Unsterblichkeit

[569] Unsterblichkeit (immortalitas) ist, allgemein, Unvergänglichkeit eines Wesens, eines lebenden Wesens, insbesondere einer (menschlichen) Seele. Die Idee der Unsterblichkeit entsteht als Reim schon bei »Naturvölkern«, indem besonders die im Traume erscheinenden Bilder Verstorbener für wirkliche, nach dem Tode (s. d.) weiterexistierende Wesen gehalten werden. Psychologisch liegt der Idee der Unsterblichkeit der über den organischen Tod hinaus behauptete Selbsterhaltungswille (dessen Kehrseite die Scheu vor dem »Nichtsein« ist) zugrunde. logisch basiert die Unsterblichkeitsidee auf dem Postulate der Constanz, Permanenz des Seienden nicht bloß außer, sondern auch in uns. ethisch liegen ihr allerlei Wünsche und Forderungen nach vergeltender Gerechtigkeit, nach zweckvollem Auswirken der Persönlichkeit u. a. zugrunde. Von der Vorstellung einer Unsterblichkeit des ganzen Individuums entwickelt sich die Unsterblichkeitsidee zum Begriffe oder doch zur besonderen Wertung rein geistiger Unsterblichkeit. Empirisch erhärten läßt sich die Idee dieser Unsterblichkeit nicht, aber erkenntnistheoretisch läßt sich ihr durch den Hinweis auf die Subjectivität der Zeit (s. d.) – welche in der Ichheit (s. d.) ihre Wurzel hat, so daß diese Ichheit (an sich) zeitlos, weil erst zeitsetzend, ist – eine Stütze geben, die noch durch metaphysische Erwägungen befestigt werden kann. Das »empirische Ich« (s. d.) freilich kann nur als in seinen Wirkungen, in seinem »Tatenleib« (s. d.) unsterblich betrachtet werden. es hat actuale, nicht substantielle Unsterblichkeit, wie es ja auch ein Gewordenes ist. Absolut unsterblich kann eben nur das Überzeitliche, aller Vorstellungswelt schon zugrunde Liegende, in den Einzel-Ichs sich verendlichende Geistige sein.

Bei den Indern, Ägyptern u. a. besteht die Lehre von der Seelenwanderung (s. d.). Die Lehre von einem Schattenreich (Hades) bei Griechen, Hebräern (Scheol), von Himmel und Hölle im Christentum (Auferstehung), Mohammedanismus.

Bei den Griechen lehren schon die Orphiker (s. d.) die Unsterblichkeit der Seele (vgl. Diog. L. I 1, 24). So auch PHEREKYDES (»animos hominum esse sempiternos«, Cicer., Tusc. disp. I, 16, 38). Unsterblich ist die Seele nach ALKMAEON: athanaton einai dia to eoikenai tois athanatois, touto d' hyparchein autê hôs aei kinoumenê. kineisthai gar kai ta theia panta synechôs aei (Aristot.,[569] De an. I 2, 405 a 30 squ.). Die Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele hegt SOKRATES. Verschiedene Argumente für die Unsterblichkeit bringt PLATO vor: das Wesen der Seele als Princip des Lebens, dem der absolute Tod widerspricht (Phaedr. 245. vgl. Republ. X, 609), die Verwandtschaft der Seele mit den ewigen Ideen, die Natur des Erkennens (B. Präexistenz) u. a. (Phaed. 62 Squ.). Psychê pasa athanatos. to gar aeikinêton athanaton. to d' allo kinoun kai hyp' allou kinoumenon, paulan echon kinêseôs, paulan echei zôês. monon dê to auto kinoun, hate ouk apoleipon heauto, ou pote lêgei kinoumenon, alla kai tois allois hosa pan to gignomenon gignesthai, autên de mêd' ex henos ... epeidê de agenêton esti, kai adiaphthoron auto anankê einai ... mê allo ti einai to auto heauto kinoun ê psychên, ex anankês agenêton te kai athanaton psychê an eiê (Phaedr. 245 C squ.. vgl. Meno 80 squ.. Tim. 69). Nach ARISTOTELES ist nur der geistige Teil des Menschen, nicht das Lebensprincip unsterblich, nur der nous (Geist, s. d.), thyrathen in den Menschen gelangt und von ihm trennbar ist: chôristheis d' esti monon touth' hoper esti, kai touto monon athanaton kai aidion (De an. III 5, 430 a 22 squ.). Voll den Stoikern lehrt KLEANTHES, daß alle Seelen bis zur Ekpyrosis (s. d.) dauern, CHRYSIPP dagegen, daß nur die Seelen der Weisen (relativ) unsterblich seien. die Weltseele, deren Teile die Einzelseelen sind, ist absolut unsterblich (Diog. L. VII 1, 156 squ.. M. Aurel, In se ips. IV, 21). Unsterblich ist die Seele nach CICERO (Tusc. disp. I, 27, 66). Nach SENECA ist die Unsterblichkeit ungewiß (Ep. 56, 63. 102. Consol. ad Polyb. 28). Nach TACITUS sind wenigstens einige ausgezeichnete Seelen unsterblich (Agric. 46). PLUTARCH nimmt eine Unsterblichkeit an (Consol. ad uxor. 61). PLINIUS hält den Glauben an Unsterblichkeit für eine schädliche Einbildung (Histor. nat. VII, 56). Die Unsterblichkeit des Geistes lehrt PHILO (Quod Deus immut. 10). So auch NEMESIUS (Peri phys. 3).

Im Neuen Testament ist die persönliche Unsterblichkeit mehrfach ausgesprochen (Matth. 10, 28. Hebr. 9, 27. 1. Cor. 13, 12, u. ö.). Die Apologeten (s. d.) betrachten sie als ein Geschenk Gottes (Harnack, Dogmengesch. I3, 493). THEOPHILUS erklärt: ho theos athanaton ton anthrôpon ap' archês pepoiêkei (Ad Autol. II, 27). Unsterblich ist die Seele des Menschen nach TERTULLIAN (De an. 41 ff.), GREGOR VON NYSSA (De creat. hom. 27), AUGUSTINUS, nach welchem die Unsterblichkeit der Seele aus ihrem Teilhaben an den ewigen Wahrheiten folgt (Soliloqu. II, 2 ff.. De immort. an. 1 ff.), AENEAS VON GAZA, nach welchem der logos der Körper überhaupt unvergänglich ist (Theophr. p. 56, 65. vgl. Ritter VI, 492) u. a. – Die Unsterblichkeit der geistigen Seele lehrt MAIMONIDES (Doct. perplex. III), so auch AVICENNA (De Almah. 3). Nach AVERROËS ist nur der allgemeine (active) Intellect unsterblich (Destruct. destruct. II, 2 ff.). – Nach ALBERTUS MAGNUS ist die Seele schon deshalb unsterblich, weil sie eine »ex se ipsa causa«, eine vom Körper dem Princip nach unabhängige Form ist (De nat. et or. an. II, 8). Nach THOMAS weist schon der natürliche Trieb des Geistes nach Fortleben, der doch nicht eitel sein kann, auf die Unsterblichkeit der Seele hin. »intellectus naturaliter desiderat esse semper. Naturale autem desiderium non potest esse inane. Omnis igitur intellectualis substantia est incorruptibilis« (Sum. th. I, 75, 6). Dazu kommt noch u. a. die Idee der Vergeltung (In 1. sent. 2, d. 19, 1. vgl. Contr. gent. II, 49 ff.). Die Unsterblichkeit lehren BONAVENTURA (In lib. sent. d. 19, 1,: 1) u. a.

