Grundwasser

[461] Grundwasser (Hidl, Higl), das durch poröse Bodenschichten gesickerte und auf einer tieferliegenden undurchlässigen Schicht angesammelte Wasser. Alles G. stammt von atmosphärischen Niederschlägen, und sein Höhenstand ist von diesen abhängig, indes läßt sich der Grundwasserstand niemals nach der Regenmenge genau bemessen, weil das Regenwasser oft nur langsam die über dem Grundwasserspiegel liegenden Bodenschichten durchdringt und weil auch die Menge des eindringenden Wassers abhängig ist von der Verdunstung, von der Menge des abfließenden Wassers etc., während anderseits aus entfernten Gebieten Wasser zusickern kann. Das G. stagniert in der Regel nicht im Boden, sondern fließt auf der undurchlässigen Schicht tiefern Punkten zu. Seine Geschwindigkeit ist abhängig von der Durchlässigkeit der wasserführenden Schicht (Kies, Gerölle, Sand), von der Neigung der undurchlässigen Schicht und von der Höhe des Grundwasserstandes. Man beobachtet Geschwindigkeiten von 3,06–7,82 m in 24 Stunden, doch kommen in grobem Geröll, in zerklüftetem Gestein auch größere Geschwindigkeiten vor. Bildet die undurchlässige Schicht Täler, Mulden etc., so müssen sich diese zunächst mit G. füllen, bevor weiterer Abfluß stattfinden kann, es treten Stagnationen ein, die auch für oberhalb gelegenes Gebiet bedeutungsvoll werden können. Schwankungen im Grundwasserstand infolge gesteigerten Zuflusses zeigen sich hier viel schneller und ausgiebiger als dort, wo das G. in ununterbrochenem Strom über ein großes Gebiet hinwegfließt. Bei den wechselnden Niveauverhältnissen der Bodenoberfläche und der wasserundurchlässigen Schicht trifft man an oft nahe beieinanderliegenden Punkten in sehr verschiedener Tiefe auf G. Meist tritt das G. nach längerm oder kürzerm unterirdischen Laufe wieder an das Tageslicht und bildet Quellen, Seen, Sümpfe. In Flußtälern zieht es in der Regel von den Talrändern zum Fluß, der den tiefsten Punkt der Talrinne zu bilden pflegt. Daraus erklärt sich, daß manche Flüsse auch ohne sichtbare Wasserzuführung an Wassermasse zunehmen können. Das Verhältnis des Grundwassers zu den Flüssen ist ziemlich verwickelt; einerseits strömt das G. den Flüssen zu,[461] speist dieselben und gibt ihnen eine große Beständigkeit gegenüber den sonstigen den Wasserstand der Flüsse bedingenden, aber großen Schwankungen unterworfenen Verhältnissen, anderseits sickert Flußwasser, wenn das Bett aus durchlassenden Schichten gebildet ist, in großer Menge in den Boden und breitet sich in demselben weit aus. Auf diese Weise entsteht unterirdisch eine Schicht von Feuchtigkeit, deren untere Fläche von der Oberfläche der nächsten wasserdichten Schicht gebildet wird, während die obere Fläche abhängig ist von dem Wasserstand des Flusses. Wenn bei Hochwasser der Fluß schneller als das G. über seinen gewöhnlichen Stand steigt, so wirkt die große Wassermasse stauend auf das G., dessen Abfluß in den Fluß gehemmt oder ganz aufgehoben wird. Sind die Flußufer flach und wächst der Druck des Flußwassers, so wird der Widerstand, den Kies und G. entgegensetzten, überwunden und Flußwasser bricht in den Boden und in das G. ein. Bisweilen fließt das G. tief unter dem Bett des nächsten Flusses hinweg einem andern Drainagegebiet zu. Ist der Abfluß des Grundwassers irgendwo ständig gehemmt, dann kommt es zur Versumpfung ganzer Landstrecken.

G. ist infolge der Filtration durch die starke Bodenschicht bakterienfrei; doch können in sehr lockerem zerklüfteten Boden grobe ungereinigte Zuflüsse von der Bodenoberfläche Bakterien zuführen. G. eignet sich daher sehr gut zur Wasserversorgung von Städten. Pettenkofer hat nachgewiesen, daß die Häufigkeit des Typhus in vielen Städten dem Grundwasserstand parallel geht; mit dem Sinken des Grundwassers steigt die Zahl der Typhusfälle. Indes beträgt diese Steigerung der Gesamtzahl der Typhusfälle nur 10–20 Proz., und für die übrigen 80–90 Proz. bleibt der Grundwasserstand ohne Bedeutung. Vgl. Boden, S. 121.

Zur Messung der Tiefe des Grundwasserspiegels unter der Erdoberfläche dürfen nur solche unter Verschluß gehaltene Brunnen dienen, die gar nicht benutzt werden oder längere Zeit sich in Ruhe befunden haben. Zum Messen des Wasserstandes im Brunnen dient ein mit Kreide bestrichener Stab oder ein Bandmaß, an dessen Nullpunkt ein 30 cm langer Stab hängt, der in Entfernungen von 1 cm kleine Näpfchen trägt. Die Länge des Bandmaßes in Zentimetern vom Nullpunkt bis zum Oberflächenfixpunkt, addiert zu der Anzahl von Zentimetern, die durch die beim Herablassen des Bandes nicht gefüllten Schälchen angegeben wird, entspricht dem Grundwasserstand. Genauere Messungen erhält man durch einen Schwimmer (ein Hohlgefäß aus verzinktem Eisenblech), der an einem Meßband hängt. Das Meßband läuft über eine Rolle und trägt am andern Ende ein Gegengewicht, die Rolle wird von einem eisernen Ständer getragen, und auf dem höchsten Punkt der Rolle liest man den Grundwasserstand ab. Da die Vertikalbewegung des Grundwassers stets sehr langsam erfolgt, so genügt es in den meisten Fällen, die Messungen monatlich zweimal vorzunehmen. Die Mächtigkeit der Grundwasserschicht, d. h. der Abstand des Grundwasserspiegels von der undurchlässigen Schicht, läßt sich nur durch Bohrungen ermitteln. Den wechselnden Stand des Grundwassers muß man bei der Anlage von Pumpbrunnen, wenn sie dauernd ergiebig sein sollen, ebenso bei den Fundamentierungsarbeiten berücksichtigen. Vgl. Soyka, Die Schwankungen des Grundwassers (Wien 1888); König, Die Verteilung des Wassers über, auf und in der Erde (Jena 1901); Haas, Quellenkunde (Leipz. 1895); Gärtner, Die Quellen in ihren Beziehungen zum G. und zum Typhus (Jena 1902) und die Literatur bei »Boden«, S. 121.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 461-462.
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