Deutsche Reichskleinodien

[732] Deutsche Reichskleinodien (Reichsinsignien, hierzu die gleichnamige Tafel), im alten deutschen Reiche die Schmuckstücke, die der Kaiser oder König bei Krönungen und andern festlichen Gelegenheiten als äußere Zeichen der Herrschergewalt anzulegen pflegte. Bei den mannigfachen Schicksalen, denen die Reichsinsignien ausgesetzt waren, ist manches verloren gegangen, doch der größte Teil und die wichtigsten Stücke sind noch vorhanden; es sind dies: 1) die deutsche Königskrone, Silber vergoldet (Fig. 1), wahrscheinlich von König Richard von Cornwallis stammend; 2) die goldene Kaiserkrone (Fig. 2), das älteste und kostbarste Stück, aus dem 10. Jahrh., der Bügel stammt von Konrad II., das Gewicht beträgt 3,5 kg; 3) das Kaiserzepter, Silber vergoldet (Fig. 6); 4) der goldene Reichsapfel (Fig. 3); 5) das Schwert des heil. Mauritius (Fig. 8); 6) das goldene Kaiserschwert (das sogen. Schwert Karls d. Gr., Fig. 7), 7) der Krönungsmantel (Fig. 4, s. unten); 8) die Alba (Oberkleid); 9) die purpurne Tunicella (Untergewand); 10) die Dalmatica mit den Adlern; 11) die Stola; 12) zwei Gürtel; 13) die Krönungshandschuhe (Fig. 9 u. 10); 14) die Krönungsschuhe (Fig. 11 u. 12); 15) die purpurseidenen, goldgestickten Strümpfe; 16) der sog. Säbel Karls d. Gr., eine altorientalische Arbeit; 17) das Evangelienbuch Karls d. Gr.; 18) ein Reliquienkasten. Sämtliche Gegenstände, ausgenommen die deutsche Königskrone, befinden sich seit 1796 in der k. k. Schatzkammer zu Wien (bis dahin seit 1424 in Nürnberg), die deutsche Königskrone aber von alters her im Domschatze zu Aachen und außerdem noch: 19) das Königszepter und 20) eine Kaiserdalmatica, die sogen. Dalmatica Leos 111. Der Krönungsmantel wurde, wie eine altarabische Inschrift am Rande besagt, im Jahre der Hedschra 528 (1133 n. Chr.) in der »glücklichen Stadt Palermo« für den Normannenkönig [732] Roger I. gefertigt und wahrscheinlich von Friedrich II., nachdem bei der Erstürmung von Vittoria ein Teil der Reichskleinodien verloren gegangen, aus der Normannenbeute Heinrichs VI. genommen und dem Kronschatz einverleibt. Die Strümpfe und Sandalen sind gleichen Ursprungs. Die übrigen Gegenstände entstammen dem 12.–14. Jahrh. Im Mittelalter pflegten die deutschen Herrscher dreimal gekrönt zu werden und zwar gleich nach der Wahl in der Krönungskirche zu Aachen als deutsche Könige mit der deutschen Königskrone, dann in Mailand oder Monza als Könige der Langobarden mit der Eisernen Krone (s.d., corona ferrea) und endlich in Rom über dem Grabe St. Petri als römische Kaiser mit der Kaiserkrone. Dem deutschen Volke gegenüber war und blieb der in Rom gekrönte Herrscher nur ein König; gegenüber der Welt aber wurde er während des Mittelalters, durch die päpstliche Krönung, römischer, nicht aber deutscher Kaiser. Vgl. Bock, Die Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (Wien 1864, mit 48 Tafeln) und dessen ausführliche Beschreibung der deutschen Kaiserkrone in den »Mitteilungen der k. k. Zentralkommission«, 1869, S. 41–50; Frensdorff, Zur Geschichte der deutschen Reichsinsignien (in den »Nachrichten der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften«, 1897, S. 43ff.). – Über die Insignien des neuen Deutschen Reiches vgl. Deutschland, S. 799.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 732-733.
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