[134] Alizarin (Dioxyanthrachinon, Lizarinsäure, Krapprot) C14H8O4 oder
Natürlich gebildet findet sich das Alizarin nur in alter Krappwurzel (Rubiatinctorium), in der frischen Wurzel ist es nicht fertig gebildet. Diese letztere enthält nur ein Glykosid, die Rubierythrinsäure. Letztere zerfällt beim Kochen mit verdünnten Alkalien oder Säuren, sowie durch Fermentwirkung in Alizarin und Traubenzucker. Gegenwärtig wird das Alizarin fast nur noch künstlich hergestellt. Es ist einer der von alters her bekannten Farbstoffe.
Alizarin kristallisiert in schön roten Prismen oder orangeroten Nadeln, die bei 282° schmelzen und etwas höher erhitzt sublimieren. Es ist in Alkohol und Aether löslich, in Wasser löst es sich kaum. Konzentrierte Schwefelsäure löst es mit tiefroter Farbe. Aus dieser Lösung kann es durch Wasser wieder ausgefällt werden. Es bildet ein Diacetat und löst sich auch in Alkalien, besitzt somit Phenoleigenschaften. Durch Destillation mit Zinkstaub wird es zu Anthracen reduziert. Auf diese Weise erhielten zuerst Graebe und Liebermann einen Einblick in die Struktur dieses Körpers. Mit Metalloxyden bildet es unlösliche gefärbte Verbindungen, die sogenannten Krapplacke. Aus alkalischer Alizarinlösung werden durch Baryum- oder Calciumsalze die entsprechenden Alizarinsalze als blaue Niederschläge gefällt; die Tonerde- und Zinnverbindung ist schön rot-, das Eisenoxydsalz schwarzviolett. Auf der Eigenschaft des Alizarins, mit Metalloxyden Krapplacke zu liefern, beruht seine Anwendung in der Färberei und Kattundruckerei. Mit Aluminium- oder Zinnsalz gebeizte Zeuge werden tiefrot, mit Eisenoxydsalz gebeizte schwarzviolett gefärbt. Das Alizarin spielt die Hauptrolle im sogenannten Türkischrotölprozeß. Um dieses Türkischrot auf der Faser zu erzeugen, wird diese zuerst mit Oelsäure, mit ranzigem Oel oder mit Rizinusölsulfosäure (Tournantöl), dann mit Gerbsäure und Aluminiumsalz gebeizt und hierauf mit Alizarin gefärbt. Die gefärbten Zeuge gewinnen an Lebhaftigkeit der Farbe und an Beständigkeit, wenn man sie einer Nachbehandlung durch Kochen mit Seifenlösung und Erwärmen mit Zinnsalzlösung unterwirft.
Durch Einwirkung von Salpetersäure auf in Eisessig gelöstes Alizarin entsteht Nitroalizarin C14H5(N02)(0H2)O2, ein Farbstoff, der unter dem Namen Alizarinorange zum Färben von Seide benutzt wurde. Erhitzt man diesen Farbstoff mit Glyzerin und konzentrierter Schwefelsäure, so erhält man das Alizarinblau C17H9NO4, ein Derivat des Anthrachinolins, das aus Benzol in violetten Nadeln kristallisiert (Skraupsche Reaktion). Von den Isomeren des Alizarins sind als wichtigere Körper zu nennen die Anthraflavinsäure, das Anthrarufin und das Chrysazin. Diese Verbindungen sind keine Farbstoffe, da nur solche Oxyanthrachinone Färbevermögen besitzen, die zwei oder mehrere Hydroxylgruppen enthalten, von denen sich zwei in ortho-Stellung zueinander befinden. Die Tetranitroverbindung des Chrysazins ist die sogenannte Chrysaminsäure. Synthetisch entsteht das Alizarin nach der Reaktion von Baeyer und Caro durch Erhitzen von Phtalsäureanhydrid mit Brenzkatechin und Schwefelsäure:
Früher gewann man den Farbstoff aus der Krappwurzel (im Orient Alzari, daher die Bezeichnung Alizarin), die man entweder an der Luft längere Zeit liegen ließ, wodurch eine unvollkommene Spaltung der Rubierythrinsäure bewirkt wurde, oder indem man die Wurzel mit Schwefelsäure behandelte (Garanzin). Das Alizarin wird technisch aus Anthrachinon gewonnen. Man kann dazu vom Monobrom-, Dibrom-, Dichloranthrachinon ausgehen, die alle beim Verschmelzen mit Aetzkali Alizarin liefern. Am zweckmäßigsten jedoch ist die Darstellung aus Anthrachinonmonosulfosäure. Beim Schmelzen des Natriumsalzes dieser Säure mit Aetznatron verläuft die Reaktion in zwei Phasen. Es wird zunächst die Sulfogruppe eliminiert; an die Stelle derselben tritt die Hydroxylgruppe, deren Wasserstoff durch Natrium ersetzt wird, und es entsteht zunächst die Natriumverbindung des Monoxyanthrachinons nach folgender Gleichung:
C14H7O2 · SO3Na + NaOH = C14H7O2 · ONa + NaHSO3.[134]
In der zweiten Phase findet die Oxydation der Monoxy- zur Dioxyverbindung statt:
C14H7O2 · ONa + NaOH = C14H6O2 · (ONa)2 + H2.
Der entstehende Wasserstoff wird durch oxydierende Agentien, von denen chlorsaures Kali in Anwendung ist, unschädlich gemacht; das Oxydationsmittel wird der Schmelze von vornherein zugesetzt. Es existieren mehrere Verfahren, die sich durch die Mengenverhältnisse der angewandten Materialien, die Höhe der Temperatur und des Drucks einerseits, anderseits dadurch unterscheiden, ob man von reiner Monosulfosäure oder von einem Gemisch der Mono- und Disulfosäure ausgeht. In letzterem Falle erhält man ein Gemenge von Alizarin, Flavopurpurin und Isopurpurin, die durch fraktionierte Fällung mittels Chlorcalciumlauge getrennt werden. Das so gesonderte Alizarin ist dann rein. Das Schmelzen des anthrachinonsulfosauren Natriums mit Aetznatron wird in starken, schmiedeeisernen Druckkesseln vorgenommen, die mit einem Rührwerk versehen sind, um ein Ansetzen der Schmelze an die Wände zu verhindern, und die nötigen verschließbaren Oeffnungen zum Einfüllen der Materialien, für Thermometerrohr, Manometer, Sicherheitsventil, Kochrohr und für das Probenehmen besitzen. Die Kessel haben einen Inhalt von 20008000 Liter und werden durch Oelbäder geheizt. Das Schmelzen wird unter Druck (bis zu 5 Atmosphären) und bei einer Temperatur von 160180° ausgeführt und erfordert eine Dauer von 2048 Stunden je nach den Verhältnissen. Nach Beendigung der Operation wird die Schmelze in einen Kessel mit durch Dampf zum Sieden erhitztem Wasser gedrückt und die erhaltene Lösung mit verdünnter Salz- bezw. Schwefelsäure gefällt. Das in gelben Flocken ausgeschiedene Alizarin wird in Filterpressen abfiltriert und ausgewaschen. Die Preßkuchen werden dann mit so viel Wasser verrührt, daß eine 20 prozentige Mischung entsteht, die sogenannte Alizarinpaste, als welche das Alizarin in den Handel kommt. Weiteres s. Alizarin in der Druckerei und Färberei, sowie Alizarinfarbstoffe.
Literatur: Schultz, Die Chemie des Steinkohlenteers, 2. Aufl., Braunschweig 1887/90, Bd. 2; Hollemann, Org. Chem., Leipzig 1903; Schmidt, Lehrb. d. org. Chem., Braunschweig 1901.
Bujard.
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