[660] Grundwasser, im allgemeinen alles unter der Erdoberfläche in chemischer Verbindung, in den Bodenkonstituenten, den Bodenporen oder in nichtkapillaren Zwischenräumen des Bodens vorhandene Wasser.
Indem wir bezüglich des Verhaltens vom Boden zum Wasser auf den Art. Bodenphysik, Bd. 2, S. 115, III, verweisen, sei bemerkt, daß die chemischen Verbindungen des Wassers mit andern Stoffen (wie z.B. Zeolith, Gips u.s.w.) auch als Konstitutionswasser bezeichnet werden. Alle Bodenkonstituenten haben je nach ihrer Beschaffenheit ein gewisses Wasseraufspeicherungsvermögen (Bd. 2, S. 116); sind sie mit Wasser gesättigt (Imbibition), so enthalten sie ein Maximum, jederzeit aber bewahren sie unter der Erdoberfläche ein Minimum von Wasser (Bruchfeuchtigkeit). Während das Konstitutionswasser der Mineralien nur bei etwaiger Umwandlung derselben frei wird, geht die Wasserquantität, die dem Unterschiede zwischen dem maximalen und minimalen Wasseraufspeicherungsvermögen der Bodenkonstituenten entspricht, den letzteren zeitweise durch Verdunstung oder Abfluß wieder verloren. Das abfließende Wasser sammelt sich in den kapillaren oder nichtkapillaren Zwischenräumen der den Boden zusammensetzenden Elemente, staut sich bis zu einer gewissen Höhe an und gelangt entweder als fließendes Wasser zur Erdoberfläche zurück (Quellen) oder wird durch die Vegetation absorbiert bezw. durch Verdunstung der Atmosphäre zurückgeliefert. Das durch Verdunstung den Bodenkonstituenten verloren gegangene Wasser wird entweder innerhalb des Bodens wieder kondensiert oder geht mit der Bodenluft vereint in die Atmosphäre über; im ersteren Falle bildet es ebenfalls einen Zufluß zu den in den kapillaren und nichtkapillaren Zwischenräumen des Untergrundes vorhandenen Wasservorräten. Zu den letzteren gelangt auch das durch Regen sowie die Schnee- und Eisschmelze gelieferte, die Bodenoberfläche durchsickernde und das aus den offenen Gewässern durch kapillare und nichtkapillare Spalten einsickernde Wasser. Endlich wird ein wenn auch kleiner Zufluß dadurch erzeugt, daß Wasserdämpfe aus der atmosphärischen Luft, die unterhalb der Erdoberfläche in den Bodenzwischenräumen zirkuliert und sich dort abkühlt, zur Kondensation gelangen.
In der Wasserversorgungstechnik versteht man unter Grundwasser nur das in den kapillaren und nichtkapillaren Wegen zwischen den einzelnen Bodenpartikeln enthaltene, der strömenden Bewegung fähige und flüssig bleibende Wasser. Die Entstehung der Wasseransammlung ist an die Bedingung geknüpft, daß eine undurchlässige Schicht das Versinken des Wassers in die Tiefe hindert. Grundwasser und Oberflächenwasser stehen in untrennbarem Zusammenhang. Versinkende Oberflächengewässer geben Anlaß zu den mächtigsten Grundwasserströmungen. Anderseits muß alles im Boden flüssig bleibende Wasser an irgend einer Stelle mit dem Oberflächenwasser wieder kommunizieren, wodurch sich die Höhe der Ansammlung von selbst reguliert. Es besteht kein Unterschied zwischen Grundwasser und Quellwasser; letzteres ist nur zutage tretendes Grundwasser. Die Qualität wird beeinflußt von der Art der Entstehung und der Beschaffenheit des Grundwasserträgers, dessen lösliche Bestandteile vom Wasser teilweise aufgenommen werden. Durchzieht das Wasser im Untergrunde reine und gut filtrierende Bodenschichten mit geringer Geschwindigkeit, so ist dasselbe stets keimfrei; diese letztere Eigenschaft fehlt jenem Grundwasser, das in nichtkapillaren Spalten fließt und durch Zugänge gespeist wird, die keine solche Filtration durchmachen. Häufig befinden sich im Untergrunde mehrere übereinander liegende Ansammlungen von Grundwasser, in größerer oder geringerer Ausdehnung voneinander durch undurchlässige Zwischenlagerungen getrennt (sogenannte Wasserstockwerke). Die vielfach verbreitete Anschauung, daß das Wasser aus den tiefer gelegenen Stockwerken viel besser sei als jenes aus den überliegenden, ist erfahrungsgemäß eine irrige; auch hier entscheiden nur die Beziehungen zwischen der Art des Wasserzugangs und der Filtrationsfähigkeit und sonstigen Beschaffenheit des Grundwasserträgers. In sehr umfassender Weise hat Fodor [1] die überaus wichtigen Beziehungen zwischen Boden und Grundwasser auseinandergesetzt, worauf wir verweisen; dort finden sich alle nötigen Literaturangaben. Die Ansichten über den Einfluß des Schwankens der Grundwasserwelle auf den Gesundheitszustand der Bewohner des Bodens über derselben sind hier kritisch zusammengefaßt ([1], S. 91 ff.).
Für Zwecke der Wasserversorgung ist das Grundwasser von hervorragender Bedeutung. Die in der Natur vorhandenen Mengen sind besonders in den Alluvionen der Flüsse sehr große; durch die sogenannte natürliche Filtration findet auch Flußwasser Zugang zu den im allgemeinen vom Lande gegen die offenen Wasserläufe gerichteten Grundwasserströmungen. Ueber den Zusammenhang s. [2], S. 232 ff., und [3]. Grundwasser wird manchmal ebenfalls zu Zwecken der Wasserversorgung durch Berieselung größerer Flächen aus offenen Wasserläufen künstlich erzeugt [2], S. 353 ff.
In der Regel ist das Grundwasser durch längeres Verweilen im Boden geklärt und hat infolgedessen auch von natürlich filtrierten Flußwässern abgesehen eine innerhalb geringer Amplituden schwankende Temperatur sowie einen mehr oder weniger großen Gehalt an Kohlensäure.
Literatur: [1] v. Fodor, Die Hygiene des Bodens, Handb. d. Hygiene, Bd. 1, S. 45246, Jena 1896. [2] Lueger, O., Die Wasserversorgung der Städte, Darmstadt 1895. [3] Ders., Die Bewegungen des Grundwassers in den Alluvionen des Flußgebietes, Stuttgart 1883.
Lueger.