[411] Kettenbahnen (Bd. 5, S. 455); s.a. Fabrikbahnen, Seilbahnen, Elevator, Massentransport und [1].
Unter den zahlreichen Förderarten, welche die neuzeitliche Technik aufzuweisen hat, gewinnt die mechanische Ketten- und Seilförderung eine schnell steigende Bedeutung. Sie findet vornehmlich in solchen Betrieben Anwendung, in denen Bewegungen von Rohstoffen, Halbzeugen oder Fertigfabrikaten in regelmäßiger Folge auf bestimmte Entfernungen in Betracht kommen. Die Vorteile dieser Bahnanlagen bestehen vor allen Dingen in den großen Ersparnissen, die der maschinelle Betrieb zur Folge hat; die Betriebskosten sind meist auf ein Mindestmaß zurückgeführt, da die Förderung selbsttätig erfolgt und die Bedienung oft auf ein bis zwei Mann beschränkt werden kann.
In richtiger Erkenntnis der hohen Bedeutung dieser Förderart hat die A.-G. Orenstein & Koppel A. Koppel, Berlin, unter andrem seit einer längeren Reihe von Jahren die Ausarbeitung von Entwürfen und die Ausführung derartiger Anlagen erfolgreich aufgenommen [2].
1. Gleisbahnen für stetigen (Dauer-) Betrieb mit geschlossenem (ober- oder unterhalb der Wagen gelegenem) Zugmittel Kette oder Kettenseil bezw. Seil bei Steigungen bis etwa 1 : 3 bezw. 1 : 8 finden Verwendung, wenn das Fördergut mittels Gleisfahrzeugen in regelmäßigen Abfänden auf wagerechter, geneigter oder abwechselnd Steigungen und Gefälle aufweisender Strecke zu befördern ist. Die oft mehrere Kilometer lange Förderstrecke kann hierbei gerade sein oder auch beliebig gerichtete Kurven enthalten; sie muß immer zweigleisig sein, damit das stetig umlaufende Zugmittel die beladenen Wagen auf dem einen Gleis mitnehmen und gleichzeitig die leeren auf dem andern Strang zum Ausgangspunkt zurückbringen kann (Fig. 1 und 2).[411]
Bei der in Fig. 3 wiedergegebenen Kettenförderung wird das Gut nicht auf besonderen Wagen, sondern unmittelbar weiterbefördert. Das Zugmittel besteht aus einer endlosen Kette, in die in etwa 2 m Abständen Achsen mit je zwei lose laufenden Rädern eingefügt sind. Durch diese Achsen, deren Räder auf Schienen laufen, werden die Holzstämme getragen und durch eingenietete Vierkantdorne festgehalten. Die Anlage dient dazu, die angeflößten Langhölzer unmittelbar aus der Wolga heraus nach einem etwa 450 m vom Ufer entfernten Lagerplatz zu befördern. Der untere Teil des Schleppers, die Aufnahmestelle, liegt in einem kurzen Stichkanal unter Wasser und ist wegen der veränderlichen Höhe des Wasserspiegels des Flusses verstellbar angeordnet, d.h. der Schlepper kann je nach der Wasserhöhe verlängert oder verkürzt werden. Die Holzstämme werden von den Arbeitern mittels Haken oder Stangen in den Stichkanal gezogen und einzeln über der stetig laufenden Schleppkette so weit vorgeschoben, bis sie von den Greifern erfaßt und selbsttätig weitergezogen werden. Allmählich legt sich so der ganze Baumstamm auf die Schleppkette und wird von dieser bis nach dem Lagerplatz befördert. Die Vierkantdorne drücken sich dabei so fest in das Holz hinein, daß mit dem Schlepper Steigungen bis 1 : 3 überwunden werden können. Der Höhenunterschied zwischen Anfangs- und Endstation beträgt rund 67 m. Täglich werden etwa 200 Stämme befördert. Für den Antrieb des Schleppers dient eine 80-PS.-Dampfmaschine. Als Kuppelapparate für obenliegende Kette und Kettenseil kommen Greiser nach Fig. 4 und 5 zur Anwendung; Fig. 6 zeigt eine Bleichertsche Unterkettenförderung.