Sowohl die »Averroisten« (s. d.) als die »Alexandristen« (s. d.) der Renaissancezeit[570] leugnen die individuelle Unsterblichkeit. nur der allgemeine Intellect ist, nach den ersteren, unsterblich (so auch nach SIGER VON BRABANT, Quaest. de anima intellectiva. vgl. Mandonnet, Siger de Brab. 1899): die letzteren negieren auch dies. So POMPONATIUS, welcher bemerkt: »Mihi... videtur, quod nullae rationes adduci possunt cogentes, animam esse immortalem, minusque probantes animam esse mortalem« (De immortal. an. C. 15, p. 120. vgl. C. 12). So auch SIMON PORTA (De anim. et mente hum. 1551). – Nach MARSIL. FICINUS sind alle Seelen unsterblich (De immort. animor.). eine Theosis (s. d.) findet im Jenseits statt. Nach AGRIPPA ist die Seele als göttlicher Gedanke unsterblich (Occ. philos. III, 44. vgl. III, 36, 41). Die Unsterblichkeit der Seele lehren J. B. VAN HELMONT (Imago ment. p. 267), CAMPANELLA (De sensu rer. II, 24 f.), CARDANUS (De subtil. 14. De variet. 8), G. BRUNO (De tripl. min. I, C. 3).

Nach SPINOZA ist der menschliche Geist unsterblich, sofern er das Ewige (s. d.) denkt, an diesem teilhat. »Mens humana non potest cum corpore absolute destrui, sed eius aliquid remanet, quod aeternum est« (Eth. V, prop. XXIII). »In Deo datur necessario conceptus seu idea, quae corporis humani essentiam exprimit, quae propterea aliquid necessario est, quod ad essentiam mentis humanae pertinet. Sed menti humanae nullam durationem, quae tempore definiri potest, tribuimus, nisi quatenus corporis actualem existentiam, quae per durationem explicatur et tempore definiri potest, exprimit, hoc est ipsi durationem non tribuimus nisi durante corpore. Quum tamen aliquid nihilo minus sit id, quod aeterna quadam necessitate per ipsam Dei essentiam concipitur, erit necessario hoc aliquid, quod ad mentis essentiam pertinet, aeternum« (l. c. dem.). Unser Geist ist, sofern er die Wesenheit des Körpers »sub specie aeternitatis« einschließt, ewig. »Est... haec idea, quae corporis essentiam sub specie aeternitatis exprimit, certus cogitandi modus, qui ad mentis essentium pertinet quique necessario aeternus est. Nec tamen fieri potest, ut recordemur nos ante corpus exstitisse, quandoquidem nec in corpore ulla eius vestigia dari, nec aeternitas tempore definiri, nec ullam ad tempus relationem habere potest. At nihilo minus sentimus experimurque, nos aeternos esse. Nam mens non minus res illas sentit, quas intelligendo concipit, quam quas in memoria habet. Mentis enim oculi, quibus res videt observatque, sunt ipsae demonstrationes. Quamvis itaque non recordemur nos ante corpus exstitisse, sentimus tamen mentem nostram, quatenus corporis essentium sub aeternitatis specie involvit, aeternam esse, et hanc eius existentiam tempore definiri sive per durationem explicari non posse. Mens igitur nostra eatenus tantum dici durare eiusque existentia certo tempore definiri, potest, quatenus actualem corporis existentiam involvit, et eatenus tantum potentiam habet rerum existentiam tempore determinandi easque sub duratione concipiendi« (l. c. schol.). Sofern der Geist sich und seinen Körper unter der Form der Ewigkeit betrachtet, weiß er unmittelbar, daß er in Gott ist, durch Gott gedacht wird. Je stärker die damit verknüpfte intellectuelle Liebe (s. d.) Gottes, desto mehr weiß sich der Geist als unsterblich, sofern er activer Intellect, nicht bloß sinnliches Bewußtsein (imaginatio, s. d.) ist. Die Unsterblichkeit der Seele lehren DESCARTES, REGIS (Syst. d. Philos. I, 265), CHARRON (als Glaube. De la sag. I, 7), GASSENDI, H. MORE (Opp. II), CLARKE (Works 1738/42) u. a. Nach LEIBNIZ sind alle Lebewesen unvergänglich, der