Nervensystem

[530] Nervensystem (hierzu die Tafeln »Nerven des Menschen I u. II«), die Gesamtheit der die Empfindung vermittelnden Organe im tierischen Körper (vgl. Nerven). Ursprünglich wohnt einer jeden Zelle die Fähigkeit, die äußern Reize zu empfinden und sich demgemäß zu bewegen, also zusammenzuziehen, auszudehnen etc., inne; daher ist auch bei den niedersten Tieren ein gesondertes N. noch nicht vorhanden. Bei dem mehrschichtigen Körper der vielzelligen Tiere beschränkt sich die Empfindlichkeit mehr und mehr auf die äußerste Schicht, die Haut, der deshalb zuerst auch das N. angehört. In der einfachsten Form (bei den Polypen) besteht es aus multipolaren Ganglienzellen (s. Ganglien und Nerven), die in unregelmäßiger Verteilung unter der Haut liegen und mit ihren Nervenfasern eine Art von losem Geflecht um den Körper bilden. Bei den Medusen kommt schon ein nervöser Zentralapparat in Form einzelner Nervenzellgruppen (Ganglien) oder eines den Schirmrand umziehenden Nervenringes zur Ausbildung. Das N. zieht sich bei diesen und den höher stehenden Metazoen mehr in das Körperinnere zurück und steht mit der Oberfläche meist nur noch an einigen Stellen (den Sinneswerkzeugen) in Verbindung. Doch zeigt sich während der Entwickelung jedes höhern Tieres aus dem Ei, wie das gesamte N. auch hier aus dem Außenblatt hervorgeht und sich erst später in die Tiefe des Körpers versenkt. – Man unterscheidet am N. den zentralen und den peripherischen Teil. Ersterer ist vorzugsweise aus Ganglienzellen (s. Ganglien) zusammengesetzt, letzterer besteht meist aus Nervenfasern (s. Nerven) und verbindet die Zentralorgane mit den Sinnesorganen, Muskeln und andern Organen des Körpers. In andrer Beziehung teilt man das N. in das animale zur Besorgung der bewußten Empfindungen und willkürlichen Bewegungen, und in das vegetative für die Vorgänge der Ernährung, Absonderung etc. sowie für die damit verbundenen unwillkürlichen Bewegungen. In den zentralen, jedoch auch teilweise in den peripheren Teilen bilden die Ganglienzellen Gruppen, die sogen. Ganglien (Nervenknoten), die unter sich durch Bündel von Nervenfasern (Kommissuren) verbunden sind und von denen die peripherischen Nerven ausstrahlen. Bei den gegliederten Tieren liegen ursprünglich in jedem Körpersegment zwei Ganglien nebeneinander, so daß mittels der Längs- und Querkommissuren eine Art von Strickleiter entsteht. Meist jedoch sind die beiden nebeneinander, vielfach auch mehrere hintereinander gelegene Ganglien zu einer Masse verschmolzen; namentlich ist dies im Kopfe der Fall. Bei andern, wie z. B. bei den Weichtieren, unterscheidet man mehrere Gruppen von Ganglien, von denen je zwei paarweise vereinigt in verschiedenen Körperregionen als Cerebral-, Visceral- und Pedalganglien zusammenliegen. Den Kopfteil des Nervensystems nennt man Gehirn (s. d.), den Rest je nach seiner Lagerung im Körper Bauchmark (bei Ringelwürmern und Gliederfüßern) oder Rückenmark (bei Wirbeltieren). Bei letztern bilden Gehirn- und Rückenmark das animale N. und heißen auch wohl Cerebrospinalsystem; über das vegetative, organische oder sympathische System s. Sympathikus. Ganglienzellen und Nervenfasern faßt man auch unter dem Namen Nervengewebe zusammen und stellt dieses dem Haut-, Muskel- etc. Gewebe gegenüber. Über den Verlauf der Nerven beim Menschen s. die beifolgenden Tafeln.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 530.
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