[482] Moniersche Bauweise ist die Vorläuferin der heute unter der allgemeinen Bezeichnung Eisenbeton gebräuchlichen Bauweise und besteht darin, daß verhältnismäßig dünne Rundeisenstäbe so in den Betonkörper eingebettet werden, daß sie die von Zug oder Biegung herrührenden Zugspannungen aufnehmen können. Die Druckspannungen werden vom Beton allein aufgenommen.
Wenn sich auch die Moniersche Bauweise im Prinzip nicht von dem heutigen Eisenbetonbau unterscheidet, so versteht man darunter doch die ganz speziellen Ausbildungen und Anwendungen, welche diese Bauweise von den die Monierpatente verwertenden Firmen gefunden hat. Die Erfindung des Eisenbetons wird gewöhnlich Joseph Monier zugeschrieben, der sein erstes Patent auf dieses Verfahren im Jahre 1867 nahm. Es sind indessen schon frühere Anwendungen von Hyatt und F. Coignet bekanntgeworden, aber Monier widmete sich seiner Erfindung mit Ausdauer und Erfolg. Er beschränkte sich aber fast nur auf die Herstellung von Gefäßen und Röhren. Erst nachdem durch G.A. Wayß und andre deutsche und österreichische Ingenieure das statische Zusammenwirken der beiden Materialien Beton und Eisen richtig erkannt wurde, war es möglich, die Bauweise auf die verschiedensten Konstruktionsteile des Hoch- und Tiefbaues auszudehnen. Besonders fördernd waren die von Wayß im Jahre 1886 angestellten Versuche, auf Grund deren von v. Könen die erste wissenschaftliche Begründung des Eisenbetons aufgestellt wurde. Hierdurch war es auch möglich geworden, die bis dahin nur empirisch behandelten Konstruktionen in rationeller und sicherer Weise zu entwerfen. Die Anwendungen, welche die Moniersche Bauweise während der Dauer ihrer Patente gefunden hat, sind sehr zahlreich und erstrecken sich auf ebene Deckenplatten zwischen oder über eisernen Trägern, auf Moniergewölbe zwischen I Balken in Hochbauten oder unter den Fahrbahnen eiserner Brücken, auf Monierwände, die auch als Stützen dienen, auf Wasserbehälter und alle Arten von Gefäßen in technischen und landwirtschaftlichen Betrieben, auf Röhren mit äußerem und innerem Druck, auf Treppenkonstruktionen, auf Silos, Tresoranlagen, feuersichere Ummantelung eiserner Stützen und Träger, wasserdichte Kellerauskleidungen u.s.w. Ihre großartigste Anwendung fand sie aber in den Brückengewölben bis zu großen Spannweiten. Wenn man alle diese Anwendungen mit den heutigen Eisenbetonkonstruktionen vergleicht, so ergibt sich als charakteristischer Unterschied das Fehlen des Eisenbetonbalkens, der als Tragrippe mit der darüber befindlichen Platte ein statisch wirksames ⊺-Profil bildet, und das Fehlen der Eisenbetonsäule. Wohl sind vereinzelte Balken auch von den Monierfirmen ausgeführt worden, aber ihre allgemeine Verbreitung datiert erst, seit sie von Hennebique angewendet wurden. Die Monierschen Patentzeichnungen zeigen zwar schon die heute gebräuchlichen Konstruktionselemente der geraden und abgebogenen Stangen oder Bügel sowie die Balkenrippen unter der Platte, wenn auch noch nicht in zielbewußter Form (Fig. 1), aber trotzdem scheinen sich die Monierkonstruktionen auf die Verwendung der ebenen Platte und des Gewölbes beschränkt zu haben. Der Grund dafür liegt vielleicht darin, daß die wenigen Firmen durch den Patentschutz nicht veranlaßt waren, das ohnehin schon große Anwendungsgebiet noch mehr zu erweitern; auch die wissenschaftliche Erkenntnis des Eisenbetons war noch nicht genügend fortgeschritten, um die Ausführung von Balkenrippen, bei denen die Schubfestigkeit und Adhäsion aufs äußerste ausgenutzt werden, als ratsam erscheinen zu lassen.