Mensch hat aber auch persönliche Unsterblichkeit (Theod. I B, § 89 f.). Nach BERKELEY ist die Seele unteilbar, unkörperlich, folglich auch unzerstörbar, von Natur aus[571] unsterblich (Princ. CXLI). Nach FERGUSON ist »die Begierde nach Unsterblichkeit ein Instinct und kann vernünftigerweise als eine Anzeige dessen angesehen werden, was der Urheber dieser Begierde zu tun willens sei« (Grunds. d. Moralphilos. S. 119). Die Unsterblichkeit der Seele negiert HUME (Ess. on suic. and the immort. of the soul). Nach CONDILLAC (Trait. des anim. II, 7), BONNET besteht sie, während die Materialisten (s. d.) die Annahme derselben bekämpfen. Nach DIDEROT besteht die Unsterblichkeit nur im Fortleben im Andenken der Nachwelt. – Die Unsterblichkeit der Seele lehren CHR. WOLF (Vern. Ged. I, § 926. Theol. natural.), BAUMGARTEN (Met. § 776 ff.), THÜMMIG (De immortal. animae, 1721), VON CREUZ (Vers. üb. d. Seele, 1753), CRUSIUS, G. F. MEIER (Beweis, daß die menschl. Seele ewig lebt, 1753), H. S. REIMARUS (Abhandl. üb. d. natürl. Theol., 1754), SULZER (Verm. philos. Schrift., 1773), MENDELSSOHN (Phaedon, S. 65 ff.). FEDER (Log. u. Met. S. 427 ff.), PLATNER, welcher betont: »Wenn die menschliche Seele eine Kraft im engeren Verstande, eine Substanz und nicht eine Zusammensetzung m Substanzen ist: so läßt sich, weil vom Sein zum Nichtsein kein Übergang stattfindet in der Natur der Dinge, natürlicherweise nicht begreifen das Ende ihres Seins, so wenig als voraussetzen eine allmähliche Vernichtung ihres Wesens« (Philos. Aphor. I, §1174. vgl. Log. u. Met. S. 189). Weitere Gründe sind: »1) Daß der Mensch, vermöge seiner Vernunft und Moralität, zumal in einem analogisch wahrscheinlichen, stufenmäßigen Fortschreiten seiner Kräfte, fähig ist eines immer größeren Anteils an der Einsicht und Bewirkung des Endzwecks der göttlichen Weisheit, ohne Unsterblichkeit aber der ganze Plan der menschlichen Natur ohne Ausführung bleibt und der Endzweck der Welt, zu seiner Ausführung, sehr tüchtiger Mittel beraubt wird. 2) daß der Mensch, durch die Vernunft und Moralität, mit Gott und der Ewigkeit zusammenhängt. 3) daß, ohne Unsterblichkeit, die mehr auf Versagung als auf Genuß hinweisende Vernunft für den Menschen ohne Zweck, und 4) sein leidenvolles Leben ohne Trost und Hoffnung wäre. daß es ganz mit dem Begriffe der göttlichen Güte streitet, den Menschen in dem vorschwebenden Anblicke zahlloser Weltensysteme und eines unendlichen Reichs der Vorsehung, durch die natürlichsten Schlüsse zu dem Gedanken der Unsterblichkeit hinweisen, ihn mit einer Art von vorhergegönnter Offenbarung eines göttlichen Weltplans zu erfreuen und zu einer künftigen höheren Bestimmung zu berufen. und dann, wenn er gelernt hat, daß gegenwärtiges Sein nichts und künftiges Sein alles ist, mit dem Tode seine ganze Existenz zu vernichten« (Log. u. Met. S. 191). AD. WEISHAUPT meint: »Nach dem Tode wird... der Mensch nicht mehr denken... Aber dann wird die vorstellende Kraft nicht gänzlich aufhören. Unser Geist, unser Ich... wird eine neue höhere Modification erhalten«. Der Tod ist die (fortschreitende) »Einweihung in höhere Weltkenntnisse« (Üb. Material. u. Ideal. S. 134 f.). Das Ich bleibt weit ein Teil dieses Weltalls (l. c. S. 135 ff.. vgl. FLÜGGE, Gesch. d. Glaub. an Unsterbl.). Letzteres betont auch HERDER, GOETHE, welcher erklärt: »Die Überzeugung von unserer Fortdauer entspringt mir aus dem Begriffe der Tätigkeit. denn wenn ich bis an mein Ende rastlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn die jetzige meinen Geist nicht mehr auszuhalten vermag« (Gespr. mit Eckerm. II, 56. Gespr. hrsg. von Biedermann III, 62 ff.. Zahme Xenien III).

