Guyenne

[555] Guyenne (Guienne, beides spr. gi-enn'), ehemalige Provinz im Südwesten Frankreichs (vgl. die Geschichtskarte von Frankreich), umfaßte die Landschaften Bordelais mit Bazadais, ferner Agenais, Périgord, Quercy und Rouergue mit zusammen 40,925 qkm (743 QM.) und bildet jetzt hauptsächlich die Departements Gironde, Dordogne, Lot, Aveyron, Lot-et-Garonne und Tarn-et-Garonne. Die Hauptstadt war [555] Bordeaux. – In bezug auf die frühere Geschichte von G. bis zum 10. Jahrh. verweisen wir auf Aquitanien, von welchem Namen G. eine Verstümmelung ist, die im 10. Jahrh. aufkam. Die Herzoge von G. residierten meist in Bordeaux und hatten sich von der französischen Krone fast ganz unabhängig gemacht. Auf Herzog Wilhelm II., Eisenarm, einen Zeitgenossen Hugo Capets, folgte sein Sohn Wilhelm III., der Große, der 1030 starb. Seine Tochter war die Kaiserin Agnes, die Mutter Heinrichs IV. Herzog Veit Gottfried erwarb 1054 auch das Herzogtum Gascogne. Wilhelm VII., der ihm 1087 folgte, nannte sich Herzog von Aquitanien und Graf von Toulouse, welch letzteres Land er 1098 eroberte, aber 1100 wieder abtreten mußte; er starb 1127. Sein Sohn und Nachfolger Wilhelm III. unterstützte 1136 den Grafen Gottfried Plantagen et bei dessen Einfall in die Normandie und starb 1137. Von ihm erbte seine an König Ludwig VII von Frankreich vermählte Tochter Eleonore das Land. Nachdem sich Ludwig VII. 1152 von Eleonore hatte scheiden lassen, heiratete sie Heinrich Plantagenet, der 1154 König von England wurde. König Heinrich trat 1169 das Herzogtum seinem Sohn Richard Löwenherz ab. Eleonore nahm das Land nach dem Tode Richards (1199) wieder in Besitz und behielt es bis zu ihrem eignen Tode (1203). Mit kurzer Unterbrechung verblieb G. den Engländern bis 1451. Damals ließ König Karl VII. von Frankreich nach der Eroberung der Normandie auch G. besetzen. Graf Talbot landete 1452 vergebens, um es wiederzuerobern; nachdem er 1453 bei dem Sturm auf das Lager von Castillon geblieben war, wurde die englische Armee geschlagen. Seitdem blieb G. bei Frankreich. Ludwig IX. überließ es 1469 seinem Bruder, dem Herzog von Berrn, statt der Champagne und Brie. Nach dessen Tod (1472) fiel es an die Krone Frankreich zurück. Vgl. Ducourneau, La G. historique, etc. (Bordeaux 1842–15, 2 Bde.); Ribadieu, Histoire de la conquête de la G. par les Français (das. 1866); Brissaud, Les Anglaisen G. (Par. 1875).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 555-556.
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