Hauch

[872] Hauch, Johannes Carsten, dän. Dichter, geb. 12. Mai 1790 zu Frederikshald in Norwegen, gest. 4. März 1872 in Rom, widmete sich in seinen Jugendjahren mit gleichem Eifer der romantischen Dichtung, der Philosophie und den Naturwissenschaften. Als Doktor der letztern bereiste er 1821–27 Deutschland, Frankreich und Italien, trat nach seiner Heimkehr als Lektor der Naturwissenschaften in die Akademie zu Sorö ein und wurde 1846 Professor der nordischen Literatur zu Kiel. Von hier durch den Ausbruch der Revolution 1848 vertrieben, wurde er nach Öhlenschlägers Tode (1851) Professor der Ästhetik an der Universität zu Kopenhagen. Von 1860 an war er zugleich Theaterzensor. Ein Nacheiferer der spekulativen deutschen Romantik und Bewunderer Öhlenschlägers, zeigte er sich in seinen ersten dramatischen Versuchen: »Die Kontraste« (1816) und »Rosaura« (1817) schwer, pathetisch, unklar, aber seine nachfolgenden Tragödien sind bemerkenswert durch des Dichters unaufhaltsames Streben nach Klarheit und tüchtiges Charakterstudium. Wir nennen: »Bajazeth«, »Tiberius« (beide 1828); das schwache Stück »Don Juan« (in den »Dramatischen Werken«, 1828–29, 3 Bde.; deutsch, Leipz. 1836); ferner »Der Tod Karls V.« (1831); »Die Belagerung Maastrichts« (1832; deutsch, Leipz. 1834) und »Svend Grathe« (1841). Größeres Können zeigen Hauchs spätere, von edler Poesie durchgeistigten Stücke »Die Schwestern auf Kinnekulle« (1840), »Die Ehre verloren und wiedergewonnen« (1851), »Tycho Brahes Jugend« (1852) u. a. Als guter Erzähler bewährte er sich in den Romanen »Wilhelm Zabern« (1834; deutsch, Leipz. 1848); »Der Goldmacher« (1836; deutsch, Kiel 1837); »Eine polnische Familie« (1839; deutsch, Leipz. 1840); »Das Schloß am Rhein« (1845; deutsch, Wurzen 1851); »Sage von Thomas Widförle« (1849); »Robert Fulton« (1853) u. v. a. In seiner wahren Größe zeigt er sich aber erst als Lyriker. In den Sammlungen »Lyrische Gedichte« (1842, 2. Ausg. 1854), »Lyrische Gedichte und Romanzen« (1861),[872] dem Romanzenzyklus »Waldemar Atterdag« und den »Neuen Gedichten« (1870) kommen Stücke vor, die zu den edelsten und feinsten der dänischen Dichtung zählen. Was H. charakterisiert, ist eine ungewöhnliche Tiefe des Gefühls und der Begeisterung, die ihn stark zu dem Ahnungsvollen und Mystischen hinzieht, so daß über allen seinen Dichtungen tiefes, romantisches Dämmerlicht liegt. Für den modernen Leser befremdend ist der in dieser Romantik enthaltene Dualismus: den Schwerpunkt und die Lösung des Realen sucht H. stets in dem irrealen Jenseits. Biographisches gab H. selbst in den »Erinnerungen aus meiner Kindheit und Jugend« (1867) und den »Erinnerungen von meiner ersten Auslandreise« (1871). Gesammelt erschienen seine dramatischen Werke Kopenhagen 1852–59, 3 Bde., und seine Romane 1873–1875, 7 Bde. Vgl. G. Brandes, Danske Digtere (Kopenh. 1877), und F. Rönning, Joh. Carsten H.,en levneds-skildring (mit Auswahl seiner Gedichte, das. 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 872-873.
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