[170] Seerecht, der Inbegriff der Gesetze, welche für die Schiffahrt gelten, namentlich bei dem Seekriege. Sie sind privatrechtlicher Natur, sofern sie die Schiffahrt und den Seehandel der Angehörigen des Staats betreffen, der sie erläßt, hingegen völkerrechtlicher od. internationaler, wenn sie auf Verträgen beruhen, welche verschiedene Seemächte unter einander abgeschlossen haben. Das älteste S. ist das rhodische, die Grundlage des röm. und mittelbar des mittelalterlich en ital. consolato del mare, mittelalterliche Seegesetze waren ferner die Roles d'Oleron, die barcelonesischen, die von Wisby, Lübeck, Hamburg, Amsterdam. Ihnen folgten die Ordonnanz Karls V., die franz. ordonnances maritimes, die engl. Navigationsakte u.s.w. Seit die Engländer die Oberherrschaft zur See gewannen, suchten sie das S. zu ihren Gunsten umzugestalten; der Satz »Freie Flagge, frei Gut«, od. »die Flagge deckt die Ladung« d.h. auf neutralen Schiffen ist feindliches Gut, sofern dasselbe nicht Kriegscontrebande ist, sicher, wurde von ihnen nicht anerkannt, die bewaffnete Neutralität der nordischen Mächte gegen die engl. Anmaßung hatte keine Folgen, da Dänemark von Schweden und Rußland im Stiche gelassen wurde und so gelang es England, den Handel der Neutralen während der engl.-franz. Kriege zu lähmen; vgl. Durchsuchungsrecht. Ebenso erklärten die Engländer ganze Küstenstrecken in Blokadezustand, ohne daß die Blokade thatsächlich ausgeführt werden konnte u. gaben dem Artikel »Kriegscontrebande« eine ungemessene Ausdehnung. Die nordamerikan. Freistaaten widersetzten sich 181314 dem engl. Durchsuchungsrechte mit Gewalt u. willigten 1841 auch nicht in das auf gewisse Breiten beschränkte Durchsuchungsrecht ein, das die europ. Großmächte auf Englands Betreiben sich gegenseitig einräumten, um dem Sklavenhandel nachdrücklich zu steuern. In dem Kriege gegen Rußland [170] (185456) machte sich zuerst eine mildere Praxis geltend u. im Pariser Frieden vom 30. März 1856 wurden nicht nur alle Ansprüche der Neutralen als Recht aufgestellt, sondern auch die Austheilung von Kaperbriefen für die Zukunst als völkerrechtswidrig erklärt. Natürlich hängt der Bestand des neuen S.s bei einem künftigen Seekriege davon ab, ob keine Macht, z.B. England, zur See ein solches Uebergewicht erlangt, daß sie es wagen darf, allen andern Seemächten zum Trotze die alte Praxis wieder geltend zu machen. Ueber S. vgl. die Schriften von Cussy (Lpz. 1856) und Soetbeer (Hamb. 1854 ff.).