[93] Fresnelsche Wellenfläche, eine 1827 von Fresnel angegebene Fläche vierter Ordnung, die dazu dient, sich die Fortpflanzung des Lichtes in optisch zweiachsigen Kristallen vorzustellen. Sie ist ein besonderer Fall der Kummerschen Fläche und hängt ab von dem Elastizitätsellipsoid des Kristalls, einem dreiachsigen Ellipsoid, dessen Lage und dessen Dimensionen durch die Art bestimmt sind, wie sich von jedem Punkte des Kristalls aus die Elastizität des Kristalls nach den verschiedenen Richtungen hin ändert. Man erhält die F. W., wenn man von dem Mittelpunkte dieses Ellipsoids aus auf jeder durch den Mittelpunkt gehenden Geraden nach beiden Seiten hin die große und die kleine Achse der Ellipse abträgt, in der das Ellipsoid von der zu der Geraden senkrechten Ebene geschnitten wird. Auf jeder solchen Geraden liegen daher vier Punkte der Fläche, nur die beiden Geraden, bei denen die zugehörigen Ellipsen Kreise sind, enthalten bloß je zwei Punkte der Fläche. Die so bestimmten vier Punkte sind die Knotenpunkte der Fläche, und die Fläche besteht aus zwei in den Knotenpunkten zusammenhängenden Schalen,[93] von denen die eine die andre ganz umschließt. Von außen gesehen zeigt die Fläche bei jedem der vier Knotenpunkte eine trichterförmige Vertiefung, und jede dieser vier Vertiefungen wird von einem Kreise begrenzt, dessen Ebene in jedem Punkte des Kreises Tangentialebene der Fläche ist. Die Fläche hat drei Hauptebenen, von deren jeder sie in einem Kreis und in einer Ellipse geschnitten wird, es sind das die Ebenen, in denen je zwei Achsen des Ellipsoids liegen. Die vier Knotenpunkte befinden sich in der Hauptebene durch die größte und die kleinste Achse des Ellipsoids. In Fig. 1 ist die eine der beiden Hälften dargestellt, in welche die Fläche durch diese Hauptebene zerlegt wird. Die vier Knotenpunkte (P ist einer davon) sind die Schnittpunkte des Kreises und der Ellipse, in denen diese Hauptebene die Fläche schneidet, doch erscheint der Kreis hier auch als Ellipse. Bei dem Knotenpunkt links oben ist die Hälfte s des Kreises eingezeichnet, längs dessen die Fläche von der Ebene des Kreises berührt wird.
Fig. 2 stellt ein Viertel der Fläche dar; a, b, c sind die in den Hauptebenen liegenden Kreisschnitte. Mit Hilfe der Fresnelschen Wellenfläche kann man nach bestimmten Regeln ermitteln, wie ein Lichtstrahl, der einen optisch zweiachsigen Kristall trifft, sich im Innern des Kristalls und beim Wiederaustritt verhält. Im allgemeinen wird der Lichtstrahl in zwei Strahlen zerlegt, das Vorhandensein der vier Knotenpunkte und der vier längs Kreisen berührenden Ebenen hat aber zur Folge, daß in besondern Fällen der Lichtstrahl beim Wiederaustreten aus dem Kristall in unendlich viele Lichtstrahlen zerlegt ist, die einen Kegel oder einen Zylinder bilden (sogen. konische und zylindrische Lichtbrechung). Die Möglichkeit dieser eigentümlichen Lichtbrechung hat W. Hamilton aus der Gestalt der Fresnelschen Wellenfläche theoretisch abgeleitet, und erst nachher hat man sie durch Versuche bestätigt. Genaueres über die F. W. findet man in den Lehrbüchern der Physik. Gipsmodelle der Fläche sind im Verlage von M. Schilling (Halle) zu haben.
Meyers-1905: Wellenfläche