Daß die Unsterblichkeit der Seele nicht logisch zu beweisen sei, betont KANT. Gegen die Argumentation der Unzerstörbarkeit der Seele aus ihrer [572] Einfachheit (bei Mendelssohn u. a.) bemerkt er, man bedenke dabei nicht, »daß, wenn er gleich der Seele diese einfache Natur einräumen, da sie nämlich kein Mannigfaltiges außereinander, mithin keine extensive Größe enthält, man ihr doch, so wenig wie irgend einem Existierenden, intensive Größe, d. i. einen Grad der Realität in Ansehung aller ihrer Vermögen, ja überhaupt alles dessen, was das Dasein ausmacht, ableugnen könne, welcher durch alle unendlich vielen kleineren Grade abnehmen und so die vorgebliche Substanz... obgleich nicht durch Zerteilung, doch durch allmähliche Nachlassung (remissio) ihrer Kräfte (mithin durch Elanguescenz...) in nichts verwandelt werden könne. Denn selbst das Bewußtsein hat jederzeit einen Grad, der immer noch vermindert werden kann, folglich auch das Vermögen, sich seiner bewußt zu sein, und so alle übrigen Vermögen. – Also bleibt die Beharrlichkeit der Seele, als bloß Gegenstandes des inneren Sinnes, unbewiesen und selbst unerweislich« (Krit. d. rein. Vern. S. 691 f.). Wohl aber ist die Unsterblichkeit ein Postulat (s. d.) der praktischen Vernunft (s. d.). »Die völlige Angemessenheit des Willens aber zum moralischen Gesetze ist Heiligkeit, eine Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der Sinnenwelt in keinem Zeitpunkte seines Daseins fähig ist. Da sie indessen gleichwohl als praktisch notwendig gefordert wird, so kann sie nur in einem ins unendliche gehenden Progressus zu jener völligen Angemessenheit angetroffen werden, und es ist nach Principien der reinen praktischen Vernunft notwendig, eine solche praktische Fortschreitung als das reale Object unseres Willens anzunehmen«. »Dieser unendliche Progressus ist aber nur unter Voraussetzung einer ins unendliche forddauernden Existenz und Persönlichkeit desselben vernünftigen Wesens (welche man die Unsterblichkeit der Seele nennt) möglich. Also ist das höchste Gut, praktisch, nur unter der Voraussetzung der Unsterblichkeit der Seele möglich. mithin diese, als unzertrennlich mit dem moralischen Gesetz verbinden, ein Postulat der reinen praktischen Vernunft« (Krit. d. prakt. Vern. 1. T1., 2. B., 2. Hpst., S. 14. vgl. WW. III, 288, 528. V, 486. Vorles. üb. Met. 1821, S. 233 ff.). Da der Mensch in dieser Welt der Glückseligkeit, der er sich würdig gemacht, nicht teilhaftig werden kann, so »muß eine andere Welt sein oder ein Zustand, wo das Wohlbefinden des Geschöpfs dem Wohlverhalten desselben adäquat sein wird« (Vorl. üb. Met. S. 241 ff.. vgl. Vorl. Kants üb. Met., hrsg. von Heinze 1894, S. 676 f.). – Ähnlich lehren KRUG (Handb. d. Philos. I, 75, 307), JAKOB und andere Kantianer.

