Schokoladefabrikation

[773] Schokoladefabrikation. Die Schokoladenindustrie umfaßt die Verarbeitung der Kakaobohnen in zwei Hauptprodukte, nämlich Schokolade und Kakaopulver. Während dieses außer geringen Mengen von Alkalien und eventuell Gewürzen als Rohmaterial ausschließlich Kakaobohnen erfordert, kommen bei Herstellung von Schokolade neben Kakao große Mengen von Zucker zur Verwendung. Zu diesen beiden hauptsächlichen Rohmaterialien treten noch Gewürze (namentlich Vanille und Vanillin), ferner Nähr- und Geschmackstoffe wie Milch, Mandeln, Nüsse u.s.w. Für medizinische Zwecke erfolgen sowohl bei Schokolade wie bei Kakaopulver allerlei Zusätze von Medikamenten, Nährsalzen und diätetischen Stoffen. Derartige Zusätze müssen deklariert werden.

Nach den auch von den deutschen Nahrungsmittelchemikern anerkannten Bestimmungen des Verbands deutscher Schokoladefabrikanten, der sich um die Reinheitsbestrebungen in der Kakaoindustrie wesentliche Verdienste erworben hat, ist Kakaopulver (entölter, auch löslicher, aufgeschlossener Kakao) ein Produkt aus gerodeten, entschälten, mehr oder minder entölten bezw. auch aufgeschlossenen Kakaobohnen in Pulverform. Außer Würzstoffen darf Kakao keinerlei fremde Beimengungen enthalten. Alkalien dürfen bei der Zubereitung nicht mehr als 3% zugesetzt werden. Die Bezeichnung Schokolade darf nur Fabrikaten gegeben werden, die aus gerottetem und entschältem Kakao und Zucker mit oder ohne Zusatz von Kakaobutter, Vanille, Vanillin, Zimt, Nelken und andern Gewürzen hergestellt sind. Der Gehalt an Zucker darf in Schokolade nicht mehr als 70% betragen. Die Schokoladenindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten außerordentlich entwickelt. Nach dem Verbrauch von Rohkakao steht Deutschland an zweiter Stelle und wird nur von den Vereinigten Staaten um wenig übertroffen. An dritter Stelle befindet sich Frankreich. Die Einfuhr von Rohkakao nach Deutschland betrug 1880 2200000 kg (Wert 3000000 ℳ.); 1907 35000000 kg (Wert über 50000000 ℳ.). Im gleichen Jahre führten ein: Vereinigte Staaten 38000000 kg, Frankreich 23000000 kg bei einem Weltverbrauch von 155000000 kg. (Produktion der deutschen Kolonien im Jahre 1907 2000000 kg.)

Hand in Hand mit diesem Aufschwung der ganzen Industrie geht auch die Verfeinerung der Fabrikationstechnik, so daß die moderne Schokoladefabrikation eine große Zahl von Hilfsmaschinen erfordert. Zuerst werden die rohen Kakaobohnen in Siebmaschinen von Staub und Grus gereinigt. Aus einem zylindrischen Sieb fällt der Kakao auf ein laufendes Band, auf dem etwa vorhandene Fremdkörper von Hand ausgelesen werden. Teilweise wird der Kakao auch gleichzeitig mechanisch nach verschiedener Größe sortiert. Der folgende Röstprozeß bewirkt bessere Entwicklung des spezifischen Kakaoaromas und Aufschließung und Veränderung der in den Bohnen vorhandenen Kohlehydrate. Außerdem wird beim Rösten die Bohne brüchig und spröde, so daß sich die Schale leichter vom Kern ablöst als bei der Rohbohne. Während früher die Röstung in Blechtrommeln oder -kugeln erfolgte, die von außen direkt beheizt waren, sind die neueren Röster derartig eingerichtet, daß ein heißer Luftstrom oder die mit Luft vermengten heißen Feuergase selbst durch den in rotierenden Behältern befindlichen Kakao hindurchgeführt[773] werden. Dadurch wird vermieden, daß der Kakao sich ungleichmäßig erhitzt oder an überhitzten Außenwänden verbrennt, auch werden zugleich mit dem heißen Luftstrom die beim Rösten sich entwickelnden brenzlichen Gase rasch abgeführt. Die Röstkugel enthält eine Mischvorrichtung und besondere Vorkehrungen zur fortlaufenden Kontrolle des Röstprozesses. Die heißen Bohnen werden auf ein unterhalb befindliches Kühlsieb entleert und mittels durchgesaugter Luft gekühlt. Die Temperatur beim Rösten beträgt ca. 150° C. Die erkalteten Bohnen kommen auf die Brech- und Reinigungsmaschine, die sie zwischen zwei weitgestellten Walzen grob zerkleinert. Der gebrochene Kakao wird durch Siebzylinder nach Größe sortiert, während gleichzeitig ein Luftstrom die leichteren Schalen fortführt. In untergestellten Karren wird der Kakao aufgefangen. Zur Entfernung der harten, länglich geformten Keime führt man ihn noch über besonders konstruierte Siebe.

Den so gerösteten und gereinigten Kakao läßt man auf Kakaomühlen zwischen horizontal sich drehenden, erwärmten Steinplatten bei 40–50° C. mahlen, damit die folgende Vermischung mit Zucker rascher vor sich geht. Bei dieser Temperatur wird die Masse infolge ihres hohen Fettgehalts (durchschnittlich enthält Kakao ca. 55% Fett, die sogenannte »Kakaobutter«, mit einem Schmelzpunkt von 35° C.) flüssig. Ursprünglich dienten hierzu einfache Mühlen mit einem Steinpaar. Allmählich ist man aber zu kombinierten Mühlen mit drei und vier übereinander angeordneten Mahlsteinen übergegangen, um immer größere Feinheit zu erzielen. Der Kakao wird in der Achse des obersten Steins eingeschüttet und läuft dann nacheinander über alle folgenden Mühlen. Am untersten Ablauf wird das fertige Produkt, die »Kakaomasse« abgenommen. Die noch warmflüssige Kakaomasse, die meist aus einem Gemisch verschiedener Kakaosorten besteht, kommt in den »Melangeur«, wo sie mit dem nötigen Quantum feingemahlenen Zuckers gemischt wird. Eventuell werden hier auch die Zusatzstoffe wie Gewürze, Kakaobutter u.s.w. beigegeben. Zusatz von Kakaobutter erfolgt dann, wenn die Masse als »Speiseschokolade« einen weichen Charakter bekommen soll oder wenn sie als »Couverture« (»Ueberzugsmasse«) für Konditoreizwecke zum Ueberziehen von Zuckerkörpern wie Pralinen oder ähnlichem Verwendung findet und daher beim Wiederaufwärmen dünnflüssig werden soll. Der Melangeur ist ein heizbarer Kollergang mit rotierendem Boden und zwei feststehenden Läufersteinen, die zum Aufheben eingerichtet sind. An Stelle dieser Maschine sind teilweise auch Misch- und Knetmaschinen im Gebrauch.

Im Melangeur läuft die Masse, bis sie gleichmäßig durchmischt ist. Da sich im Melangeur genügende Feinheit und innigste Verbindung von Kakao und Zucker nicht erzielen lassen, wird nun diese Rohschokolade auf Walzwerken weiterbearbeitet, in denen die Masse zwischen verschieden schnell rotierenden Walzen geschliffen und zerrieben wird. Meist besteht das Material dieser Walzen aus Granit, doch sind auch solche aus Porzellan und Stahl im Gebrauch. Anfänglich enthielten die Walzwerke drei horizontal gelagerte Walzen; die fortschreitende Verfeinerung der Fabrikate führte jedoch dazu, mehrere solcher Walzwerke übereinander zu stellen, bei denen man die Schokolade oben aufbringt. Nach Passieren der ersten drei Walzen wird die Schokolade durch ein Messer mechanisch abgestrichen und fällt von selbst auf die zweite Walzenlage herab u.s.f. und passiert so allmählich sämtliche Walzen. Neuerdings baut man Maschinen, bei denen die Walzen senkrecht übereinander liegen und die Masse von unten nach oben geschafft wird. Geringe Qualitäten Schokolade werden weniger oft, seine Sorten häufiger gewalzt. Ehe nun die Schokolade weiterverarbeitet wird, läßt man sie im allgemeinen längere Zeit in warmen Räumen durchlagern (40–50° C.), wobei sie erfahrungsgemäß an Wohlgeschmack gewinnt. Qualitäten, welche die höchste Feinheit erlangen sollen, läßt man noch einige Tage in der sogenannten Längsreibemaschine (Conche) bearbeiten. Diese Maschine enthält mehrere längliche Steintröge, die leicht erwärmt werden und in denen je ein Läuferstein von Granit sich langsam gleitend hin und her bewegt. Durch diese Behandlung erhält die Schokolade den schmelzenden und abgerundeten Geschmack, der bei Speiseschokoladen besonders beliebt ist. Die Reihenfolge der geschilderten Prozesse erfährt in einzelnen Fabriken auch Aenderungen; ihre Dauer ist sehr verschieden. Ebenso gibt es Betriebe, welche die gerösteten und gereinigten Bohnen nicht in der Mühle mahlen, sondern direkt im Melangeur mit Zucker vermengen.

