[52] Herzstück, die Durchschneidungsstelle zweier Eisenbahnschienen unter spitzem bis rechtwinkligem Zusammenlauf der Leitkanten, wie sie als ein wesentlicher Bestandteil der Weiche (s.d.) sowie der Gleisverschlingung (s.d.) und der Gleiskreuzung (s.d.), hier zweimal, erforderlich wird, während diese außerdem am stumpfen Zusammenlauf der Leitkanten noch zwei Kreuzstücke oder Doppelherzstücke enthält.
Das Herzstück (s. Fig. 1 und 2) muß in zwei Richtungen dem Spurkranz der Räder freien Durchgang lassen, also je eine Spurrinne, d.h. Unterbrechung der Schienenlauffläche von der Breite ε (rechtwinklig gemessen 4449 mm, in England 41 mm) enthalten, deren Ueberschreitung in der schrägen Richtung (Winkel α) eine Unterbrechung der Leitkante von erheblicher Länge darstellt, z.B. bei den üblichen Weichenwinkeln von 1 : 9 und 1 : 10 den neunfachen bezw. zehnfachen Betrag der Rinnenbreite (ε : sin α) ausmacht. Hier muß nun, um den Uebergang der Räder trotzdem möglichst stoßfrei zu bewirken, Ersatz geschaffen werden für die unterbrochene Unterstützung und Führung des Rades. Die Unterstützung wird ersetzt durch das Aufruhen des Radreifens mit seiner überschüssigen Breite auf der einen der beiden Flügel- oder Hornschienen (auch Knieschienen genannt), die durch eine Abschwenkung der unterbrochenen Fahrschienen gebildet werden. Sie fassen die Herzstückspitze zwischen sich, müssen jedoch an beiden Seiten derselben die Spurrinnenbreite begrenzen und schließlich mit einer schlanken Erweiterung beenden, damit die von dieser Seite eintretenden Spurkränze sicher in die Rinne eingeleitet werden. Wenn das Herzstück, wie früher allgemein und noch viel in Anwendung, als ein[52] besonders für sich bestehendes Gußstück, sogenanntes »Blockherzstück« aus Eisenhartguß oder später Stahlformguß gebildet, also tunlichst kurz hergestellt wird, so müssen die Flügelschienen vor ihrem Abschwenkungspunkte, dem sogenannten Knie des Herzstücks, mindestens so lang sein (h1), daß sie mit den anstoßenden Fahrschienen durch die üblichen Laschen (s. Oberbau) gut verbunden werden können (also h1 gleich der halben Laschenlänge). Am andern Ende des Herzstücks muß die Spitze so lang sein, daß sie die nötige Breite und Länge zum Anschluß der folgenden Fahrschienen durch dieselbe Laschenform erreicht.
Hierzu ist, wenn die Fahrschienen nicht bearbeitet werden sollen, eine Breite nötig, welche zwischen den Leitkanten zweimal die halbe Kopfbreite k und zweimal die halbe Fußbreite b der Fahrschienen darbietet, d.h. eine Breite = k + b, beispielsweise 58 + 105 = 163 mm. Hieraus ergibt sich der dritte Längenteil des Herzstücks h = (k + b)/(2 sin (α/2)) oder bei kleinem Winkel, z.B. bei Weichenwinkeln genau genug, (k + b)/tg α Die Mindestlänge des gesamten Herzstücks beträgt demnach
beispielsweise bei dem Weichenwinkel 1 : 10
oder, wenn durch Abschrägung der beiden nach innen gekehrten
Schienenfüße die Endbreite der Spitze ermäßigt wird (Preußische Staatsbahn um 17 mm) entsprechend (170 mm) weniger. (Bei kleinen Winkeln ist sehr nahe sin α = tg α.)
Der Ersatz der unterbrochenen Führung wird bewirkt durch die gegenüber neben den andern beiden Schienen, liegenden Zwangschienen oder Radlenker (s. Fig. 1). Da nämlich die beiden Räder einer Achse mit dieser starr verbunden sind, so ist es möglich, durch knappe Führung des gegenüber laufenden Rades an dessen innerer Hinterseite mittels einer gut beteiligten, unter Umständen bis 40 mm über die Schienenhöhe hinaufgeführten Zwangschiene das gegen die Herzstückspitze herankommende Rad mit Sicherheit von dieser abzuziehen, so daß es richtig in die Spurrinne einlaufen muß. Die so gebildete Zwangsrinne wird deshalb so eng als möglich bemessen (41 bis 44 mm). Die Zwangschiene wird am besten in einer hochkantigen Winkelform gewalzt und durch Schraubbolzen mit eisernen Zwischenklötzen in ihrer Entfernung von der Fahrschiene genau festgelegt. Sie wird bei den üblichen Weichenwinkeln etwa 3,5 m lang genommen und an den Enden so abgebogen, daß die Rille sich allmählich (z.B. bis auf 75 mm) erweitert. Der mathematische Schnittpunkt der Leitkanten ist der für die Berechnung der Weichen maßgebende Punkt des Herzstücks. Stofflich kommt er nicht zur Erscheinung, weil es nicht angängig ist, die Spitze, wenigstens bei Weichenwinkeln, so scharf auszuführen (s. Fig. 2 u. 2a). Dadurch wird die wirkliche Länge der Unterbrechung noch vergrößert.
Bei großem, nahezu rechtem Winkel werden die Herz- und Kreuzstücke der Gleiskreuzung einander mehr und mehr gleich und erreichen die Gleichheit bei rechtem Winkel. Alsdann werden die Flügelschienen zugleich zu Zwangschienen für das benachbarte Kreuzstück. Die (in Fig. 1 zum Art. Gleiskreuzungen angegebenen) Zwangschienen des Kreuzstücks treten dann an allen vier Ecken auf, nunmehr ebenfalls mit rechten (oder nahezu rechten) Winkeln. Dabei ist jedoch ein Ersatz der Führung nicht mehr möglich, weil die beiden Lücken sich nun gegenüber liegen, also von den beiden Rädern einer Achse zugleich überschritten werden. Dagegen ist diese Unterbrechung dann aber sehr kurz, eben nur die rechtwinklige Breite der Spurkranzrinne. Sie kann also leichter durch die lebendige Kraft der Bewegung ohne Richtungsänderung überwunden werden. Dagegen ist auch bei rechtwinkligen Kreuzungen Ersatz der Unterstützung des Rades unentbehrlich und hier dadurch zu schaffen, daß man am Grunde der Rinne dem Spurkranz einen allmählichen Auflauf und Wiederablauf bietet, der das Rad über die Lücke hinwegträgt. Immerhin sind solche Anordnungen nicht erwünscht und werden deshalb in Hauptgleisen vermieden, sind aber in Nebengleisen bei Anwendung von Drehscheiben oder Schiebebuhnen nicht ganz zu entbehren.
Die Bauart der einfachen und Doppelherzstücke. Man unterscheidet »Blockherzstücke« (s. oben) (Fig. 2 und 3), die in einem Stück gegossen werden, und »Schienenherzstücke« (Fig. 4 und 5), die aus den regelmäßigen Fahrschienen hergestellt, in Deutschland jedoch (im Gegensatz zu England) bisher meist noch mit einer besonders eingelegten Stahlspitze versehen[53] werden. Blockherzstücke erhalten nur die vorbesprochene Mindestlänge. Sie wurden bei Verwendung von Flußstahl anfangs »umwendbar«, d.h. oben und unten symmetrisch, gestaltet, um nach Abnutzung der oberen Seite die untere verwenden zu können. Das zeigte sich jedoch als unausführbar, weil inzwischen die Auflagerstellen Abnutzungslücken an der Unterfläche erzeugt hatten. Man ist deshalb von dieser Form ganz zurückgekommen, gab vielmehr dem Blockherzstück später stets einen breiten Fuß mit Aussparungen (Fig. 2). In ganz gleicher Weise wurden die Doppelherzstücke hergestellt (Fig. 3). Die Spitze steigt bei beiden Formen ganz allmählich vom Grunde des Blockes auf. Blockherzstücke bilden im Gleise durch ihre Harre Masse ein dem sonstigen Gestänge durchaus ungleichartiges Stück zwischen zwei sehr nahen Stoßverbindungen. Die Folge ist das bekannte zweimalige starke hammerartige Schlagen der Wagenräder beim Ueberschreiten dieser Verbindungen.
Die Schienenherzstücke bieten dagegen den Vorteil größerer Elastizität und Gleichmäßigkeit mit dem übrigen Gestänge und die beliebige Hinausschiebung des ersten (in England beider) Anschlußpunkte, somit den Wegfall mindestens des einen der beiden harten Schläge. Aber auch die eingelegte Stahlspitze, die aus bestem Material, z.B. Tiegelgußstahl, geschmiedet und durch reichliche gußeiserne Zwischenklötze zwischen ihr und den Flügelschienen sehr genau und dauerhaft befestigt werden kann, paßt sich dem Gestänge des Gleises wesentlich besser an als das massige Blockherzstück. Solange die Schienen aus Schweißeisen hergestellt wurden, waren Schienenherzstücke nicht dauerhaft. Bei dem jetzt ausschließlich zur Verwendung gelangenden Flußstahl als Schienenmaterial haben sich dagegen Schienenherzstücke längst gut bewährt (u.a. seit reichlich drei Jahrzehnten in Bayern).
Bei den Schienenherzstücken (s. Fig. 4 und 5) beginnt die Spitze mit einer Materialstärke von etwa 15 mm, und ihre Höhe ist im vorderen Teile etwas abgeschrägt. Die Köpfe der Flügelschienen müssen seitlich etwas abgehobelt werden, weil sonst die Leitkanten am Knie nicht nahe genug (49 mm) zusammenkommen würden. Auch die Doppelherzstücke werden zurzeit aus Schienen mit zwei eingelegten Stahlspitzen hergestellt (s. Fig. 5, wobei das Doppelherzstück einer Kreuzungsweiche angehört). Beide Schenkel des Herz- und des Doppelherzstücks sollen in gerader Linie liegen, um die Sicherheit der Fahrt nicht zu beeinträchtigen und die ohnehin schon erhebliche Abnutzung nicht noch zu vermehren. Es sollen deshalb beide Gleise auf die Länge der Herzstücke und ebenso die gesamte Gleiskreuzung (abgesehen von Notfällen) stets geradlinig sein. Bei den Weichenanordnungen wird die Krümmung des abzweigenden Stranges dieserhalb schon 1,52,5 m vor der Herzstückspitze beendet, so daß hier schon die »Herzstückgerade« beginnt und jedensfalls mindestens bis zum Ende der Herzstückspitze (Anschluß der Schienen) fortläuft. Nur bei dem Mittelherzstück der Doppelweichen (s. Weichen) pflegt man von der Geraden abzusehen und sich auf geradlinige Herstellung der Spitze selbst zu beschränken, so daß deren Schenkel zwar um ein weniges von der Leitkurve abweichen, aber doch für beide Richtungen der unsymmetrischen Doppelweiche rechts und links benutzbar bleiben (Preußische Staatsbahn).
