[543] Bandstuhl, Bandmühle, Mühlstuhl [1], Webstuhlart, die zur Verfertigung aller Bandgattungen mit Ausnahme solcher, die den Handstuhl (vgl. Weberei) erfordern allgemein im Gebrauche ist, bildet den Uebergang von den Handwebstühlen zu den Kraftstühlen, insofern als die sämtlichen Teile des Bandstuhls selbsttätig von einer Hauptstelle aus bewegt werden. Der Antrieb erfolgt entweder durch den Arbeiter oder mechanisch (z.B. auch durch Gasmotor oder Elektromotor).
Die Bildung der Bänder auf dem Bandstuhl geschieht in derselben Weise wie die der breiten Gewebe auf dem gewöhnlichen Webstuhl. Die Kettenfäden werden ins Fach ausgelenkt, und in das Fach wird der Schußfaden eingetragen, das Vorbringen des Schusses in die Fachkehle besorgt ebenfalls ein Riet. Nur werden gleichzeitig eine große Anzahl Bänder (bis zu 70) nebeneinander und mitunter auch in mehrfacher Anzahl übereinander erzeugt, wobei also alle Hauptbewegungen von einer Stelle aus abgeleitet werden. Jedes Band nennt man einen Lauf oder Gang des Stuhles. Die Kettenfäden sind auf in geeigneter Weise am Spulengestell festgehaltene Kettrollen oder Spulen aufgewickelt, deren ebensoviele vorhanden sind, als Bänder gleichzeitig gewebt werden sollen, zuweilen sogar mehr, da es bei sehr breiten Bändern nötig wird, die zu einem Bande bestimmte Kette auf zwei oder selbst mehrere Spulen zu verteilen. Von der Kettrolle laufen die Kettfäden nach oben zu einer kleinen Rolle, dann nach unten, umfassen eine bewegliche, durch Spanngewicht beschwerte Rolle, darauf wieder nach oben über eine Leitrolle, nochmals nach unten bis zum Streichbaum und endlich nach vorn zu den Schäften. Bei dem allmählichen Verarbeiten der Kette heben sich hinten die Zettelgewichte (Seidengewichte). Steigen sie zu hoch, so wird die Sperrvorrichtung der Kettrolle selbsttätig gelöst und durch ihre Drehung so viel Kette hergegeben, bis das Gewicht wieder nach unten gesunken ist [2]. Die Bandstühle sind entweder mit Schäften oder mit Schaft- oder mit Jacquardmaschinen ausgestattet, denn es kommen alle Bindungen, von den einfachsten Hutbändern in Taffet und Rips bis zu den kompliziertesten Bändern mit bildlichen Darstellungen vor. Für jedes Band ist ein Schütze vorhanden; wenn mit mehreren Schußfarben u.s.w. gearbeitet werden soll, sind jedoch dann die entsprechende Anzahl Schützen übereinander (nach Art der Wechselladen) angeordnet.
Am stärksten abweichend gegenüber den gewöhnlichen Webstühlen ist beim Bandstuhl der Schützenantrieb. Wenn die Schützen zwangläufig bewegt werden, müssen sie länger sein, als der größten Bandbreite entspricht, es sei denn, daß besondere Triebvorrichtungen, Zangen oder unterstützende Führungsleisten angewendet werden, die in das Fach hineingreifen, also den Schützen begleiten bezw. ihm entgegenkommen. Eine der ältesten und sehr verbreitete Form des Schützens stellt (im Grundriß) einen flachen, vorn bogenförmig, hinten geradlinig begrenzten, an den Enden schmal auslaufenden und zugeschärften Holzkörper dar, der in Rinnen der Lade geführt wird. In einer vorderen Durchbrechung ist die Schußspule gelagert. Die Bewegung des Schützens geschieht z.B. durch einen Rechen, der aus Stiften gebildet ist, die auf einer Schubleiste sich befinden. Statt durch Rechen kann der Antrieb auch durch Zahnräder erfolgen. Der Schütze trägt dann eine Zahnstange (oder Triebstockverzahnung), in welche die zu beiden Seiten der Bänder angeordneten Räder wechselweise eingreifen. Die Räder sind in der Lade drehbar gelagert und werden durch verschiebbare Zahnstangen in Schwingung versetzt. Die Räder können hierbei senkrechte, wagerechte oder geneigte Achsen haben. Auch endlose Ketten mit Mitnehmerstiften, die in Löcher des Schützens eingreifen, sind zur Schützenbewegung angewendet worden, desgleichen schwingende Gabeln, die mit Zinken in die Vertiefungen des Schützens fassen. Bei den Bandstühlen, bei denen die Schützen geradlinig in der Schußrichtung durch das Fach hindurch bewegt werden, bestimmt sich die Gesamtbreite des Webstuhles aus der Breite der gewebten Bänder und den nötigen Zwischenräumen zwischen diesen, in denen die Schützen und ihr Antrieb Platz haben müssen. Um diese [543] Breite des Webstuhles erheblich zu vermindern, webt man mehrere Bänder in Reihen über- und nebeneinander, dergestalt, daß die Bänder der verschiedenen Geschosse gegeneinander versetzt sind, oder man bewegt den Schützen im Bogen, entweder in wagerechter Ebene, so daß der Schütze über oder unter dem nebenliegenden Gewebe hinweggeht, oder in lotrechten Ebenen. Hierbei kann die Einrichtung überdies noch so getroffen sein, daß für jede Arbeitsstelle von nur einer Zahnstange aus zwei in verschiedenen kreisförmigen Bogen laufende Schiffchen von entgegengesetzten Seiten her durch das Doppelfach bewegt werden. Die erforderliche Gesamtbreite des Stuhles kann ferner dadurch vermindert werden, daß unter Anwendung schräg gestellter Riete im Blatt die Schiffchen in Bahnen bewegt werden, die der Schußfadenlage im Gewebe nicht parallel sind. Man hat endlich den Einschlagfaden auch doppelt durch eine gebogene Nadel eingetragen, die nach Art der gebogenen Nähmaschinennadeln schwingt. Die Schleife des eingetragenen Fadens wird am Rande durch einen besonderen Stift gehalten (schützenloser Webstuhl, needle or shuttleless loom) oder durch einen Bindefaden, der durch ein Schiffchen eingetragen wird, das in der Kettenebene, also senkrecht zur Schußrichtung schwingt.
