Haarkrankheiten

[578] Haarkrankheiten. Die gewöhnlichste Haarkrankheit ist die trockne Schinnenbildung (Seborrhoea [578] sicca); sie tritt meistens erst mit der Geschlechtsreife auf und kann lange fortbestehen. Männer werden häufiger befallen als Frauen. Bei der Behandlung sind die von den meisten Friseuren angewendeten spirituösen Haarwasser (z. B. Honigwasser) zu meiden, weil sie den Haarwurzeln die Feuchtigkeit entziehen und sie zur Verödung bringen. Am besten seist man etwa wöchentlich zweimal des Abends den Kopf ab (wenn möglich bei kurzgehaltenem Haar), spült und trocknet gut und benutzt am nächsten Morgen ein einfaches Haaröl. In schwereren Fällen kann man auch zweimal wöchentlich abends vor dem Schlafengehen folgende Mischung in die Kopfhaut einreiben: destilliertes Wasser 750, doppeltkohlensaures Natron 10 g, Glyzerin 12 g. Am nächsten Morgen benutzt man etwas Haaröl und kämmt die Haare dabei ordentlich durch. Alle sechs bis acht Wochen einmal Abseifen des Kopfes.

Beim trocknen Ekzem der Kopfhaut ist die ergriffene Haut nur wenig über das gesunde Niveau erhaben, gerötet und mit lockern kleinen Schuppen bedeckt. Der Verlauf ist sehr langsam. Das nässende Ekzem tritt in kleinern, nässenden oder mit Borken bedeckten Stellen auf, oder die ganze Kopfhaut wird von dem Erkrankungsprozeß ergriffen. Bei kurz geschornen Haaren treten die Borken zutage und ebenso nach ihrer Ablösung die nässende, der Oberhaut beraubte Haut. Bei längern Haaren verkleben diese zu einer unentwirrbaren, die Kopfhaut verdeckende Masse, die bei starker Unreinlichkeit des Trägers zur Bildung eines Weichselzopfes (s. d.) führen kann. Nach lang andauerndem Kopfekzem tritt Schwund des Haarwuchses ein. Die Behandlung ist der des Ekzems andrer Körperstellen gleichartig. – Über die durch Parasiten herbeigeführten H. s. Kahlköpfigkeit. – Haarschwund tritt bei Erkrankungen der Kopfhaut durch Veränderung des Haarbodens auf, sodann bei andern Krankheiten mit ihren allgemeinen, den Körper schwächenden Einflüssen. Hierher gehören die akuten Infektionskrankheiten, Typhus, Scharlach, Pocken, dann aber auch die chronischen, besonders die Syphilis. Hier tritt in der Regel eine den ganzen Kopf betreffende Lichtung der Haare ein. Die Haare ergänzen sich nach den akuten Krankheiten mit dem Verschwinden der allgemeinen Schwäche, bei Syphilis oft erst nach längerer Zeit oder gar nicht. Der Haarschwund des höhern Lebensalters beruht auf denselben Ursachen. Bei dem schon in jungen Jahren vorkommenden Kahlwerden liegt meist Erblichkeit vor. – Das Grau- und Weißwerden der Haare tritt regelmäßig im Alter ein. Bedingt wird es durch das Verschwinden des Pigments und Auftreten von Luft in der Marksubstanz. Dagegen gehört die sehr häufig vorkommende Spaltung der Haare in das Gebiet der H. Die Spitzen der Haare spalten sich entweder einfach, oder zerfallen pinselförmig. Leider vermag die Therapie sehr wenig hiergegen auszurichten, da dieser Vorgang oft nur ein Anzeichen andrer, den Körper schwer beeinflussender Krankheitszustände ist. Sorgfältige Pflege, regelmäßige Waschungen mit Seife und darauffolgende Einfettung sind zu empfehlen. Vgl. Lassar, Über Haarkuren (Berl. 1888); Pohl, Das Haar. Die H. etc. (5. Aufl., Stuttg. 1902); Meyer, Die H. (2. Aufl., Münch. 1904), und Literatur beim Artikel »Haare«, S. 575.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 578-579.
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