[22] Lacordaire (spr. -dǟr'), 1) Jean Théodore, Reisender und Naturhistoriker, geb. 1. Febr. 1801 in Recey-sur-Ource, gest. 19. Juli 1870 in Lüttich, bereiste 182532 Südamerika und wurde 1835 Professor der Zoologie, später der vergleichenden Anatomie an der Universität in Lüttich. Außer Reiseberichten für die »Revue des Deux Mondes« schrieb er: »Introduction à l'entomologie« (Par. 183437, 2 Bde.); mit Boisduval: »Faune entomologique des environs de Paris« (1835); »Monographie des Érotyliens, famille de l'ordre des Coléoptères« (1842); »Monographie des Coléoptères subpentamères de la famille des Phytophages« (184548, 2 Bde.); »Histoire naturelle des insectes. Genera des Coléoptères« (1854 bis 1876, 12 Bde.).
2) Jean Baptiste Henri Dominique, franz. Kanzelredner, Bruder des vorigen, geb. 12. Mai 1802 in Recey-sur-Ource (Côte-d'Or), gest. 22. Nov. 1861, studierte in Dijon die Rechte, trat 1824 in das geistliche Seminar St.-Sulpice, empfing 1827 die Priesterweihe und begründete 1830 mit Lamennais den »Avenir«. Gleichzeitig eröffnete er mit Montalembert eine freie Schule, ohne sich den Gesetzen der Universität unterwerfen zu wollen. Als der Papst den »Avenir« verdammte, unterwarf sich L. Aus Rom 1833 nach Paris zurückgekehrt, fesselte er seit 1835 in Notre-Dame durch seine Rednergabe sowie dadurch, daß er alle Interessen und Bewegungen der Zeit, die Sache der Nationalität und Freiheit, Industrie und Politik in den Kreis seiner Besprechungen zog, die Menge in hohem Grade. Da ihm der Erzbischof von Paris die Kanzel untersagte, trat er, um sich von dessen Autorität freizumachen, nachdem er in den »Considérations philosophiques sur le systéme de Lamennais« (1834) und der »Lettre sur le saint-siège« (1838) seine im »Avenir« geäußerten Grundsätze förmlich widerrufen hatte, 1839 auf einer italienischen Reise in den Dominikanerorden. Mit diesem Schritt hängt zusammen seine Schrift »Vie de saint Dominique« (1840; 11. Aufl., Par. 1901; deutsch, Regensb. 1871). Im Februar 1841 erschien er in der Kulte des Dominikaners wieder auf der Kanzel von Notre-Dame, 1848 sogar als Volksvertreter in der Konstituierenden Versammlung, legte aber schon im Mai sein Mandat wieder nieder. 1850 nach Rom gereist, ward er Provinzial des Dominikanerordens für Frankreich. Seit 1854 beschränkte er sich auf die Leitung seiner Schule zu Sorèze. 1860 wurde er in die französische Akademie aufgenommen. Seine »Œuvres complètes« (darunter auch seine Predigten) erschienen Paris 187273 in 9 Bänden, und 1901, 9 Bde.; einen Auszug aus seinen Werken enthalten die »Pensées choisies du Père L.« (hrsg. von Chocarne, 10. Aufl. 1902, 2 Bde.; deutsch, Brünn 188586); die »Kanzelvorträge in der Notre-Dame-Kirche« auch in deutscher Übersetzung (Tübing. 184652, 4 Bde.); »Œuvres posthumes«, Predigten aus den Jahren 1842 und 1843, gab Tripier heraus (1900, 2 Bde.). Seine Selbstbiographie enthält das vom Grafen Montalembert herausgegebene »Testament du Père L.« (1870; deutsch, Freiburg 1872). Aus dem umfangreichen Briefwechsel Lacordaires sind die »Correspondance inédite à sa famille, etc.« (hrsg. von Villard, 2. Aufl. 1876), die »Lettres à Théophile Foisset« (1886, 2 Bde.) und die »Lettres à la comtesse de la Tour du Pin« (2. Aufl.) hervorzuheben. Sein Leben beschrieben Chocarne (1866; 9. Aufl. 1905, 2 Bde.), Foisset (2. Aufl. 1874, 2 Bde.), Bleibtreu (Freib. 1873), Montalembert (Par. 1881), de Broglie (1889), der Graf d'Haussonville (3. Aufl. 1904), Ledos (2. Aufl. 1902) und Semeria (Rom 1903). Vgl. Nicolas, Etude historique et critique sur le Père L. (Toulouse 1886); Fesch, L. journaliste, 18301848 (das. 1897).