Die Wahl des Zugmittels hängt ab von der Streckenlänge, der Fördermenge und den Steigungsverhältnissen. Bei längeren Strecken mit geringerer Steigung wird in der Regel vorteilhaft ein Seil, bei solchen mit größerer Steigung ein Kettenseil und bei kürzeren Strecken mit größerer Steigung eine Kette gewählt. Die günstigste Betriebsart muß für jeden einzelnen Fall untersucht werden. In den (allerdings seltenen) Fällen, in denen die Gefällverhältnisse der Strecke so groß und günstig sind, daß der durch die beladenen [412] Wagen erzeugte Kraftüberschuß zum Zurückbringen der leeren genügt, ist der meist bei solchen Anlagen unerläßliche maschinelle Antrieb entbehrlich. Der Antrieb kann durch Transmission (Fig. 1 und 2), Lokomobile (Fig. 7 und 8), Spiritus-, Petroleum- oder Benzinmotor (Fig. 9 und 10) oder Elektromotor erfolgen; die Anordnung und Lage (ob ober- oder unterirdisch, seitlich oder in der Richtung der Strecke) ergibt sich stets aus den örtlichen Verhältnissen. Meist ist im Antrieb eine Sperrvorrichtung erforderlich, um bei etwaigem Versagen der Kraftmaschine, bei Zahn- oder Riemenbruch ein Rückwärtslaufen der Wagen zu verhüten; zuweilen werden auch Schutzvorrichtungen auf der Strecke vorgesehen. Fig. 11 und 12 [3] zeigen eine von der Gesellschaft für Förderanlagen Ernst Heckel m. b. H. in Saarbrücken vielfach angewendete Greiferscheibe, die durch ihre eigenartige Bauart eine Aenderung des Durchmessers in bestimmten Grenzen und so eine völlig sichere Anpassung der Greiferteilung an die durch Dehnung und Verschleiß veränderlichen Gliedlängen der Ketten ermöglichen. Ueber Bleicherts Kettengreiferscheibe (D.R.P. Nr. 174726) vgl. [4]. Von der Greiferscheibe von Bömches & Reinhold in Wien wird besonders gerühmt, daß die Uebertragung gleichmäßig nach beiden Seiten auf den Scheibenkörper erfolgt.
Bei allen Ketten- bezw. Gleisseilbahnen ist ferner eine selbsttätig wirkende Spannvorrichtung erforderlich. In der Strecke befindliche Kurven werden von den Wagen selbsttätig durchfahren.
Unter anderem wurde von Koppel zum Bau einer Talsperre für Elberfeld eine Bahn mit geschlossenem Unterkettenseil gebaut; die Strecke ist etwa 275 m lang. Die Entfernung der fünf vollen wie der fünf leeren Wagen beträgt je 50 m; demgemäß sind zehn Kettenstücke (von 18 mm Stärke) eingespleißt. Die Nutzlast jedes Wagens ist rund 1500 kg bei einem Eigengewicht von 360 kg.
In wie günstiger Weise diese Gleisbahnen arbeiten, geht z.B. daraus hervor, daß für eine Bahn, die aus einer Tongrube in zehn Stunden 300 cbm zu je 2000 kg nach dem 800 m entfernten Tonschneider schaffen soll (an den Enden der auch eine Kurve enthaltenden Strecke sind Neigungen bis 1 : 10 zu überwinden; bei normaler Fördergeschwindigkeit von 0,5 m/Sek. befinden sich je 26 beladene und leere Wagen in einem Abstand von je 30 m auf der Strecke; Arbeitsbedarf rund 20 PS.), sich die Gesamtförderkosten für 10000 kg bei jährlich 200 Arbeitstagen auf 0,62 ℳ., bei 300 auf nur 0,50 ℳ. stellen. Auch für Ausschachtungsarbeiten zum Bau der Untergrundbahn in Berlin sind Gleisbahnen mit Kettenseil mit bestem Erfolg verwendet worden.
2. Schrägaufzüge (s.d. und Fig. 7 und 8) bezw. Bremsbergförderung (s.d., Bd. 2, S. 257 und Fig. 9 und 10).
3. Zusammengesetzte Anlagen. In vielen Fällen bedingen ungünstige Geländeverhältnisse oder Schwierigkeiten bei Grundstückserwerbungen die Anlage von mehreren aneinander anschließenden Bremsberg- und Aufzugbahnen u.s.w. Ueber die Verwertung von Kettenbahnen bei der Füllortförderung vgl. [5], zum Einflößen von Wagen in Mehrfachkreiselwipper (s. Wipper und [6]); Wetterschleusen mit Kettenförderanlage [7]; Kettenbahnen für Postbetrieb [8].
Literatur: [1] Buhle, Massentransport (Stuttgart 1908), S. 23 ff. [2] Ders., »Bodenständige Gleisbahnen mit Seil- und Kettenbetrieb«, Technische Rundschau 1911, S. 633 ff. [3] Ders., »Die Verladeanlage der Radzionkaugrube in Oberschlesien«, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1910, S. 748 ff. [4] Glasers Annalen 1909, I, S. 241 ff. [5] »Glückauf« 1911, S. 750; ebend. 1914, S. 410 ff. [6] Buhle, Weitspannende Kreiselwipper, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1909, S. 841 ff. [7] »Glückauf« 1913, S. 697 ff. [8] Verkehrstechnische Woche 1912, S. 850 ff.
M. Buhle.
Lueger-1904: Kettenbahnen [2] · Kettenbahnen [1]
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