[415] Methode der kleinsten Quadrate, ein Verfahren zur Ermittlung der wahrscheinlichsten Werte von Größen aus Beobachtungsergebnissen und der Genauigkeitsmaße für die letzteren sowie für die daraus abgeleiteten Größen.[415]
1. Ausgleichungsrechnung. Werden zur Bestimmung irgend welcher Größen Beobachtungen angestellt, so begnügt man sich in der Regel nicht damit, nur so viele Beobachtungen zu machen, wie zur einfachen, nicht versicherten Bestimmung der gesuchten Größen erforderlich sind, sondern man führt weitere überschüssige Beobachtungen aus, einerseits um die Ergebnisse gegen grobe Fehler (s. Fehlertheorie, 1.) zu sichern, anderseits um die Genauigkeit der aus den Beobachtungsergebnissen folgenden Werte zu vergrößern. Alsdann ist die Aufgabe zu lösen, die Beobachtungsergebnisse derart auszugleichen, daß die gesuchten Größen als einheitliches Endergebnis aus sämtlichen vorliegenden Bestimmungen so gewonnen werden, daß jedes Beobachtungsergebnis dabei seiner Genauigkeit entsprechend berücksichtigt wird. Diese Aufgabe ist nach dem allgemeinen Ausgleichungsprinzip zu lösen, die gesuchten Größen so zu bestimmen, daß die aus ihren endgültigen Werten folgenden Werte der beobachteten Größen möglichst wenig von den Beobachtungsergebnissen abweichen. Bezeichnen x, y, z ... die endgültigen Werte der gesuchten Größen, L1, L2, L3, ... Ln die diesen entsprechenden ausgeglichenen Werte der beobachteten Größen und λ1, λ2, λ3, ... λn die Beobachtungsergebnisse, so sind die endgültigen Werte x, y, z, ... also derart zu bestimmen, daß die gewöhnlich als Beobachtungsfehler bezeichneten Abweichungen v1 = L1 λ1, v2 = L2 λ2, v3 = L3 λ3, ... vn = Ln λn möglichst klein werden. Das zur Bestimmung solcher endgültigen Werte einzuschlagende Verfahren richtet sich nach der Genauigkeit, die für die ausgeglichenen Werte verlangt wird, und nach der Art der vorliegenden Aufgabe.
2. Graphische und analytische Lösung. In manchen Fällen werden die Beobachtungsergebnisse am zweckmäßigsten im richtigen Zusammenhange graphisch dargestellt und die gesuchten Größen aus dieser Darstellung entnommen. Wenn z.B. die Stand- und Teilungskorrektion eines Federbarometers bestimmt werden soll, so werden am zweckmäßigsten die Unterschiede zwischen den gleichzeitigen Ablesungen an einem Quecksilber- und dem Federbarometer als Ordinaten zu den Ablesungen am Federbarometer als Abszissen aufgetragen und danach eine gerade oder gebogene Linie gesucht, die sich den Endpunkten der Ordinaten möglichst gut anpaßt. Die Ordinaten dieser Linie geben dann für jeden Strich der Teilung die ausgeglichenen Werte der gesuchten Korrektionen. In ähnlicher Weise können auch die rechtwinkligen Koordinaten x, y eines durch Vorwärtseinschneiden von mehr als zwei gegebenen Punkten aus bestimmten trigonometrischen Punktes in der Weise bestimmt werden, daß die beobachteten Richtungen in richtiger Lage zueinander und zu den gegebenen Punkten in großem Maßstabe graphisch dargestellt werden. Die einzelnen Richtungen werden sich dann in der Regel nicht in einem Punkte schneiden, sondern eine Schnittfigur bilden, worin der als endgültig anzunehmende Punkt nach Schätzung bestimmt oder durch Konstruktion gefunden werden kann. Ferner können auch die Koordinaten aller Schnittpunkte je zweier Richtungen nach elementaren Formeln berechnet und aus den so erlangten Koordinatenwerten durch Mittelbildung endgültige Koordinatenwerte für den zu bestimmenden Punkt abgeleitet werden u.s.w.
In allen Fällen können dann aus den endgültigen Werten der zu bestimmenden Größen die diesen entsprechenden Werte der beobachteten Größen abgeleitet und durch Vergleichung dieser letzteren Werte mit den Beobachtungsergebnissen die bestehen gebliebenen Widersprüche zwischen beiden oder, mit andern Worten, die übriggebliebenen Beobachtungsfehler festgestellt werden. Für einen vorwärts eingeschnittenen Punkt ergeben sich z.B. aus den Koordinaten x1y1, x2y2, ... xnyn der gegebenen Punkte P1, P2 ... Pn und aus den als endgültig angenommenen Koordinaten x y des neu bestimmten Punktes die diesen entsprechenden Richtungen R1, R2, ... Rn und durch Vergleichung mit den beobachteten Richtungen r1, r2 ... rn die übriggebliebenen Beobachtungsfehler v1 = R1 r1, v2 = R2 r2, ... vn = Rn rn.