Die Unsterblichkeit der Ichheit (s. d.) lehrt J. G. FICHTE. Nach SCHELLING ist der Endzweck der Welt ihre »Zernichtung als einer Welt«. Da dies nur in unendlicher Annäherung geschehen kann, ist das Ich unsterblich (Vom Ich, S. 100 f.). Die menschliche Unsterblichkeit ist das »Dämonische«. Der Tod ist die »reductio ad essentiam«, das wahre Sein des Menschen ist unsterblich (WW. I 6, 60 f.. I 7, 476 ff.). C. G. CARUS erklärt: »Die an sich als Idee überhaupt schon den Tod nicht kennende Seele gelangt durch ihr sich Darleben in Zeit und Raum mittelst des Schemas der Organisation dahin, gleichwie aus einem Spiegel aus dieser Organisation sich selbst zu erkennen und ihrer selbst als Individuum bewußt zu werden. Wird sie aber somit sich ihrer selbst bewußt, d. i. erfaßt sie ihr eigenes Wesen einmal seiner eigenen göttlichen und also unendlichen Natur nach, so ist auch hiermit die Notwendigkeit einer unendlichen Fortbildung unwiderleglich gegeben« (Vorles. üb. Psychol. S. 426 f.). Nach J. E. V. BERGER ist das Finden des Göttlichen in uns der Grund unseres Glaubens an Unsterblichkeit. Ein ewiges All bedingt ein ewiges Erkanntsein[573] (Grdz. d. Sittenlehre, 1827). Nach ESCHENMAYER haben wir für Unsterblichkeit ein »Ahnungsvermögen« (Psychol. S. 20). Nach TROXLER ist jeder Mensch im Geiste des Lebens unsterblich (Blicke in d. Wesen d. Mensch. S. 41 ff.). – SCHLEIERMACHEN bemerkt: »Mitten in der Endlichkeit eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein in jedem Augenblicke, das ist die Unsterblichkeit der Religion« (Üb. d. Relig. 2, S. 144). Nach HEGEL ist der Geist ewig, unsterblich, »denn weil er, als die Wahrheit, selbst sein Gegenstand ist, so ist er von seiner Realität untrennbar – das Allgemeine, das sich selbst als Allgemeines darstellt« (Naturphilos. S. 693). Daß die Lehre Hegels die persönliche Unsterblichkeit nicht annehmbar mache, betont FR. RICHTER (Die neue Unsterblichkeitslehre, 1833. Veranlassung des Unsterblichkeitsstreites in der Hegelschen Schule). – Die Unsterblichkeit des allgemeinen, jedem immanenten, an sich zeitlosen Willens zum Leben (s. d.) lehrt SCHOPENHAUER. »Als ein notwendiges aber wird sein Dasein erkennen, wer erwägt, daß bis jetzt, da er existiert, bereits eine unendliche Zeit, also auch eine Unendlichkeit von Veränderungen abgelaufen ist, er aber dieser ungeachtet doch da ist: die ganze Möglichkeit aller Zustände hat sich also bereits erschöpft, ohne sein Dasein aufheben zu können. Könnte er jemals nicht sein, so wäre er jetzt schon nicht. Denn die Unendlichkeit der bereits abgelaufenen Zeit, mit der darin erschöpften Möglichkeit ihrer Vorgänge, verbürgt, daß, was existiert, notwendig existiert. Mithin hat jeder sich als ein notwendiges Wesen zu begreifen, d.h. als ein welches, aus dessen wahrer und erschöpfender Definition, wenn man sie nur hätte, das Dasein desselben folgen würde. In diesem Gedankengange liegt wirklich der allein immanente, d.h. sich im Bereich erfahrungsmäßiger Data haltende Beweis der Unvergänglichkeit unseres eigentlichen Wesens« (W. a. W. u. V. II. Bd., a. 41). – Nach HILLEBRAND ist die Unsterblichkeit der Seele »die ewige Zukunft der concreten substantiellen Selbstheit der Seele« (Philos. d. Geist. I, 124 ff.) Unsterblich ist die Seele nach HERBART (Lehrb. zur Einl.5, S. 267), BENEKE (s. Tod), GALUPPI, V. COUSIN (Du vrai p. 418 ff.), RENOUVIER u. a.

