Lacordaire

[684] Lacordaire (Lakordähr), Henri, der gefeiertste französ. Kanzelredner der Gegenwart, geb. am 12. Mai 1802 zu Recy bei Chatillon sur Seine, studierte in Dijon die Rechte, betrat 1822 die Advokatenlaufbahn, opferte aber die glänzendsten Aussichten einem höheren Berufe, indem er 1824 zu Paris in das Seminar von St. Sulpice eintrat und 1827 Priester wurde. Als Hauskaplan eines Frauenklosters bildete er sein Rednertalent aus, als Religionslehrer am College Heinrichs IV. lernte er die Früchte unchristlicher Erziehung kennen und griff das franz. Unterrichtswesen in einem »Mémoire sur lʼétat religieux et moral des établissements universitaires«, das wohl viel zur Erneuerung des alten Kampfes des Klerus mit der Pariser Universität beitrug, begeistert an. Nach der Julirevolution verband er sich mit seinem Freunde Lamennais, mit Montalembert, L. Gerbet u.a. zur Herausgabe des »lʼAvenir«, der im herrlichsten Style u. mit der Kühnheit christlicher Begeisterung das dem Christenthum wirklich oder scheinbar Widersprechende im staatlichen und kirchlichen Leben zu Leibe ging, dabei aber von Einseitigkeiten und Verstößen nicht frei blieb. Trotz dem Art. 69 der kaum gegebenen Julicharte hob die Regierung schon 1831 eine von L., Montalembert und de Coux ohne Genehmigung der Regierung eröffnete Schule auf, der Pairshof verurtheilte die Urheber derselben und der lʼAvenir erschien nicht mehr, zumal Rom keineswegs grundlos besorgte, der französ. Klerus könnte sich [684] allzuweit in der politischen Zeitbewegung verlieren. Bekanntlich unterwarfen sich außer Lamennais alle Herausgeber des lʼAvenir dem Ausspruche Roms; L. hatte die Rechtfertigungsschrift des Blattes verfaßt, aber er trennte sich von Lamennais und trat bald offen gegen diesen auf. Von 1834 an verlegte sich L. vorherrschend auf sein Predigtamt, wurde Ehrendomherr von Notredame, zu Rom 1839 Dominikaner, wirkte für die Einführung seines Ordens in Frankreich u. erlebte dieselbe 1841. Er hielt Konferenzreden, suchte in Grenoble, Metz u.s.w. Predigerschulen zu stiften, predigte in ganz Frankreich herum, 1847 in Lüttich, kam 1848 in die Nationalversammlung, unter dem 2. Kaiserreich aber insofern in Ungnade, daß ihm 1854 das Predigen in Paris untersagt wurde. Schriften: Considérations sur le système philosophique de Mr. de la Mennais (18341. Lettre sur le saint siége (deutsch von G. Görres, Regensburg 1838), Vie de St. Dominique (1841. deutsch Landshut 1844); die berühmten Conférences de Notre-Dame de Paris (Par. 1835–50) übersetzten ins Deutsche Smels, Schröter, Lutz, Beisel. Eine der neuesten Predigten: Panégyrique du B. Fourier, Brux. 1854 – L., Théodore. der Bruder des Vorigen, ist Professor der Naturwissenschaften zu Lüttich.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 684-685.
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