Die fertig gearbeitete Schokolade wird nochmals im Melangeur bei 30–35° C. durchgeschafft und geht durch »Entluftungsmaschinen«, wo sie mittels einer Schnecke durch Düsen gepreßt und so die in der zähen Masse enthaltenen Luftbläschen entfernt werden. Durch Teilmaschinen erfolgt hierauf eine gleichmäßige Abmessung in kleinere Stücke, die in Blechformen verbracht und auf den »Klopftischen« einer rüttelnden und stoßenden Bewegung ausgesetzt werden. Die Schokolade schmiegt sich dabei aufs engste der Form an, erhält eine glatte Außenseite, und etwa vorhandene Luft wird vollends ausgetrieben. Sehr zweckmäßig ist eine von Rich. Gäbel-Dresden konstruierte Maschine, in der die Schokolade automatisch nacheinander entlüftet, geteilt, in Formen gefüllt und geklopft wird. Von einem hochliegenden Behälter aus wird die Masse durch eine Schnecke in einen Teilapparat gepreßt, der nach entsprechender Einstellung die gewünschte Menge abteilt und sie in länglichen Streifen in untergelegte Formen ablegt. Diese Formen liegen auf einem Laufband, das sie zu dem nebenanstehenden langgestreckten Klopftisch befördert. Letzterer enthält drei Bahnen nebeneinander, auf denen die Formen selbsttätig rüttelnd vorwärts bewegt werden. Der Uebergang von einer Bahn zur andern erfolgt durch kleine Drehscheiben. Am Ende werden die Formen von Hand abgenommen und in Kühlräume verbracht, wo die Schokolade in kurzem erhärtet. Nach dem Erkalten geht die Schokolade leicht aus der Form und ist nun fertig zum Etikettieren und Verpacken. Durch genaues Einhalten der geeigneten Temperatur beim Einfüllen in die Form und rasche Kühlung erhält die Schokolade den erforderlichen harten und glatten »Bruch«.

Die Qualität einer Schokolade ist im allgemeinen abhängig von der Wahl der Kakaosorten, der richtigen Einhaltung der Fabrikationsbedingungen, dem Verhältnis von Kakao und Zucker,[774] und der Feinheit in der Bearbeitung. Als Verfälschungen kommen in Betracht: fremde Fette, Kakaoschalen und -abfälle, Mehl ohne Deklaration, Färbung und Zusatz von Fettsparern wie Tragant, Dextrin u.s.w.

Bei der Herstellung des Kakaopulvers erfährt die gerottete und gereinigte Kakaobohne nach der sogenannten holländischen Methode, die heute wohl in den meisten Fabriken angewandt wird, vor der Entölung eine Behandlung mit Alkalien. Meistens ist hierzu das kohlensaure Kali (Pottasche) im Gebrauch. Dabei wird entweder der gerottete Kakao vor dem Mahlen mit der in Wasser gelösten Pottasche in Mischapparaten getränkt und zur Entfernung des Wassers nochmals leicht nachgeröstet, sodann gemahlen und gepreßt, oder die gemahlene Kakaomasse wird mit der Pottaschelösung in Mischmaschinen »präpariert« und das Wasser durch Wärme und Bewegung der Masse wieder entfernt. Durch das Präparieren soll die Cellulose im Kakao aufgeschlossen und ihm dadurch eine größere Suspensionsfähigkeit (»Löslichkeit«) im Wasser verstehen werden. Die folgende Entölung wird in erwärmten hydraulischen Pressen bewerkstelligt. Dadurch wird ermöglicht, daß sich der Kakao nachher in Pulverform bringen läßt, was bei seinem ursprünglichen hohen Fettgehalt nicht möglich ist. Die teilweise Entölung und der Zusatz des Alkali bewirken auch gleichzeitig eine Erhöhung der Verdaulichkeit. Die beim Abpressen abfließende Kakaobutter ist ein sehr wertvolles Nebenprodukt, das als Zusatz zu gewissen Schokoladen gute Verwendung findet. Kleinere Mengen dienen zu kosmetischen und pharmazeutischen Präparaten. Früher wurde der Kakao allgemein nur so weit entfettet, daß das Endprodukt 25 bis 30% Fett enthielt; heute wird vielfach auf 15–20% entölt. Die Kakaopreßkuchen werden sodann in Brechmaschinen zerkleinert, zu Pulver gemahlen und dieses geliebt.

Die Abbildungen der zur Schokoladefabrikation nötigen Maschinen finden sich in den Katalogen von J.M. Lehmann, Dresden, Hermann Bauermeister, Altona-Ottensen, u.a. Röstapparate bauen G.W. Barth, Ludwigsburg, u.a., worauf wir verweisen.


Literatur: Mitscherlich, Alfred, Der Kakao und die Schokolade, Berlin 1859; Zipperer, Paul, Die Schokoladenindustrie, 2. Aufl., Berlin 1901; Gordian, Adolf, Die deutsche Schokoladen- und Zuckerwarenindustrie, Hamburg 1895; Stollwerck, Walter, Der Kakao und die Schokoladenindustrie, Jena 1907; Saldau, Die Schokoladefabrikation, 2. Aufl., Wien 1907; »Gordian«, Zeitschr. für die Kakao-, Schokoladen- und Zuckerwarenindustrie, Hamburg; Mitteilungen des Verbandes deutscher Schokoladefabrikanten, Dresden.

L. Sproesser.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 773-775.
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