In England gestattete der 1820 mm starke Steg der Stahlschienen schon längst das dort ausschließlich übliche Zusammenspleißen der Schienen auch an der Herzstückspitze (s. Roll, Encyklopädie der Eisenbahnen, Art. Weichen, Tafel 77, Fig. 13b, und Zentralblatt der Bauverwaltung 1890, S. 150). Das ließ sich in Deutschland bei Stegstärken von 1014 mm nicht gut machen. Nachdem jedoch bei den Preußischen Staatsbahnen Schienen mit 18 mm Stegstärke für Blattstoß und für Tunnelzwecke eingeführt sind, ist daselbst die Herstellung auch[54] der Herzstückspitzen aus solchen Schienen seit 1902 mit gutem Erfolg in steigendem Maße zur Anwendung gelangt. Auf solchen gut ausgeführten Gleisen englischer Schnellzugbahnen erfolgt das Ueberfahren der Herzstücke ohne jeden fühlbaren Stoß; es dürfte nunmehr gelingen, gleiches auch in Deutschland zu erreichen, nachdem jetzt auch hier beide Schienenstöße beseitigt werden können. Vgl. a. die Musterzeichnungen der Preußischen Staatsbahnen von 1902 und 1903 für »Herzstücke mit Schienenspitzen«, desgleichen für »Weichen mit federnden Zungen«, Schienen 8 a.
Schienenherzstücke mit beweglichen Teilen sind namentlich bei den nordamerikanischen Bahnen (u.a. der Pennsylvania-Bahn) in ausgedehnter Anwendung, und zwar so, daß die eine Flügelschiene um ihren vorderen Endpunkt (einige Meter vor der Spitze) zwischen den Laschen ein wenig drehbar ist und am andern Ende durch eine starke Feder an die Spitze angedrückt wird, diese dem Hauptgleis angehörige Seite des Herzstückes demnach für gewöhnlich ohne Unterbrechung bleibt. Ein auf dem Nebenstränge herankommendes Fahrzeug drückt sich dann selbst schon vor Erreichen der Spitze die Flügelschiene beiseite, öffnet sich also unter dem Einfluß der gegenüber liegenden Zwangschiene selbst die Spurrinne, die sich nach Durchfahrt jedes Spurkranzes wieder zu schließen sucht, sofern nicht eine Umstellung der Flügelschiene in Verbindung mit der Weichenumstellung vorgenommen wird. Auch Herzstücke mit zwei beweglichen Flügelschienen oder mit beweglicher Spitze sind in Amerika ausgeführt, haben sich jedoch nicht bewährt. Ebenso haben in Europa neuerdings Herzstücke mit einer beweglichen Flügelschiene und Federanschluß nach dem Vorbilde der Pennsylvania-Bahn in einzelnen Fällen Eingang gefunden (vgl. Musterzeichnungen der Preußischen Staatsbahn, Dezember 1901).
Herzstücke mit nur einer Spurrinne für den Hauptstrang und steigendem Auflauf des Spurkranzes zum Ueberschreiten der Hauptschiene durch den Spurkranz des im Nebenstränge kommenden Fahrzeugs sind auch in Deutschland bei sogenannten Kletterweichen (s.d.) ausgeführt, u.a. bei der bewährten Blauelschen Weiche. Sie erscheinen sehr wohl geeignet für Abzweigungen auf freier Bahn, da alsdann die Hauptgleisschiene ohne jede Unterbrechung durchgeht (s. Organ f. Fortschr. d. Eisenbahnw. 1880 und Glasers Annalen 1884).
Literatur: Roll, Encyklopädie d. Eisenbahnw., Wien 1890 ff., Artikel »Kreuzungen« und »Weichen«; Organ f. Fortschr. d. Eisenbahnw. 1884, S. 39 (von Rüppel); ebend., S. 180 u. 190; 1890, S. 151; ferner 1886, S. 230, und 1889, S. 165 (Bewegliche Herzstücke); daselbst Ergänzungsband IX, S. 131, sowie Tafel 11 u. 12; Glasers Annalen 1889; Handbuch d. Ingenieurwissensch., Bd. 5, Leipzig 1898; Eisenbahnbau der Gegenwart, Abschn. 3, Wiesbaden 1899.
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