[455] Kettenbahnen ähneln in der Gesamtanordnung den Seilbahnen (s.d.) und werden hauptsächlich verwendet zur Ueberwindung starker Steigungen mit keinen oder nur wenigen Krümmungen.
Die Kettenbahnen eignen sich zum Massentransport (s.d.) namentlich auf Hüttenwerken (s.a. Grubenbahnen), in Zementfabriken, Tonwerken, Steinbrüchen, Ziegeleien, Sandgruben, chemischen Fabriken, Zuckerfabriken und ähnlichen industriellen Betrieben (s.a. Fabrikbahnen). Die Beförderung erfolgt auf Schienen; in besonderen Fällen können die Einrichtungen auch als Hängebahnen (s.d., Kettenhängebahnen) ausgebildet werden. Während die Förderkosten bei Pferdebetrieb z.B. in Westfalen 1525 ./tkm betragen, stellt sich der Preis bei Kettenförderung bis zu 3 ./tkm. Bei Fortfall von etwa 30 Pferden in der Grube werden minutlich 300 cbm Luft erspart, d.h. es dürfen bei Lieferung der gleichen Luftmenge rund 150 Arbeiter mehr beschäftigt werden. Weitere Vorteile: Gleichmäßige Förderung von Einzelwagen, die sich der Schachtförderung anpaßt; große Leistungsfähigkeit, die stündlich bis zu 400 Wagen betragen kann. Bei den Antrieben der Kettenbahnen finden neuerdings vielfach Greiferscheiben (mit stehenden Wellen) Anwendung (C.W. Hasenclever Söhne, Düsseldorf), bei denen eine Anzahl verstellbarer Stahlgreifer (Fig. 1 und 2) [1] die Kette so umfassen, daß in bestimmter Entfernung ein Kettenglied gegriffen wird. Der Kraftverbrauch ist durch die halbe Umschlingung der Kette um die Antriebsscheibe und den Fortfall von Gegenscheiben auf das Mindestmaß beschränkt. Bei einem Zugwiderstand der Förderwagen einschließlich Kette von z.B. 6000 kg und einem Spanngewicht von 500 kg berechnet sich die Gesamtbelastung der Antriebswelle auf nur rund 6500 kg; entsprechend dieser geringen Belastung werden Welle, Lager und Verlagerungsteile wenig beansprucht.
Je nach den örtlichen Verhältnissen werden oben- oder untenliegende Ketten gewählt.[455] Eine Oberkette bietet bei Steigungen bis 1 : 4 vollkommene Sicherheit für guten Betrieb, da die Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß sich die Wagen vom Zugmittel lösen, wenn man der Kette entsprechend ausgebildete Mitnehmer (s. Grubenbahnen) verwendet, in die sich die Kette einfach einlegt; die Wagen schlagen sich ohne Bedienung an die Kette, wenn ihnen etwas Gefälle gegeben wird. Nur schwache Kurven lassen sich mit am Zugmittel bleibenden Wagen durchfahren. Bei großen Kurven schafft man einen selbsttätigen Betrieb, indem man die Wagen auf entsprechend geneigten Schienen von der Kette ab und wieder unter die Kette laufen läßt. Die Kette wird an diesen Stellen sowie vorteilhaft auch an den Anschlagspunkten hochgeführt, damit der die Wagen anschlagende Arbeiter nicht erst die verhältnismäßig schwere Kette zu heben braucht. Eine 750 m lange Kette in Helmstedt (Braunschweig) besitzt beispielsweise 24 mm Gliedstärke, eine solche von 1600 m Länge in Zauckerode (Königreich Sachsen) 23 mm. Verschleiß äußerst gering. Für die Gasanstalt im Haag sind von der Bamag zwei derartige Kettenbahnen (Fig. 35) [2] ausgeführt. Die vor den Oefen liegenden Brouwerschen Längsrinnen f (s. Kratzer) entleeren den gelöschten Koks durch einen unter dem Flur liegenden Trichter t in bereitstehende Wagen, deren Ueberführung nach dem Koksplatz auf dem Gleis I und deren Rückleitung nach dem Ofenhaus auf dem Gleis II mit Hilfe einer Oberkette selbsttätig erfolgt. Die gefüllten Wagen laufen frei auf einem Gefälle (Fig. 3), welches sich bis zu einer Bahnunterführung erstreckt, hängen sich dann in die Kette ein, werden von dieser eine ziemlich lange und bedeutende Steigung hinausgezogen, lösen sich am höchsten Punkte wieder aus und werden von Hand nach einer beliebigen Stelle des Koksplatzes gefahren und hier geleert. Auf dem Gleis II (Fig. 4) verhindert die Kette zunächst auf der langen Gefällstrecke, daß die leeren Wagen eine zu große Geschwindigkeit annehmen; auf der Steigung hinter dem tiefsten Punkt an der Unterführung zieht sie dieselben dann empor bis zu einem höher gelegenen Punkt, wo die Auslösung erfolgt, und von wo die Wagen auf einem Gefälle wieder vor die Oefen gelangen. Eine Unterkette ist besonders bei starken Förderungen auf kurzen Strecken geeignet. Fig. 6 und 7 [3] zeigen eine derartige hydraulisch betriebene geneigte Kettenbahn für Gepäckbeförderung auf dem Bahnhof St. Lazare in Paris. Die Unterkette gestattet eine vollständige Ausnutzung des Weges, da das eine bestimmte Länge in Anspruch nehmende Einfallen der obenliegenden Kette fortfällt. An den Wagen sind keine besonderen Mitnehmer erforderlich, die Kette selbst erhält sogenannte Mitnehmerglieder, die gegen die Wagenachsen oder in Ringe der Wagen fassen. Diele Einrichtung ermöglicht ein leichtes Anschlagen der Wagen an die Kette; sie brauchen nur in das Gleise geschoben zu werden, worauf ein sicheres Mitnehmen stattfindet. Das Abschlagen erfolgt selbsttätig. Mit der Unterkette können bei kurzen Strecken starke Steigungen und Kurven genommen werden. Um ein Senken der Kette in der Bahn zu[456] vermeiden, wodurch ein Lösen der Wagen vom Zugmittel erfolgen würde, müssen Fußrollen in kurzen Entfernungen eingebaut und kräftige Spannmittel verwendet werden. Aus diesem Grunde sind auch Unterketten für längere Bahnen nicht geeignet. Im übrigen vgl. a. Elevator, Kratzer und Konveyor.
Literatur: [1] Buhle, Technische Hilfsmittel zur Beförderung und Lagerung von Sammelkörpern (Massengütern), 3. Teil, Berlin 1906, S. 246 (»Stahl und Eisen« 1906, S. 648). [2] Ders., ebend., 1. Teil, Berlin 1901, S. 125 (Journ. f. Gasbel. 1901, S. 548). [3] Ders., ebend., S. 225 (Deutsche Bauztg. 1906, S. 281).
M. Buhle.
Lueger-1904: Kettenbahnen [3] · Kettenbahnen [1]
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