Je kleiner nun die übriggebliebenen Beobachtungsfehler in ihrer Gesamtheit sind, desto besser passen sich die aus den endgültigen Werten der zu bestimmenden Größen abgeleiteten Werte der beobachteten Größen den Beobachtungsergebnissen an und als desto besser ist die Bestimmung der endgültigen Werte der gesuchten Größen oder als desto zweckmäßiger ist die Wahl der gesuchten Unbekannten anzuerkennen. Deshalb sind außer einfachen graphischen Verfahren Rechenverfahren aufgestellt worden, die solche Werte der Unbekannten liefern, für welche die übrigbleibenden Fehler in ihrer Gesamtheit möglichst klein werden. Laplace stellte 1792 gelegentlich der Entscheidung der Frage, ob die vorhandenen Gradmessungen sich mit einem elliptischen Meridian vereinbaren lassen, ein solches Verfahren für eine Unbekannte auf nach dem Prinzip, daß erstens die Summe der Fehler gleich Null und daß zweitens- die Summe der Absolutwerte der Fehler ein Minimum sei [1], Sodann Hellte Karl Friedrich Gauß im Jahre 1795 das Verfahren auf, wonach diejenigen Werte der gesuchten Größen gefunden werden, wofür die Summe der Quadrate der übrigbleibenden Fehler ein Minimum wird. Das Verfahren wurde zuerst 1805 von Legendre unter dem Namen »Methode der kleinsten Quadrate« [2] und dann auch 1809 von Gauß [3], [5] veröffentlicht. In mehreren folgenden Abhandlungen [4], [5] hat Gauß das Verfahren weiterentwickelt und neu begründet und u.a. auch auf zwei wichtige geodätische Aufgaben angewendet, nämlich auf die Bestimmung der wahrscheinlichsten Werte der Koordinaten eines durch Rückwärtseinschneiden bestimmten trigonometrischen Punktes und auf die Ausgleichung der Fehler in Dreiecknetzen. Seitdem ist die Methode der kleinsten Quadrate praktisch fortgesetzt weiterentwickelt worden, und gegenwärtig wird keine wichtigere astronomische oder geodätische Maßbestimmung mehr ohne Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate ausgeführt [8][23]. Die theoretische Entwicklung der Methode der kleinsten Quadrate ist von Czuber [24] übersichtlich mit vollständigen Literaturangaben dargestellt.
Das Prinzip und das Rechnungsverfahren der Methode der kleinsten Quadrate kann in einfacher Weise dargelegt werden für den Fall, daß zur Bestimmung einer Größe direkte gleich genaue Messungen derselben vorgenommen sind. Alsdann folgt aus den[416] Ergebnissen der Messungen λ1, λ2, ... λn der wahrscheinlichste (plausibelste) Wert der gemessenen Größe, indem zunächst die wahrscheinlichsten (plausibelsten) Fehler der Messungen v1, v2, ... vn durch die Fehlergleichungen
als Funktion der zu bestimmenden Größe x dargestellt, diese Fehlergleichungen quadriert
und in der Summe dieser Gleichungen [v v] = n x2 2x [λ] + [λλ] die Quadratsumme der wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler als Funktion der zu bestimmenden Größe x erhalten wird. Hierauf ergibt sich der wahrscheinlichste Wert von x, wofür die Fehlerquadratsumme [v v] ein Minimum werden soll. indem der Ausdruck für [v v] nach x differenziert, der Differentialquotient
gleich Null gesetzt und die damit erhaltene Gleichung 2 n x 2[λ] = 0 nach x aufgelöst wird, wonach
dem einfachen arithmetischen Mittel der Beobachtungsergebnisse λ1, λ2 ... λn folgt. Wird der erhaltene Wert x = [λ]/n in die Fehlergleichungen eingesetzt, so ergibt sich als Summe derselben
wonach die Summe der wahrscheinlichsten Fehler v1, v2, ... vn gleich Null sein muß, was eine Probe für die richtige Bildung des wahrscheinlichsten Wertes x ergibt.