Demgemäß ist auch die Form und Anordnung der Eiseneinlagen im eigentlichen Moniersystem sehr einfach geblieben. Die Armierung besteht aus zwei sich kreuzenden Lagen von Eisenstäben (Fig. 2), die an der Kreuzungsstelle durch Binddraht miteinander verbunden werden. Je nach den Beanspruchungsverhältnissen wird die eine Eiseneinlage schwächer und mit größeren Abständen ausgeführt als die andre. Dies ist namentlich bei den ebenen Monierdecken der Fall, wo die »Tragstäbe«, welche statisch allein nötig sind, stärker sind als die senkrecht dazu laufenden »Verteilungsstäbe«, denen nur noch die Rolle zufällt, konzentrierte Lasten auf eine größere Plattenbreite zu verteilen. Bei den Gefäßen und Behältern hat man aber mit Rücksicht auf den Flüssigkeitsdruck eine konstante Maschenweite des Geflechts beibehalten und gibt dann dem mehr beanspruchten Eisen größeren Durchmesser. Die kontinuierlich über Träger durchlaufende[482] Deckenplatte zeigt schon eine dem Verlauf der Momente angepaßte Anordnung von abgebogenen Eisenstäben, indem über den Trägern die Eisenstäbe nahe an die Deckenoberkante gebogen sind (Fig. 3). Die Eiseneinlagen bei den Moniergewölben sind verschieden, je nach Größe und Belastungsweise des Gewölbes. Bei kleinen Gewölben mit ruhender Last genügt ein Geflecht nahe der unteren Laibung (Fig. 4), das bei größeren Abmessungen durch Eiseneinlagen in der Nähe des Rückens verstärkt werden kann. Handelt es sich um stark veränderliche Belastung und größere Spannweiten wie bei Brückengewölben, so werden die Eisen in gleicher Weise am Rücken und an der Laibung ganz durchgeführt. Die stärkeren Tragstäbe laufen dann senkrecht zu den Mantellinien, während die schwächeren Verteilungsstäbe den letzteren parallel sind. Die oberen und unteren Eiseneinlagen werden in gewissen Abständen durch Drahtbügel miteinander verbunden. In den Monierröhren besteht die Eiseneinlage aus spiralförmig verlaufenden Drähten, deren Stärke und Ganghöhe sich nach dem auszuhaltenden Druck richtet. In der Längsrichtung sind dann noch Verteilungsstäbe vorhanden.
Mit Rücksicht auf den jetzigen Stand des Eisenbetonbaus, wo die monolithischen Konstruktionen bevorzugt werden, d.h. wo Deckenträger und Säulen aus Eisenbeton kontinuierlich und starr miteinander verbunden sind, und im Hinblick auf die Entwicklung seiner Theorie muß heute die Bezeichnung Moniersche Bauweise als historischer Begriff aufgefaßt werden. Viele Aufgaben sind aber von ihr in so musterhafter Weise gelöst worden, daß sie heute noch nicht übertroffen sind. Hierher gehören die heute noch gebräuchlichen Armierungen der Gewölbe bei Brücken und im Hochbau, die Herstellung der verschiedensten Gefäße und Behälter, der Röhren, der feuersicheren Ummantelung von eisernen Säulen und Trägern, der Kellerdichtungen und ähnlicher Konstruktionen.
Literatur: [1] Wayß, G.A., Das System Monier, Berlin 1887. [2] Handbuch der Architektur, 3. Teil, Bd. 2, Heft 1, Darmstadt 1891, S. 330. [3] Gesundheitsingenieur 1889, S. 76. [4] Deutsche Bauztg. 1888, S. 158 und 549. [5] Building news, Bd. 45, S. 263. [6] American arch., Bd. 26, S. 117. [7] Rehbein, Ausgewählte Monier- und Betonbauwerke, Berlin 1894. [8] Christophe, Der Eisenbeton und seine Anwendung im Bauwesen, Berlin 1905.
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