Nagelfluhe bilden wohl vorherrschend einzelne Ketten, Zweige und Gruppen, aber nicht ausschließlich. An Metallen sind die A. im Verhältniß zu ihrer Ausdehnung weniger reich als manches andere Gebirge, am ergiebigsten sind indessen die Ostalpen; man baut im Alpengebirge auf Gold, Silber, Quecksilber, Kupfer, Zink, Blei, Nickel, Kobalt, Antimon, besonders aber auf Eisen; auch reiche Salz- und Steinkohlenlager enthält das Gebirge, ebenso liefert es verschiedene Marmorarten, Jaspise, Alabaster, Gyps, Thonschieferplatten, Mühl-, Wetz- und Feuersteine. Von der eigenthümlichen Vegetation des Gebirges ist bei den Regionen bereits die Rede gewesen; im allgemeinen sind die Alpenkräuter kurz, buschig, oft behaart, viele gesellschaftlich, schönblütig und mit starken Säften. In vielen Gegenden, besonders auch in der Schweiz, sind die Alpenwälder aus Unverstand oder der Sucht nach augenblicklichem Gewinne sehr gelichtet und theilweise verwüstet worden, was sich durch das Wegschwemmen der vegetabilischen Erde, durch Ueberschwemmungen, Unbeständigkeit der Witterung und Holzmangel rächt. [133] Von den wilden Thieren findet sich auf den A. aus den Säugethieren und Vögeln eine beträchtliche Anzahl. Von den Raubthieren in einzelnen Exemplaren und immer im Hochgebirge: der braune Bär, der Wolf, Luchs, ferner die wilde Katze, Marder, Iltis, Fuchs; von den Vögeln der Lämmergeier, Gold- und Steinadler, die Habichte und Falken, alle europäische Eulen. Der Steinbock scheint ausgerottet, die Gemse ist in Gegenden, wo sie etwas geschont wird, noch ziemlich zahlreich, ebenso das Murmelthier, das auf manchem Berge unzugängliche Colonien hat. Von dem Federwilde kommt das Auer-, Birk-, Hasel- und Schneehuhn vor, sehr zahlreich Amseln und Drosseln. Die Amphibien sind nicht zahlreich, die giftige Otter findet sich noch über der Waldregion; stärker sind die Insekten vertreten zum Theil durch Arten, welche auf der Ebene nicht vorkommen; die Weichthiere haben außer wenigen Geschlechtern ihren Platz nicht auf dem Gebirge. Die Alpenbäche und die nicht zu hoch liegenden Seen sind reich an Forellen, die Gebirgsseen haben einige eigenthümliche Arten. Von den zahmen Thieren ist es hauptsächlich das Rind, welches auf den A. weidet; es kommt in mehreren Racen vor, am schönsten in der Schweiz, und begründet das Hirtenleben und die Alpenwirthschaft; auf den dem Rinde unzugänglichen Stellen nährt sich die Ziege und versorgt den Armen mit Milch, der keine Kuh zu halten vermag; je größer daher die Anzahl der Ziegen in einem Gebirgsdorfe ist, um so ärmer sind die Leute. Das Schaf wird nicht besonders zahlreich getroffen, da seine Wolle auf den A. ausartet und gröber wird; die Pferdezucht ist nur in einigen Gegenden von Bedeutung. Das Schwein begleitet den Sennen in die Sennhütte, wo es von dem Abfalle der Käserei gemästet wird und keinen unbedeutenden Ertrag der Alpenwirthschaft bildet. Die Alpenbewohner mögen ungefähr 8 Mill. betragen; von diesen gehören wenigstens 3 Mill. dem deutschen Stamme an, etwa 2 dem celtischen, 1 dem italienischen und 2 dem slavischen und illyrischen. Von diesen sind etwa 3 Mill. Hirtenvolk, die anderen beschäftigen sich mit dem Bergbau, dem Handel und verschiedenartiger Industrie; die Fabrikation hat theilweise ihre Etablissements, namentlich Baumwollenspinnereien, bis an den Fuß der Gletscher vorgeschoben und beutet die Kraft der Alpenbäche aus. In den Ostalpen ist die Eisenindustrie vorherrschend.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 131-134.
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