Die Methode der kleinsten Quadrate ist aber nicht beschränkt auf die Bildung der wahrscheinlichsten Werte der zu bestimmenden Größen und der Beobachtungsfehler sowie auf die Aufstellung von Proben für die richtige Bildung der Rechnungsergebnisse, sondern sie liefert weiter auch die Genauigkeitsmaße für die Beobachtungsergebnisse und für die daraus abgeleiteten Größen. In dem behandelten einfachen Fall, wo die Beobachtungsergebnisse λ1, λ2 ... λn gleich genau sind, ergibt sich mit dem für alle Ergebnisse gleichen Gewicht p und mit der Anzahl n 1 der überschüssigen Beobachtungen nach der allgemeinen Formel
für den mittleren Fehler der Gewichtseinheit (s. Fehlertheorie, 2.)
und für den mittleren Fehler eines jeden der gleich genauen Beobachtungsergebnisse
Ferner ergibt sich für den wahrscheinlichsten Wert der gesuchten Größe
nach den Regeln der Fehler- und Gewichtsfortpflanzung (s. Fehlertheorie, 5.) der mittlere Fehler
und das Gewicht P = n p.
Die nach der Methode der kleinsten Quadrate zu lösenden Aufgaben sind nun zwar häufig nicht so einfach wie der behandelte Fall, im wesentlichen bleibt das Verfahren aber immer gleich, und für die verschiedenen Arten der Aufgaben sind vollständig durchgebildete Verfahren aufgeteilt.
3. Für direkte Beobachtungen, wobei die Beobachtungsergebnisse lediglich zur Bestimmung der direkt gemessenen Größe einer Linie, eines Winkels, eines Gewichtes u.s.w. dienen fallen, ist nur noch der Fall zu berücksichtigen, daß die Beobachtungsergebnisse nicht gleiches Gewicht, sondern die ungleichen Gewichte p1, p2, ... pn haben. Dann ist bei Bildung der Fehlerquadratsumme das Quadrat einer jeden Fehlergleichung mit dem Gewicht p1, p2, ... pn zu multiplizieren und [p v v] in der gleichen Weise zu behandeln wie [v v] in dem einfachsten Falle. Während nach 2. der wahrscheinlichste Wert x der beobachteten Größe aus den gleich genauen Beobachtungsergebnissen λ1, λ2, ... λn erhalten wird, indem man den Durchschnitt oder das einfache arithmetische Mittel von λ1, λ2, ... λn bildet nach:
so ist aus den ungleich genauen Beobachtungsergebnissen λ1, λ2, ... λn mit den Gewichten p1, p2, ... pn das allgemeine arithmetische Mittel zu bilden nach:
Durch Vergleichung des wahrscheinlichsten Wertes x mit den einzelnen Beobachtungsergebnissen ergeben sich die wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler v1, v2 und vn nach:
womit sich für die richtige Bildung von x die Probe ergibt, daß bei gleich genauen Beobachtungen
und bei ungleich genauen Beobachtungen
sein muß. Mit dem Gewicht p der gleich genauen Beobachtungen oder den Gewichten p1, p2, ... pn der ungleich genauen Beobachtungen sowie der Quadratsumme [v v] = v1 v1 + v2 v2 + vn vn oder [p v v] = p1 v1 v1 + p2 v2 v2 + ... pn vn vn der wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler folgen dann als Genauigkeitsmaße
a) der mittlere Fehler der Gewichtseinheit (s. Fehlertheorie, 2.)
[417] b) die mittleren Fehler der Beobachtungsergebnisse λ1, λ2, ... λn
oder
c) das Gewicht des aus allen Beobachtungsergebnissen gewonnenen wahrscheinlichsten Wertes x der beobachteten Größe
und d) der mittlere Fehler des wahrscheinlichsten Wertes x der beobachteten Größe
oder
wobei die linksstehenden Formeln für gleich genaue Beobachtungen, die rechtsstehenden Formeln für ungleich genaue Beobachtungen gelten.
4. In vielen Fällen können aber die zu bestimmenden Größen nicht direkt beobachtet werden, vielmehr werden Stücke beobachtet, welche die Kenntnis der zu bestimmenden Größen vermitteln. Zur Bestimmung der Koordinaten x und y eines trigonometrischen Punktes werden z.B. die Richtungen r1, r2, ... rn zwischen diesem Punkte und andern gegebenen Punkten beobachtet, und die beobachteten Richtungen müssen dann die Bestimmung der gesuchten Koordinaten vermitteln. Für solche Fälle ist das Verfahren für vermittelnde Beobachtungen aufgestellt. Bei diesem Verfahren sind zuerst die Beziehungen zwischen den wahren Werten der beobachteten Größen (λ1), (λ2), ... (λn) und den wahren Werten der zu bestimmenden Größen (x), (y), (z), ... durch Gleichungen
darzustellen, welche die mathematische Grundlage für das weitere Verfahren bilden. Hiernach ergibt sich für die wahrscheinlichsten Werte der beobachteten Größen L1, L2, ... Ln und die wahrscheinlichsten Werte x, y, z, ... der zu bestimmenden Größen
und für die wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler als Abweichung zwischen L1, L2, ... Ln und den Beobachtungsergebnissen λ1, λ2, ... λn
Die Gleichungen 2. und 3. bilden zusammen die Fehlergleichungen, wodurch die wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler als Funktion der wahrscheinlichsten Werte der zu bestimmenden Größen dargestellt werden.
Die wahrscheinlichsten Werte x, y, z, ... sind dann so zu bestimmen, daß die unter Berücksichtigung der Gewichte der Beobachtungsergebnisse p1, p2, ... pn gebildete Quadratsumme der wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler [p v v] = p1 v1 v1 + p2 v2 v2 + ... pn vn vn ein Minimum wird. Diese Bestimmung kann aber in der Regel nicht ohne weiteres ausgeführt werden, vielmehr müssen meistens zunächst Näherungswerte x, y, z, ... ermittelt und dann die kleinen Aenderungen dx, dy, dz bestimmt werden, womit nach
die wahrscheinlichsten Werte x, y, z, ... erhalten werden.
Den Näherungswerten der zu bestimmenden Größen x, y, z, ... entsprechen die Näherungswerte der beobachteten Größen
woraus durch Hinzufügung der den Aenderungen dx, dy, dz, ... entsprechenden kleinen Werte dl1, dl2, ... dln auch die wahrscheinlichsten Werte der beobachteten Größen
erhalten werden.
Werden in die Fehlergleichungen 2. und 3. für die wahrscheinlichsten Werte x, y, z, ... L1, L2, ... Ln die Näherungswerte und deren kleinere Aenderungen gesetzt und bei den danach vorzunehmenden einfachen Umformungen die abkürzenden Bezeichnungen
eingeführt, so ergeben sich die umgeformten Fehlergleichungen
[418] Durch Einsetzung der in 7. gegebenen Werte für dl1, d2, dln in 8., Quadrierung der damit erhaltenen Gleichungen und Summierung ergibt sich die Quadratsumme der wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler
woraus sich nach den Regeln für die Bestimmung eines Maximums oder Minimums für diejenigen Werte von dz, dy, dz ..., wofür [p v v] ein Minimum wird, die End- oder Normalgleichungen
oder in einer namentlich für größere Normalgleichungen geeigneten Form:
ergeben. Beim Lesen dieser letzteren Schemas sind die an den linken Ecken zusammenstoßenden vertikalen und horizontalen fetten Linien zu verfolgen, und sind bei Verfolgung der vertikalen fetten Linien die rechts neben der vertikalen seinen Linie stehenden Unbekannten, bei Verfolgung der horizontalen fetten Linien die über der horizontalen seinen Linie stehenden Unbekannten zu den gelesenen Faktoren hinzunehmen.
Aus [p a a], [p a b], [p a c], ... [p b b], [p b c], ... [p c c], ... [p a f], [p b f], [p c f], ... ergeben sich die einfacheren Bezeichnungen a1, b1, c1, ... b2, c2, ..., c3, ... f1, f2, f3, ..., indem [p] abgeworfen, der letzte Buchstabe durch den entsprechenden deutschen ersetzt und für den mittleren Buchstaben a, b, c ... der Index 1, 2, 3 ... gesetzt wird [23]. Bei dem Verfahren für bedingte und vermittelnde bedingte Beobachtungen (s. 5.) ergeben sich ganz ähnliche Normalgleichungen.
Die Auflösung der Normalgleichungen wird in der Regel wie folgt ausgeführt:
Zur Vereinfachung ist hier und in den folgenden beiden Absätzen das Gewicht p in den [] überall weggelassen, und die Unbekannten dx, dy, dz, ... der Gleichungen sind nur einmal oben in jeder Spalte hingesetzt. Die Bedeutung der abkürzenden Bezeichnungen [b b ∙ 1], [b c ∙ 1], ... [b f ∙ 1], [c c ∙ 2], ... [c f ∙ 2], ... [4] und B2, C2, ... F2, C3, ... F3, ... [23] ist aus der Entwicklung ohne weiteres zu erkennen. Bei der rechnerischen Durchführung der Auflösung können alle Werte, deren Bezeichnungen links von den eingetragenen Doppellinien stehen, weggelassen werden.