Die persönliche Unsterblichkeit lehren C. H. WEISSE (Psychol. u. Unsterblichkeitslehre, 1869), J. H. FICHTE (Die Seelenfortdauer, 1867), ULRICI (Gott u. d. Nat. S. 734), M. CARRIERE: »Für die Realisierung des Guten wie für unsere Selbstvervollkommnung fordern wir die Unsterblichkeit« (Sittl. Weltordn. S. 334 ff.), FR. ROHMER (Wissensch. u. Leben), HELLENBACH (Der Individual. S. 261), DROSSBACH (Harm. d. Ergebn. S. 209 ff., 257), REICHENBACH, DU PREL: »Das transcendentale Subject läßt im Tode seine irdische Erscheinungsform fallen, kann aber damit nicht selbst verschwinden« (Monist. Seelenlehre, S. 98, vgl. S. 278 ff.), SCHMIDT (Die Unsterbl. d. Seele, 1886), SPILLER (Gott im Lichte d. Naturwiss., 1883), SCHMIDKUNZ (Suggest. S. 283), FR. SCHULTZE (Unsterblichkeit der »Psychaden«. vgl. Seelenk.), H. WOLFF (Unsterblichkeit der »Bionten«. Kosmos). Ferner G. CLASS (Untersuch. zur Phänomenol. u. Ontol. d. menschl. Geistes, 1896), G. SPICKER, nach welchem die Unendlichkeitsforderung der »in Gedanken über das Leben hinaus fortgesetzte Selbsterhaltungstrieb« ist (Vers. ein. neuen Gottesbegr. S. 282. vgl. G. RUNZE, Die Psychol. d. Unsterblichkeitsglaub. u. d. Unsterblichkeitsleugn. 1894), der ähnlich wie Kant argumentiert (l. c. B. 310), U. KRAMAR (Die Hypothese d. Seele, 1898), J. SPIEGLER (Die Unsterbl. d. Seele, 1895, S. 122), G. THIELE (Philos. d. Selbstbewußts.) u. a. Religionsphilosophen (s. d.), ferner J. D. HUBER (Die Idee d. Unsterbl., 1864), HAGEMANN (Met.2, S. 201 ff.), GUTBERLET (Met.) u. a. Nach A. DORNER[574] ist das Ichbewußtsein nicht durch den Körper hervorgebracht, sondern die Tätigkeit des Ich nur durch den Körper in bestimmte Bahnen geleitet. daher ist gegen die Möglichkeit der Unsterblichkeit nichts einzuwenden. Um seines wertvollen Inhalts willen ist das Ich auf die Unsterblichkeit hin angelegt (Gr. d. Helig. S. 246 f.).

LOTZE erklärt: »Nichts kann uns... hindern, die Sterblichkeit der Seelen im allgemeinen zu behaupten. aber es kann sein, daß die zurücknehmbare Position einer Seele im Laufe der Welt dennoch nicht zurückgenommen wird« (Med. Psychol. S. 164). »Ist in der Entwicklung eines geistigen Lebens ein Inhalt realisiert worden von so hohem Werte, daß er in dem Ganzen der Welt unverlierbar erhalten zu werden verdient, so werden wir glauben können, daß er erhalten wird« (ib.). Sicher ist nur, es werde alles, was entstanden, »ewig fortdauern, sobald es für den Zusammenhang der Welt einen unveränderlichen Wert hat, aber es werde selbstverständlich wieder aufhören zu sein, wenn dies nicht der Fall ist« (Grdz. d. Psychol. S. 74. Met.2, S. 487). Nach PLANCK kann »nur in der selbstlos universellen Betätigung, nicht in der eigenen (individuellen) Fortdauer« der höchste Zweck des Geistes liegen (Testam. ein. Deutschen, S. 501). Das ist auch die Ansicht von WUNDT. Die individualistische Unsterblichkeitsidee ist egoistisch, hedonistisch (Syst. d. Philos.2, S. 671 ff.). Gefordert wird mit Recht nur, »daß alle geistigen Schöpfungen einen absoluten, unverstörbaren Wert besitzen« (l. c. S. 674, vgl. S. 670 ff.). Jede geistige Kraft behauptet ihren unvergänglichen Wert in dem Werdeproceß des Geistes (l. c. S. 673 f.). Nach E. v. HARTMANN ist nicht das Ich, sondern das metaphysische Subject unsterblich (Philos. d. Unbew.3, S. 707). so auch A. DREWS (Das Ich, S. 299 ff.). An Stelle der Unsterblichkeit setzt NIETZSCHE die »ewige Wiederkunft« (g. Apokatastasis). – Nach FECHNER ist das Jenseits »nur die Erweiterung