Galēnos

[266] Galēnos, Claudius, nächst Hippokrates der berühmteste Arzt des Altertums, geb. 131 n. Chr. zu Pergamon in Kleinasien als Sohn des Architekten Nikon, gest. um 201 in Rom, widmete sich der Arzneikunde in Smyrna, Korinth und Alexandria und übernahm 158 in Pergamon die ärztliche Pflege der Gladiatoren. Nachdem er sich 164–167 in Rom durch glückliche Kuren und durch seine anatomischen Vorlesungen einen Namen erworben, unternahm er eine Reise durch Griechenland und Asien und ließ sich in seiner Vaterstadt nieder. Bald aber wurde er von den Kaisern Mark Aurel und L. Verus als Leibarzt nach Aquileja und von Commodus nach Rom berufen. G. verband selbst mit ausgebreiteten medizinischen Kenntnissen gründliche philosophische und grammatische Bildung und verlangte für den Arzt eine umfängliche allgemeine Bildung. Von seinen zahlreichen Schriften (von mehr als 250 haben wir Kenntnis; erhalten haben sich 100 echte und 18 zweifelhafte, mehrere nur in arabischer und lateinischer Übersetzung) sind 18 Kommentare zu Hippokrates, die übrigen selbständige Bearbeitungen der verschiedenen Teile der Heilkunde. Der größte Systematiker der antiken Medizin, suchte er zwischen der innern Medizin seiner Zeit und den ohne Rücksicht auf diese gemachten Errungenschaften der Anatomie und Physiologie den richtigen Zusammenhang herzustellen, die hippokratische Basis einer sachgemäßen Diagnostik und Prognostik von neuem auf ihre Zuverlässigkeit zu prüfen und überall die medizinischen Sätze philosophisch zu begründen. Besonders genau und korrekt sind seine Beschreibungen der Gelenkverbindungen; der beste Teil seiner Physiologie ist die Neurologie (vgl. Falk, Galens Lehre vom Nervensystem, Leipz. 1871). Er machte bereits zur Erforschung der Biologie Tierexperimente. Die allgemeinen Prinzipien der Nosologie, zumal der Krisenlehre, entlehnte er Hippokrates, verbesserte sie aber vielfach; auf ihn geht die Bezeichnung Indikation (s.d.) zurück. Gründliche Studien widmete er den Fiebern und der Lungenschwindsucht, zu deren Bekämpfung er den Besuch klimatischer Kurorte empfahl. Auch den ersten Versuch einer physiologischen Optik machte er. Er wagte zuerst die Resektion des kariös gewordenen Brustbeins. Bis Paracelsus galt G. allgemein als größte Autorität. Seine Haupt werke, der Abriß der Therapeutik (9 Bücher), die therapeutische Methode (14 B.), erstere im Mittelalter Mikrolechnum, letztere Makrotechnum genannt, die Physiologie (17 B.), seine Anatomie (9 B. von 15 erhalten), die Gesundheitslehre (6 B.), seine verschiedenen pharmakologischen Schriften (28 B.) und seine Toxologie (2 B.) waren die Quellen, aus denen Morgen- und Abendland weit über ein Jahrtausend seine medizinischen Kenntnisse schöpfte. Seine übrigen Schriften sind für Geschichte der Philosophie, Antiquitäten, literarische und soziale Verhältnisse der Zeit von hohem Werte. Hauptausgabe (mit Hippokrates) von Charterius (Lütt. 1679, 13 Bde.; neue Aufl. von Kühn, Leipz. 1821–33, 20 Bde.); Ausgaben einzelner Schriften von Minas (Par. 1844), Daremberg (das. 1848), Iwan Müller (Leipz. 1874), Wellmann (1882), Kaibel (Berl. 1894), Kalbfleisch (Leipz. 1896), Helmreich (das. 1904); französische Übersetzung von Daremberg (Par. 1854–56, 2 Bde.), deutsche Übersetzungen einzelner Teile von Sprengel und Nöldecke. Eine neue Ausgabe der kleinern Schriften besorgten Marquardt, Müller und Helmreich (Leipz. 1884–92, 3 Bde.). Vgl. Ilberg, Die Schriften des C. G. (im »Rheinischen Museum für Philologie«, 1889, 1892 u. 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 266.
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