Die Gleichungen (I), (II), (III), ... sind die reduzierten Normalgleichungen, woraus die Unbekannten folgen nach
Zur Probe für die richtige Berechnung der Unbekannten werden bei der Auflösung der Normalgleichungen die Summen
gebildet, welche einander gleich sein müssen.[419]
Eine weitere durchgreifende und Schritt für Schritt wirkende Probe für die Zahlenrechnung wird ferner gewonnen, indem aus den Faktoren a, b, c ... und den Abweichungen f der umgeformten Fehlergleichungen die Größen
gebildet und die Zahlenwerte s1, s2, ... sn in gleicher Weise in der Rechnung mitgeführt werden, wie die Zahlenwerte f1, f2, ... fn wonach sowohl bei der Bildung der Faktoren der Normalgleichungen wie auch bei der Auflösung der Normalgleichuhgen die Summe der Faktoren Zeile für Zeile gleich Null sein muß.
In manchen Fällen kann das Verfahren vereinfacht werden, indem aus den umgeformten Fehlergleichungen zunächst reduzierte Fehlergleichungen und aus diesen direkt reduzierte End- oder Normalgleichungen mit weniger zu bestimmenden Unbekannten gebildet werden [23], § 30.
Der mittlere Fehler m der Gewichtseinheit ergibt sich aus [p v v], der Anzahl n der beobachteten Größen und der Anzahl q der zu bestimmenden Größen nach
und die mittleren Fehler m1, m2, ... mn der Beobachtungsergebnisse nach
Werden aus den Gleichungen (Gewichtsgleichungen)
durch Auflösung die Zahlenwerte von Q11, Q22, Q33, ... genommen, so folgen für die wahrscheinlichsten Werte der zu bestimmenden Größen x, y, z, ... die Gewichte Px, Py, Pz, ... nach
und die mittleren Fehler Mx, My, Mz, ... nach
5. Aber auch wenn Größen durch direkte oder vermittelnde Beobachtungen bestimmt sind, können die Ergebnisse solcher Bestimmungen häufig noch nicht als die endgültigen Werte angenommen werden, weil diese Ergebnisse noch weitere Bedingungen erfüllen und deshalb weiter ausgeglichen werden müssen. Wenn z.B. die drei Winkel eines Dreiecks direkt beobachtet worden sind, so müssen die Beobachtungsergebnisse noch ausgeglichen oder verbessert werden, damit sie den theoretischen Sollbetrag erfüllen. Oder wenn z.B. die Richtungen auf den Punkten eines trigonometrischen Netzes aus den beobachteten Winkeln nach dem Verfahren für vermittelnde Beobachtungen bestimmt sind, so müssen auch diese noch weiter verbessert werden, damit sie den aus dem Zusammenhang des trigonometrischen Netzes entspringenden mathematischen Bedingungen genügen. Im ersteren Falle ist das Verfahren für direkte bedingte Beobachtungen (s. 6.), im zweiten Falle das Verfahren für vermittelnde bedingte Beobachtungen (s. 7.) innezuhalten.
6. Das Verfahren für direkte bedingte oder kurzweg bedingte Beobachtungen ist also beispielsweise anzuwenden, wenn die beobachteten Winkel eines Dreiecksnetzes die Bedingungen erfüllen müssen, daß die Winkel auf jedem Punkte zusammen gleich 360°, in jedem Dreieck gleich 180° + sphärischer Exzeß sind u.s.w. Die Anzahl der notwendig zu erfüllenden Bedingungen ist gleich der Anzahl der vorliegenden überschüssigen Bestimmungen der beobachteten und der aus den Beobachtungsergebnissen zu bestimmenden Größen, so daß z.B. in einem Dreieck, dessen drei Seiten und drei Winkel beobachtet sind, wofür also drei überschüssige Bestimmungen vorliegen, auch drei Bedingungen erfüllt werden müssen. Die Bedingungen, welche die wahrscheinlichsten Werte der beobachteten Größen I, II, III, IV ... zu erfüllen haben, werden durch Bedingungsgleichungen dargestellt in der Form
worin Sa, Sb, Sc ... die zu erfüllenden Sollbeträge sind. Die Beobachtungsergebnisse 1, 2, 3, 4 ... genügen in der Regel den Bedingungsgleichungen nicht genau, vielmehr liefern sie nach
[420] die Beobachtungsergebnisse Σa, Σb, Σc, ... für die Sollbeträge, deren Abweichungen von den Sollbeträgen
die auszugleichenden Widersprüche bilden. Diese Widersprüche müssen durch die den Beobachtungsergebnissen 1, 2, 3, 4 ... beizufügenden Verbesserungen (1), (2), (3), (4) ... gehoben werden, aus welcher Forderung sich nach 1 und 3 die umgeformten Bedingungsgleichungen oder Verbesserungsgleichungen
ergeben, worin
ist.
