[547] Eisenbahnverkehrsordnung ist die Zusammenfassung von Bestimmungen über die Beförderung von Personen und Sachen mit der Eisenbahn, insbes. über die hieraus entstehenden Rechte und Pflichten zwischen den Eisenbahnen und den sie benutzenden Personen. Diese Bestimmungen sollen in erster Linie die für die Rechtsgeschäfte der Eisenbahnen mit dem Publikum maßgebenden allgemeinen Rechtsnormen den besondern Verhältnissen des Eisenbahntransports entsprechend ergänzen. Mit der Entwickelung des Eisenbahnnetzes trat bald das Bedürfnis hervor, für möglichst große Verkehrsgebiete einheitliche Beförderungsbedingungen zu schaffen, und es ging insbes. der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen (s. Eisenbahnverein) durch Schaffung der Vereinsreglements von 1847, bez. 1850 und von 1865 (nach Einführung eines gemeinsamen Handelsgesetzbuchs in den meisten deutschen und den österreichischen Staaten) in jener Richtung vor. Diese Reglements haben die Grund lage für das Betriebsreglement für die Eisenbahnen des Norddeutschen Bundes von 1870 und das Betriebsreglement für die Eisenbahnen Deutschlands abgegeben, das 1872 auf Grund des Art. 45 der Reichsverfassung durch den deutschen Bundesrat beschlossen wurde. In Bayern, das nach der Reichsverfassung eine Sonderstellung in Eisenbahnsachen einnimmt, wurde dieses Betriebsreglement zu gleicher Zeit besonders eingeführt. Nachdem es im Laufe der Zeit mehrfache Abänderungen erfahren und 1874 neu redigiert worden war, hat das Berner internationale Übereinkommen über den Frachtverkehr (s. Eisenbahnfrachtrecht) eine Umarbeitung veranlaßt, als deren Ergebnis 1. Jan. 1893 die Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands vom 15. Nov. 1892 an Stelle des bisherigen Betriebsreglements eingeführt wurde. Eine erneute Änderung wurde dadurch erforderlich, daß die vom »Frachtgeschäft« und der »Beförderung von Gütern und Personen auf den Eisenbahnen« handelnden Abschnitte des am 1. Jan. 1900 in Kraft getretenen Handelsgesetzbuches eine Reihe von Bestimmungen enthalten, welche die entsprechenden Vorschriften des frühern Handelsgesetzbuches abändern. Ferner galt es, die Änderungen, die das Berner internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr durch das am 16. Juni 1898 zu Paris abgeschlossene Zusatzübereinkommen erfahren hatte, und die z. T. bereits in das neue Handelsgesetzbuch übergegangen waren, auch in der E. nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Die am 26. Okt. 1899 vom Bundesrat beschlossene und 1. Jan. 1900 in Kraft getretene neue E. enthält außer den hierdurch bedingten Änderungen auch einige sonstige Neuerungen, die sich in den letzten Jahren als wünschenswert herausgestellt haben. Gemäß § 453 ff. des neuen Handelsgesetzbuches hat die neue E. im wesentlichen Unterschiede von der bisherigen den Charakter einer mit Gesetzeskraft ausgestatteten Ausführungsverordnung. Sie schafft also objektives Recht. Auf Kleinbahnen und die nicht dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahnen findet die neue E. keine Anwendung. Neben der E. besteht das im wesentlichen damit übereinstimmende, 1876, 1885, 1892 und 10. Okt. 1901 neu herausgegebene Betriebsreglement des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen, ergänzt durch ein Übereinkommen vom gleichen Tage. Die Gültigkeit dieses Reglements erstreckt sich auf diejenigen Frachtverträge, bei denen eine Beförderung aus dem Gebiet einer dem Verein angehörenden Eisenbahnverwaltung in dasjenige einer andern ebensolchen stattfindet. Gleich der E. enthält das genannte Reglement auch Bestimmungen allgemeinern Inhalts über die Pflichten der Eisenbahnverwaltungen[547] und ihres Personals, über das Verhalten des Publikums bei Benutzung der Eisenbahnen und über die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Eisenbahnverwaltungen untereinander. Eine gesetzliche absolute Gültigkeit kommt dem Vereinsbetriebsreglement (im Gegensatze zur E.) nicht zu. Es stellt vielmehr lediglich veröffentlichte Beförderungsbedingungen dar, die für die Beteiligten bindende Kraft dadurch erlangen, daß diese sich ihnen ausdrücklich (wie z. B. stets auf den Frachtbriefen) oder stillschweigend unterwerfen; letzteres setzt eine geeignete Veröffentlichung voraus. Bestimmungen der Eisenbahnverwaltungen, welche die E. ergänzen, bedürfen der Genehmigung der Landesaufsichtsbehörde, abweichende Bestimmungen auch der des Reichseisenbahnamts. In beiden Fällen bedarf es der Aufnahme in die veröffentlichten Tarife. S. auch Eisenbahnrecht. Das österreichisch-ungarische Betriebsreglement vom 1. Jan. 1893 stimmt mit der E. Deutschlands vom gleichen Tage fast wörtlich überein. Vgl. Eger, Das deutsche Frachtrecht (2. Aufl., Berl. 188791, 3 Bde.); Derselbe, Die Eisenbahnverkehrsordnung vom 26. Okt. 1899 nebst den Zusatzbestimmungen etc. (2. Aufl., das. 1901); Hertzer, Handkommentar zur E. (das. 1902).