Samtbänder werden entweder auf dem Samtbandstuhl mit Nadeln oder nach Art des Doppelsamtes hergestellt, oder es wird breite Ware durch Zerschneiden in Bänder getrennt
Drei interessante Eigenarten kommen noch bei den Bändern vor, nämlich die Erzeugung von Oehrchen und Fransen an den Rändern der Bänder, dann die sogenannten Einzugsfäden und die verlorenen Schüsse [3]. Oehrchen oder Zacken sind kleine, an dem äußersten Rande der Leinen hervorragende Maschen, die entweder zur Zierde dienen oder an die angehäkelt wird und welche durch die etwas weiter herausstehenden Umbiegungen des Eintragfadens gebildet werden. Das Mittel zu deren Erzeugung besteht in einigen Fäden von 4, 6- oder 8fachem Pferdehaar oder in Drähten, die links und rechts neben den Bandketten aufgespannt sind und nach Erfordernis stellenweise durch abwechselndes Hoch- und Tiefbewegen mit eingewebt werden; wonach, beim Fortrücken des Bandes, dieses sich von den Haarfäden abzieht, aber die von letzteren veranlaßten kleinen Schleifen des Einschusses behält. Bringt man statt der Fäden einen einzigen Draht, aber in größerer Entfernung von der (in diesem Falle sehr schmalen) Bandkette an und läßt diesen in beschriebener Weise von Eintragfäden umschlingen, so entliehen lange Schleifen an einem schmalen Bande, d.h. Fransen. Eine andre Darstellungsart der Fransen ist die, daß man jede Kette nur aus zwei kleinen Faden mit einem zwischen denselben befindlichen breiten offenen Räume bestehen läßt: der Einschuß bildet dann ein Band, das in dem mittleren Teile seiner Breite keine Kettenfäden enthält und nachher mittels eines Längenschnittes (wozu eine Kreisschere dienen kann) in zwei Fransen zerteilt wird. Von dieser Art ist das sogenannte Kapitalband der Buchbinder, das aber auch so gewebt wird, daß der sonst fransenartig aus losen Schußfadenteilen bestehende größere Teil seiner Breite ein leinwandartiges Gewebe darstellt.
Einzugsfäden. An Bändern und ähnlichen Geweben finden sich häufig an einer oder an beiden Seiten Streifen zugesetzt, deren Schußfarbe von der des übrigen Stoffes abweicht. Zur Erreichung dieses Zweckes verwendet man einen oder mehrere wenig gespannte Leistenfäden, die auf besonderen Spulen gewickelt und in Schäfte und Blatt außerhalb der eigentlichen Ware gezogen werden. Um diese Fäden, Einzugsfäden, in das Gewebe einzubinden, umschlingt der Schußfaden am Rande den Einzugsfaden, und es zieht dann, weil die Spannung des Schußfadens größer ist als die Spannung des Einzugsfadens, der Schußfaden den Einzugsfaden so weit nach sich, als es dem Schusse selbst möglich ist.
Bei den verlorenen Schüssen läßt man bei jedem Schuß immer nur eine geringe Gruppe von Kettfäden binden und schreitet, wenn für eine Gruppe einige Schüsse eingetragen sind, zur nächsten Gruppe weiter, bis die ganze Kette gearbeitet hat, dann geht man wieder gruppenweise zurück, u.s.w. Es entliehen auf diese Weise durchbrochene Bänder, die für Stickereizwecke vielfach Verwendung finden.
Literatur: [1] Hülße, Allgem. Maschinenencyklopädie, Bd. 1, S. 801; Kinzer-Fiedler, Handweberei, Wien 1893, S. 87; Leipziger Monatschr. für Textilindustrie 1896, S. 573; Reiser und Spennrath, Handbuch der Weberei, München 1900, Bd. 3, Abt. II, S. 1137. [2] D.R.P. Nr. 110891, 111437. [3] Müller, E., Handbuch der Weberei, Leipzig 1896, S. 807.
E. Müller.
Buchempfehlung
»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro