Frachtgeschäft

[812] Frachtgeschäft, ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, durch das sich jemand gegen Entgelt verpflichtet, die [812] Beförderung von Gütern auszuführen; im Seehandel (s. unten 11) spricht man auch von einem F. zur Beförderung von Personen. Man unterscheidet Binnenfrachtgeschäft und Seefrachtvertrag.

I. Binnenfrachtgeschäft, die gewerbsmäßige Übernahme der Güterbeförderung zu Lande oder auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern (Handelsgesetzbuch, § 425–452). Das deutsche Binnenfrachtrecht wird in den § 425–452 des Handelsgesetzbuches, die nur das gewöhnliche Landfrachtrecht (Fuhrmanns frachtrecht) enthalten, nicht erschöpfend geregelt. Ergänzend kommen hier noch in Betracht für die beiden wichtigsten Zweige des Güterbeförderungswesens, den Eisenbahntransport und die Binnenschiffahrt, die besondern Vorschriften über die Beförderung von Gütern und Personen auf den Eisenbahnen (§ 453–473) und die Eisenbahnverkehrsordnung sowie das Reichsgesetz, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt. Der Frachtführer (s.d.) kann vom Absender die Ausstellung eines als Beweisurkunde für den Frachtvertrag dienenden Frachtbriefes verlangen, der Ort und Tag der Ausstellung, Namen und Wohnort des Frachtführers, Namen des Empfängers, Ort der Ablieferung, Bezeichnung des Gutes nach Beschaffenheit, Menge und Merkzeichen, Bezeichnung der für zoll- oder steueramtliche Behandlung oder polizeiliche Prüfung nötigen Begleitpapiere, Bestimmung über die Fracht, Unterschrift des Absenders und sonstige besondere Vereinbarungen, wie über Lieferfrist, Entschädigung wegen verspäteter Ablieferung, Nachnahmen etc., enthalten soll. Der Absender haftet dem Frachtführer für Richtigkeit jener Angaben und hat ihm die nötigen Begleitpapiere zu übergeben. Weitere im F. vorkommende Urkunden sind der Ladeschein (s.d.) und Empfangschein (Beweisurkunden, die der Frachtführer dem Absender übergibt, wie z. B. Transportscheine, Gepäckscheine, Frachtbriefduplikate etc.). Die Verpflichtungen des Frachtführers bestimmt das Handelsgesetzbuch im wesentlichen dahin: rechtzeitige Beförderung des Frachtgutes (§ 428), Haftung für den durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder dessen verspätete Ablieferung entstandenen Schaden (§ 429–432), Beachtung nachträglich ergehender Anweisungen (§ 433) und Ablieferung an den Empfangsberechtigten (§ 426, 435, 447). Die Rechte und Pflichten des Empfängers vor Ankunft des Gutes am Ablieferungsorte regeln die § 434, 436 und nach Ankunft die § 435, 433, 436. Insbesondere wird der Empfänger durch Annahme des Gutes und Frachtbriefs verpflichtet, dem Frachtführer nach Maßgabe des Frachtbriefs Zahlung zu leisten. Die Vorschriften über das F. gelten auch für den Eisenbahntransport, nicht aber für die Beförderung von Gütern durch die Post. Eine Besonderheit des Eisenbahnfrachtrechts bilden der sogen. Transportzwang (s.d.) und die gesetzliche Beschränkung der Vertragsfreiheit (§ 471). Der internationale Verkehr ist in der Berner Konvention oder dem internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Okt. 1890 geregelt; die Abweichungen vom deutlchen Frachtrecht sind gering (s. jedoch die Artikel 45 u. 46). Die Vertragsstaaten sind Belgien, Dänemark (1897), Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich-Ungarn, Rußland und die Schweiz. Weiteres s. Eisenbahnfrachtrecht.

II. Seefrachtvertrag. Wegen des Frachtgeschäfts zur Beförderung von Güterns. Befrachtungsvertrag und Handelsgesetzbuch § 556 und 603. Er bezieht sich entweder a) auf das Schiff im ganzen, einen verhältnismäßigen Teil, einen bestimmten Raum des Schiffes oder b) auf einzelne Güter (Stückgüter). Im Falle zu a) kann jeder Teil die Errichtung einer sogen. Chartepartie (s.d.) verlangen. Außer ihr ist dem Seefrachtvertrag das Konnossement (s.d.) eigentümlich. Wegen der Deckladung, Lade-, Überliege- und Löschzeit s. diese Artikel. Die Zeit während deren der Befrachter auf die Abladung zu warten verpflichtet ist, heißt Wartezeit (§ 579). Die Haftung des Verfrachters ist ähnlich der des Frachtführers (s. zu I. und § 606f.) geregelt. Der Verfrachter hat Anspruch auf Fracht (s.d., vgl. auch Fautfracht), Nebengebühren, etwaiges Liegegeld, Ersatz seiner Auslagen und Entrichtung der Beträge zur großen Haverei (s.d.), Bergungs- und Hilfskosten sowie Bodmereigelder (s. Bodmerei). Diese Ansprüche gehen vom Augenblick der Annahme des Gutes an gegen den Empfänger (§ 614ff.), und der Frachtführer hat für sie ein Pfandrecht an den Gütern (§ 623). Wegen der Auflösung des Frachtvertrags vgl. Fautfracht, Distanzfracht und Embargo. Wegen des Frachtgeschäfts zur Beförderung von Reisenden s. Überfahrtsvertrag und Handelsgesetzbuch, § 664 und 678. Über Frachttarifes. Eisenbahntarife II (S. 541f.). Vgl. außer den Handbüchern des deutschen Handelsrechts: Eger, Das deutsche Frachtrecht (2. Aufl., Berl. 1888–91, 3 Bde.); Derselbe, Das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr in der Fassung etc. vom 16. Juni 1898 (2. Aufl., das. 1903); Coermann, Die deutsche und internationale Frachtgesetzgebung (das. 1901); weitere Literatur bei Artikel »Eisenbahnfrachtrecht, internationales«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 812-813.
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