des diesseits schon in Gott geführten Lebens« (Tagesans. S. 39). Das sinnliche Anschauungsleben als solches erlischt, es folgt ein »Erinnerungsleben im höheren Geist« (l. c. S. 41. Zend-Av. II, 191), wobei die Individualität der Seele erhalten bleibt (Zend-Av. II, 192 ff.). Der Tod ist eine zweite Geburt (l. c. S. 200). Die Wirkungen des Leibes leben (als der »geistige Leib« des Paulus) weiter (l. c. S. 202). Eine Gemeinschaft der Geister im Jenseits, im Allgeist besteht (I. c. S. 222). Teilnahme am Selbstbewußtsein des höheren Geistes findet statt (l. c. S. 215). Himmel und Hölle sind »Gemeinsamkeiten verschiedener Zustände und Verhältnisse« (l. c. S. 222 ff.. vgl. Büchl. vom Leb. nach d. Tode5, 1887). Ähnlich lehrt BR. WILLE (Offenbar. d. Wachholderb. II, 49 u. ff.). Nach RENAN lebt der Mensch, wo er wirkt. »Das menschliche Leben zeichnet wie eine Zirkelspitze durch seine moralische Kehrseite eine kleine Furche in den Schoß der Unendlichkeit.« »In dem Gedächtnisse Gottes sind die Menschen unsterblich« (Dial. u. Fragm. S. 101 ff.). Nach DURAND DE GROS ist die Seele substantiell, nicht ihrem Bewußtsein nach, unsterblich (Ontolog et Psychol. physiol. 1871). Nach SCHUPPE ist das allgemeine, zeitlose Bewußtsein unsterblich (Grdz. d. Eth. S. 393). Tod und Geburt »betreffen nur die Corection des einen in allen identischen Bewußtseins überhaupt in einem Leibe« (l. c. S. 395). Nach H. CORNELIUS ist »die Behauptung der Verstörung unseres psychischen Lebens durch den Tod wissenschaftlich so wenig berechtigt, als die Behauptung der Fortdauer unseres psychischen Lebens nach dem Tode« (Einl. in d. Philos. S. 321). – Nach L. FEUERBACH ist der Gedanke der Unsterblichkeit der Ausdruck eines Wunsches (WW. X, 209 ff.). »Ewig ist der Mensch, ewig[575] ist der Geist, unvergänglich und unendlich das Bewußtsein, und ewig werden daher auch Menschen, Personen, Bewußte sein. Du selbst aber als bestimmte Person, nur Object des Bewußtseins, nicht selbst das Bewußtsein, trittst notwendig einst außer Bewußtsein und an deine Stelle kommt eine neue frische Person in die Welt des Bewußtseins« (WW. III, 72). Ähnlich ehrt D. FR. STRAUSS (Der alte u. d. neue Glaube). B. CARNERI betont: »Der Geist ist unzerstörbar wie die Materie. aber der einzelne Geist ist zerstörbar wie der einzelne Körper« (Sittlichk. u. Darwinism. S. 341f.). CZOLBE meint: »Nimmermehr die Unsterblichkeit, nur der Tod auf ewig ist ein wahrhaft befriedigender Abschluß des Lebens, ist für den Begriff der Harmonie der Welt notwendig« (Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 180). E. HAECKEL erklärt: »Unsterblichkeit im wissenschaftlichen Sinne ist Erhaltung der Substanz«. »Der ganze Kosmos ist unsterblich« (Der Monism. S.24. Welträtsel). Ahnlich L. BÜCHNER und andere Materialisten (s. d.). Nach GIZYCKI ist Unsterblichkeit Leben im Geiste anderer Menschen (Moralphilos. S. 365 ff.). – Vgl. FERGUSON, Grdz. d. Moralphilos. S. 105, 118. B. H. BLASCHE, Philos. Unsterblichkeitslehre, 1831. J. ROYCE, The Idea of Immortality, 1900. V. BERNIES, Spiritualité et immortalité, 1901. MÜNSTERBERD, Grdz. d. Psychol. I, 397 (vgl. Seele). SPIESS, Entwicklungsgesch. d. Vorstellungen vom Zustand nach dem Tod 1877. HENNE AM RHYN, Das Jenseits, 1880. E. RHODE, Psyche. B. TEMPLER Die Unsterblichkeitslehre bei d. jüd. Philosophen d. Mittelalters, 1895. Vgl. Tod, Seelenwanderung.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 569-576.
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