Die Verbesserungen (1), (2), (3), (4), ... sind nun so zu bestimmen, daß sie erstens den umgeformten Bedingungsgleichungen 4. genügen und daß zweitens die mit Berücksichtigung der Gewichte p1, p2, p3, p4, ... der Beobachtungsergebnisse gebildete Quadratsumme der Verbesserungen
ein Minimum wird. Diese beiden Forderungen werden erfüllt, wenn die Verbesserungen nach den Korrelatengleichungen
mit den sich aus den Normal- oder Endgleichungen
ergebenden Zahlenwerten der Korrelaten ka, kb, kc, ... berechnet werden.
In den sehr oft vorkommenden Fällen, wo in einem Teil der umgeformten Bedingungsgleichungen 4. die Koeffizienten der Verbesserungen sämtlich + 1 sind, können die reduzierten Normal- oder Endgleichungen (s. 4.) direkt aus reduzierten Bedingungs- und Korrelatengleichungen gebildet werden [23], § 50.
Der mittlere Fehler der Gewichtseinheit ergibt sich aus der Quadratsumme [p(n)(n)] der Verbesserungen und der Anzahl r der Bedingungen, die gleich der Anzahl der überschüssigen Beobachtungen ist, nach
und die mittleren Fehler m1, m2, m3, m4, ... der unverbesserten Beobachtungsergebnisse 1, 2, 3, 4, ..., deren Gewichte p1, p2, p3, p4, ... sind, nach
Das Gewicht PL und der mittlere Fehler ML der verbesserten Werte der beobachteten Größen oder irgend einer Funktion
10. L = φ (I, II, III, IV, ...)
dieser Werte wird mit den Differentialquotienten ln = ∂φ/∂n und den sich aus den Uebertragungsgleichungen
ergebenden Zahlenwerten der Uebertragungskoeffizienten ra, rb, rc, ... nach
[421] und
sowie
erhalten.
7. Das Verfahren für vermittelnde Beobachtungen mit Bedingungsgleichungen oder bedingte vermittelnde Beobachtungen wird meistens bei der Berechnung von Hauptdreiecksnetzen angewendet, indem die Ausgleichungsrechnung so geführt wird, daß die auf den einzelnen Standpunkten beobachteten Winkel oder Richtungen als vermittelnde Beobachtungen behandelt und daß die endgültigen Werte der Winkel und Richtungen unter Berücksichtigung der sich aus dem Zusammenhang des ganzen Dreiecksnetzes ergebenden Bedingungen bestimmt werden. In diesen und ähnlichen andern Fällen ergeben sich dann nach dem Verfahren für vermittelnde Beobachtungen (s. 4.) die umgeformten Fehlergleichungen:
und nach dem Verfahren für bedingte Beobachtungen (s. 5.) die umgeformten Bedingungsgleichungen:
Wird dann nach den Gleichungen 1. die Quadratsumme gebildet und dieser die Summe der mit den Korrelaten 2 KA, 2 KB, ... multiplizierten Gleichungen 2. hinzugefügt, so ist
Hiermit ergeben sich nach den Regeln für Bestimmung eines Maximums oder Minimums diejenigen Werte von dx, dy, dz, ... wofür die Quadratsumme der wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler [pvv] ein Minimum wird, und welche gleichzeitig die Bedingungsgleichungen 2. erfüllen, aus den End- oder Normalgleichungen:
8. Die verschiedenen Ausgleichungsverfahren werden in großem Umfange angewendet bei der Ausgleichung der Fehler in Polygon- und Dreiecksnetzen.
