Chlorāl

[77] Chlorāl (Trichloracetaldehyd) C2HCl3O oder CCl3.COH, das Endprodukt der Einwirkung von Chlor auf absoluten Alkohol, wird dargestellt, indem man trocknes Chlor anhaltend in Alkohol (96–97° Tr.) leitet, das Produkt mit konzentrierter Schwefelsäure erwärmt, wobei noch viel Salzsäure entweicht, destilliert, entsäuert und rektifiziert. C. wird auch elektrolytisch dargestellt, indem man an der Anode aus einer Chlorkaliumlösung entwickeltes Chlor auf Alkohol wirken läßt. Die entwickelte Salzsäure neutralisiert das an der Kathode gebildete Kalihydrat. C. bildet eine farblose, ölartige Flüssigkeit, riecht und schmeckt scharf, spez. Gew. 1,541 bei 0°, siedet bei 97°, mischt sich mit Alkohol und Äther, ist auch in Wasser leicht löslich, verhält sich im allgemeinen wie ein Aldehyd und gibt bei Oxydation Trichloressigsäure, mit Alkalien Chloroform und ameisensaures Alkali. Bei längerer Aufbewahrung verwandelt sich C. in isomeres porzellanartiges Metachloral, das in kaltem Wasser, in Alkohol und Äther unlöslich ist und beim Erhitzen auf 200° wieder in gewöhnliches C. übergeht. Mit 0,1 seines Gewichts Wasser verbindet sich C. zu Chloralhydrat CCl3.CH (OH)2. Dies bildet, aus Benzol umkristallisiert, farblose, luftbeständige Kristalle, riecht schwach aromatisch, in der Wärme etwas stechend und schmeckt bitterlich scharf kratzend. Es ist leicht löslich in Wasser, Alkohol und Äther, schmilzt bei 57°, erstarrt bei 15° und destilliert unter Zerfall in C. und Wasser bei 96–98°. Es muß vor Licht geschützt aufbewahrt werden. Chloralhydrat wirkt in kleinen Dosen ähnlich wie Morphium, größere (1–3 g bei Erwachsenen) erzeugen oft schon nach wenigen Minuten einen tiefen Schlaf, aus dem man nach 2–6 Stunden leicht und ohne Beschwerden erwacht. Dabei treten keine übeln Nachwirkungen ein, und man kann das C. längere Zeit gebrauchen, ohne an Empfänglichkeit für dasselbe einzubüßen. Bisweilen treten nach dem Gebrauch Hautausschläge auf, die mit dem Aussetzen des Mittels verschwinden. Man benutzt C. bei Unruhe und Schlaflosigkeit, auch bei den verschiedenen Krampfformen, besonders den allgemeinen, auf unmittelbarer Störung der Nervenzentren beruhenden. Die fünf- bis sechsfach tödliche Strychnindosis läßt sich bei Darreichung von C. überwinden, während umgekehrt Strychnin bei Chloralvergiftung wirkungslos ist. Es setzt die Energie des Herzens herab und erzeugt Schlaffheit der Arterien und Absinken des Blutdruckes. Auf der Haut erzeugt es Blasen wie Spanische Fliegen. Vielfach war C. Gegenstand des Mißbrauchs (zu Schlummerpunsch etc.). Unmäßiger Chloralgenuß erzeugt chronische Vergiftung (Chloralismus) mit Verdauungsstörungen, Hautaffektionen, Atemnot, Neuralgien, peripherischen Lähmungen und zunehmender Körper- u. Geistesschwäche. Sehr starke Dosen töten durch Lähmung des Herzens und des Atmungszentrums. C. wird als Urochloralsäure durch den Harn ausgeschieden, und seine Wirkung auf den Organismus scheint nicht auf Chloroformbildung zu beruhen. In der Technik benutzt man es zur Darstellung von Chloroform und zur Konservierung von Eiweiß und Eigelb. C. wurde 1832 von Liebig zuerst dargestellt, und 1869 entdeckte Liebreich seine schlafbringende Wirkung. Vgl. Liebreich, Das Chloralhydrat (3. Aufl., Berl. 1871).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 77.
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