Bell-Lancastersche Methode

[545] Bell-Lancastersche Methode, die in England von Bell u. Lancaster (s. b.) gleichzeitig eingeführte Methode des Unterrichts, nach welcher die geschickteren Schüler die unwissenderen unter Oberaufsicht des Lehrers unterrichten. Die Einrichtung ist folgende: Nach ihren Fähigkeiten werden alle Schüler in Klassen u. diese wieder in kleinere Abtheilungen getheilt. Jeder Abtheilung steht ein. Schüler aus einer höheren Abtheilung als Aufseher. u. Gehülfe (Monitor) vor; diesen sind wieder die Hauptmonitoren, die Aufseher einer ganzen Klasse, diesen endlich der Obermonitor, einer der besten Schüler, vorgesetzt, welcher. unmittelbar unter dem Lehrer steht. Der Lehrer ordnet an, die Monitoren führen aus u. erstatten Bericht. Die Methode hat das Gute, daß Viele zugleich unterrichte u. die Zöglinge zu einer strengen Ordnung gewöhnt werden. Dagegen paßt sie für höhere Lehrgegenstände, die nicht mechanisch betrieben werde können, gar nicht u. macht den Menschen zur Maschine. Die Lehrmittel (bes. Wandtafeln), die Belohnungen[545] u. Bestrafungen (Ehrenbillets, Verdienstorden, Schandzettel, Pranger) gehören nicht zum Wesen der Methode, in welche sie nur zufällig aufgenommen worden sind. In den Ländern, wo es an guten Lehrern fehlt, ist die B.-L. M. sehr verbreitet, bes. in England, Asien u. Amerika. In Deutschland fand diese Methode wegen ihres geistlosen Mechanismus wenig Eingang. In neuerer Zeit ist dieselbe sehr ausgebildet u. mannigfach modificirt, unter dem Namen des gegenseitigen od. wechselseitigen Unterrichts namentlich in Dänemark, Rußland, Schweden, Frankreich (Ecoles mutuelles), Spanien u. m. a. Ländern eingeführt worden. Der Lehrer unterrichtet dabei überall selbst, leitet die Schüler in jedem Unterrichtszweige von einer Stufe zur anderen u. läßt nur die nöthigen Übungen des Erlernten, das Wiederholen unter Leitung von älteren, geschickteren Schülern vornehmen. Dies geschieht daher auch nur in den unteren u. mittleren Klassen, in den oberen thut der Lehrer Alles allein. Diese modificirte Unterrichtsmethode wurde durch Zerrenner in einigen preußischen Schulen eingeführt. Die Methode des gegenseitigen Unterrichts stammt aus Ostindien, wo Reisende sie schon im 17. Jahrh. fanden, u. woher sie auch Bell (s.d. 8) nach England brachte; auch vor der Mitte des 18. Jahrh. war sie schon in Frankreich bekannt u. angewandt; Lancaster kam unabhängig von Bell zu der Anwendung derselben. Vgl. Natorp, Lancaster einziger Schulmeister unter 1000 Kindern, Duisb. 1808; Tilgenkamp, Bells Schulmethode, aus dem Englischen, ebd. 1808; The british system of education, Lond. 1810; Hamel, Der gegenseitige Unterricht, 1818; Harnisch, Darstellung u. Beurtheilung des B. u. L. Schulwesens, Bresl. 1819.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 545-546.
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