Die Polygonnetzausgleichung findet statt, wenn zur Bestimmung der Neigungen und Koordinaten für die Knotenpunkte eines Polygonnetzes die Winkelsummen und die Summen der Koordinatenunterschiede der einzelnen Polygonzüge bestimmt oder wenn zur Bestimmung der Höhen der Hauptpunkte eines Höhennetzes die Höhenunterschiede zwischen den Hauptpunkten durch geometrisches, trigonometrisches oder barometrisches Nivellement ermittelt oder wenn zur Bestimmung der Richtungen von Strahlen die Winkel zwischen je zwei Strahlen oder überhaupt, wenn zur Bestimmung irgend welcher Größen die Unterschiede dieser Größen beobachtet worden sind und die beobachteten Größenunterschiede als Polygonzüge, die zu bestimmenden Größen als die Knotenpunkte des Polygonnetzes behandelt werden. Die Ausgleichung der Polygonnetze kann nach verschiedenartigen Näherungsmethoden oder nach der Methode der kleinsten Quadrate erfolgen, und sie läßt sich immer einfach gestalten, wenn in jedem Falle das zweckmäßigste Verfahren gewählt und dieses nach einfachen mechanischen Regeln durchgeführt wird [23] und [27].
Bei der Dreiecksnetzausgleichung müssen die Widersprüche ausgeglichen werden, die erstens bei den auf den einzelnen Stationen beobachteten Winkeln und Richtungen (Stationsausgleichung), zweitens bei den Winkelsummen in den einzelnen Dreiecken und Polygonen des Netzes (Winkelausgleichung) und drittens bei der Berechnung der Dreiecksseiten in den einzelnen je eine überschüssige Dreiecksseitenbestimmung enthaltenden Teilen des Dreiecksnetzes (Netz- oder Seitenausgleichung) hervortreten. Je nach der Wichtigkeit des Netzes wird die Ausgleichung nach Näherungsmethoden [27] und [28] oder nach der Methode der kleinsten Quadrate durchgeführt und werden ferner die Stations-, Winkel- und Seitenausgleichung voneinander getrennt oder nur die Stationsausgleichung für sich, die Winkel- und Seitenausgleichung aber gemeinschaftlich oder aber die gesamte Ausgleichung im Zusammenhang behandelt.
Wird nach der Methode der kleinsten Quadrate gerechnet, so können bei der Stationsausgleichung nach dem Verfahren für bedingte Beobachtungen (s. 6.) die den vorliegenden überschüssigen Beobachtungen entsprechenden Bedingungsgleichungen (Stationsgleichungen) aufgestellt und entweder für sich oder mit den sich ergebenden Winkel- und Seitengleichungen weiterbehandelt werden, oder es können aus den vorliegenden Beobachtungsergebnissen nach dem Verfahren für vermittelnde Beobachtungen (s. 4.) die wahrscheinlichsten Werte der Richtungen abgeleitet (einfaches, nach mechanischen Regeln geordnetes Verfahren hierfür s. [23], §§ 3234[422] § 32 nach Schreiber, Ueber die Anordnung von Horizontalwinkelbeobachtungen auf der Station, Zeitschr. für Vermessungswesen 1878) und diese entweder als unmittelbare Beobachtungsergebnisse in die weiteren Rechnungen eingeführt oder nach dem Verfahren für vermittelnde bedingte Beobachtungen (s. 7.) weiterbehandelt werden. Die Winkel- und Seitenausgleichung erfolgt nach dem Verfahren für vermittelnde Beobachtungen, indem die wahrscheinlichsten Werte der Koordinaten der trigonometrischen Punkte entweder für das ganze Netz gemeinschaftlich oder für einzelne Teile des Netzes getrennt aus den gegebenen Richtungen oder Winkeln abgeleitet werden [20], Bd. 1, § 15, oder nach dem Verfahren für bedingte Beobachtungen, indem die Winkelgleichungen für alle voneinander unabhängigen geschlossenen Dreiecke und Polygone und die Seitengleichungen für alle voneinander unabhängigen, eine überschüssige Seitenbestimmung enthaltenden Teile des Dreiecksnetzes (Zentralsysteme) aufgestellt, diesen noch die Bedingungsgleichungen für etwa vorhandene Anschlüsse an gegebene und unverändert beizubehaltende Dreiecksseiten hinzugefügt und alle Bedingungsgleichungen zusammen weiterbehandelt werden [19], [20].
Literatur: [1] Laplace, Traité de mécanique Céleste, tome second, an VII (1802), première partie, livre III, art. 40. [2] Legendre, in einem Anhang der »Nouvelles méthodes pour la détermination des orbites des comètes«, 6. März 1805. [3] Gauß, Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium, Libri II sectio III. [4] Ders., Disquisitio de elementis ellipticis Palladis ex oppositionibus annorum 1803, 1804, 1805, 1807, 1808, 1809, 25. Nov. 1810; Bestimmung der Genauigkeit der Beobachtungen, 1806; Theoria combinationis observationurn erroribus minimis obnoxiae, pars prior 1821, pars posterior 1823; Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf eine Aufgabe der praktischen Geometrie, 1822; Supplementum theoriae combinationis erroribus minimis obnoxiae, 1826. [5] Abhandlungen zur Methode der kleinsten Quadrate von Karl Friedr. Gauß, in deutscher Sprache herausgegeben von A. Börsch und P. Simon, Berlin 1887. [6] Laplace, Théorie analytique des probabilités, Paris 1809, 1812, 1820, 1847. [7] Encke, Ueber die Methode der kleinsten Quadrate, Anhang der Jahrg. 1834, 1835, 1836 des Berliner Autonom. Jahrb. [8] Bessel, Untersuchungen über die Bahn des Olbersschen Kometen, Abhandl. der Berliner Akademie der Wissenschaften, mathem. Klasse 181213, S. 119; Fundamenta astronomiae 1818, S. 1821; Untersuchungen über die Wahrscheinlichkeit der Beobachtungsfehler, Astronom. Nachr., Bd. 15, Nr. 358 und 359; Gradmessung in Ostpreußen von Bessel und Bayer, 1838. [9] Hagen, Grundzüge der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Berlin 1837, 1867, 1882. [10] Gerling, Die Ausgleichungsrechnungen der praktischen Geometrie oder die Methode der kleinsten Quadrate mit ihren Anwendungen für geodätische Aufgaben, Hamburg und Gotha 1843. [11] Zech, Einladung zur akadem. Feier des Geburtsfestes des Königs von Württemberg, nebst einer Abhandlung zur Methode der kleinsten Quadrate, Tübingen 1857. [12] Dienger, Die Ausgleichung der Beobachtungsfehler nach der Methode der kleinsten Quadratsummen, Braunschweig 1857. [13] Sawitsch, Die Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie auf die Berechnung der Beobachtungen und geodätischen Messungen oder die Methode der kleinsten Quadrate, Petersburg 1857, deutsch von Lais, Mitau 1863. [14] Airy, G.B., On the algebraical and the numerical theory of errors of observations and the combination of observations, Cambridge 1861. [15] v. Freeden, Die Praxis der Methode der kleinsten Quadrate, Braunschweig 1863. [16] Hänsen, Von der Methode der kleinsten Quadrate im allgemeinen und ihrer Anwendung auf die Geodäsie, Abhandl. der mathem.-physikal. Klasse der Kgl. Sächs. Gesellsch. der Wissensch., Bd. 8, 1868; Fortgesetzte geodät. Untersuchungen, bestehend in zehn Supplementen zur Abhandlung von der Methode der kleinsten Quadrate u.s.w. und Entwicklung eines neuen veränderten Verfahrens zur Ausgleichung eines Dreiecksnetzes u.s.w., ebend. Bd. 9, 1871. [17] Andrä, Dänische Gradmessung, Kopenhagen 1867 und 1872. [18] Helmert, Die Ausgleichungsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate mit Anwendungen auf die Geodäsie, Physik und Theorie der Meßinstrumente, Leipzig und Berlin 1907. [19] Jordan, Taschenb. der prakt. Geometrie, I. Teil, Stuttgart 1873, und Handb. der Vermessungskunde, Bd. 1, Stuttgart 1877, 1888, 1895, 1904. [20] Jordan und Steppes, Das deutsche Vermessungswesen, Stuttgart 1882 (übersichtliche Darstellung der Entwicklung der Dreiecksnetzausgleichung). [21] Vogler, Grundzüge der Ausgleichungsrechnung, Braunschweig 1883. [22] Koppe, Die Ausgleichungsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate in der prakt. Geometrie, Nordhausen 1885. [23] Roll, Die Theorie der Beobachtungsfehler und die Methode der kleinsten Quadrate mit ihrer Anwendung auf die Geodäsie und die Wassermessungen, Berlin 1893, 1901. [24] Czuber, Theorie der Beobachtungsfehler, Leipzig 1891. [25] Weinstein, Handb. der physikal. Meßbestimmungen, Bd. 1, Berlin 1886. [26] Herz, Wahrscheinlichkeits- und Ausgleichungsrechnung, Leipzig 1900. [27] Gauß, Die trigonometrischen und polygonometrischen Rechnungen in der Feldmeßkunst, Berlin 1876, Halle/S. 1893, 1906. [28] Franke, Dreiecksnetze vierter Ordnung, München 1871, und Technische Anleitung zu den trigon. Netz- und Koordinatenrechnungen, München 1889.
Otto Koll.
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