Geiserich

[495] Geiserich (Geisericus; nach Fr. Kauffmann besser: Gensirix), König der Wandalen, geb. um 390 als unechter Sohn des dem Hause der Asdingen entstammten Königs Godigisel (gefallen 406) und einer Sklavin, ward, obgleich nur von Mittelgröße und hinkend, wegen seiner kriegerischen Tüchtigkeit Anfang 428 vom Heer als Nachfolger seines Bruders Gunderich auf den Thron erhoben. Im Mai 429 führte G., einer lange geglaubten Fabel zufolge der Einladung des afrikanischen Statthalters Bonifatius, der sich gegen seinen am römischen Hofe mächtigen Feind Aëtius zu stärken suchte, Folge leistend, 80,000 Köpfe (etwa 16,000 Waffenfähige) nach Afrika über, wo er Mauretanien in Besitz nahm. Vergeblich suchte Bonifatius seinem weitern Umsichgreifen Einhalt zu tun; nach wiederholten Niederlagen und nachdem er die Stadt Hippo Regius 14 Monate erfolgreich verteidigt hatte, mußte er Afrika G. überlassen, der das Land furchtbar verwüstete und gegen die römischen Einwohner wütete. Der Kaiser schloß 11. Febr. 435 mit G. einen Vertrag, durch den dieser als kaiserlicher Militärbeamter Westnumidien und Mauretanien erhielt; nur Karthago blieb den Römern, bis G. 19. Okt. 439 auch diese Stadt mitten im Frieden wegnahm und zum Mittelpunkt seiner Herrschaft machte. Binnen kurzer Zeit schuf er sich nun eine Seemacht, mit der er Raubzüge nach allen Seiten unternahm, und erschien, da er Maximus, den Mörder Valentinians III. und nunmehrigen Gatten der Kaiserin Eudoxia (die nicht, wie die Sage berichtet, G. herbeigerufen hat), nicht anerkennen wollte, 2. Juni 455 vor Rom. Papst Leo I., der dem Sieger bittend entgegenging, erhielt zwar das Versprechen der Schonung für die Kirchen und das Leben der Einwohner, konnte aber die Stadt nicht vor 14 tägiger Plünderung schützen, die G. eine ungeheure Beute einbrachte. Eudoxia selbst ward mit ihren Töchtern gefangen nach Afrika geführt und in einem Kerker zu Karthago bis 462 gefangen gehalten; ihre Tochter Eudoxia vermählte G. 456 mit seinem Sohn Hunerich. Dann unterwarf er seiner Herrschaft auch Sizilien, Sardinien, Korsika, die Balearen und Pithyusen, von denen er nur Sizilien (ohne Lilybäum) gegen einen Jahrestribut 476 Odoaker wieder abtrat. Selbst die Küsten Thrakiens, Ägyptens und Kleinasiens verheerte er und verbrannte 468 eine Flotte des Kaisers Leon, die schon vor Karthago lag, worauf Leons Nachfolger Zenon im Herbst 476 mit G. Frieden schloß. G. starb 25. Jan. 477, nachdem er in einem Haus- und Erbfolgegesetz das Seniorat im wandalischen Königtum festgesetzt, d. h. das älteste Mitglied der Dynastie zum Thronfolger bestimmt hatte. G. war zwar klug und energisch, ein großer Kriegsheld und ein bedeutender Politiker, aber kein Staatsmann im Sinn einer dauerhaften Begründung des wandalischen Reiches in Afrika; er erhob sich nicht über das wilde und barbarische, jeder feinern Kultur abholde Wesen seiner Volksgenossen, den »Vandalismus«. Mad. Deshoulières wählte ihn zum Helden einer Tragödie. Vgl. Ludw. Schmidt, Geschichte der Wandalen (Leipz. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 495.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika