Heißluftbäder

[116] Heißluftbäder kommen sowohl als allgemeine, wie als örtliche zur Anwendung. Die allgemeinen, die ganze Körperoberfläche treffenden H. gehören zu dem schweißtreibenden Verfahren. Der Körper der Warmblüter mit bestimmter Eigentemperatur wehrt sich gegen deren Steigerung, wie sie in heißer Luft unweigerlich stattfinden würde, durch Schweißabsonderung und durch Verdunstung des abgesonderten Schweißes, denn bei dieser Verdunstung wird viel Wärme gebunden. Der Schutz, den die Schweißabsonderung und Verdunstung gewährt, ist so groß, daß selbst Temperaturen von 150° in trockner Luft kurze Zeit ertragen werden. Für allgemeine H. wählt man Temperaturen von 60–65°. Gut eingerichtete Anstalten enthalten gewöhnlich zwei Räume für H., einen warmen, in dem die Temperatur etwa 50° beträgt (das Tepidarium) und einen heißen von 60 bis 65° (das Sudatorium). Man begibt sich erst in den warmen, später in den heißen Raum und bleibt in beiden zusammen etwa eine halbe Stunde. Mit dem Bade wird gewöhnlich Massage und zum Schluß eine abkühlende Dusche verbunden. Für Kranke kann man heiße Luftbäder auch im Bette durch Einleiten von heißer Luft unter ein mit Decken bedecktes Gestell herrichten. Solche Bäder werden z. B. bei Wassersüchtigen, Rheumatischen u. an Nervenschmerzen Leidenden angewendet (Quinckesches Schwitzbett). Elektrische Lichtbäder sind im wesentlichen eine elegante Form des Heißluftbades (vgl. Lichttherapie). Örtliche H. für einzelne Körperteile werden namentlich bei chronischen Rheumatismen angewendet. Die bekanntesten Apparate sind der Tallermannsche und die von Bier konstruierten. Der betreffende Körperteil wird dabei in einen passenden Behälter eingeschlossen, der mit Gas, Spiritus oder Elektrizität beheizt wird. Es kommen Temperaturen bis zu 100° in Anwendung und werden, falls die Luft nur trocken ist, sehr gut ertragen. Auch in Gestalt örtlicher Bestrahlung mit erhitzter Luft kommen H. zur Anwendung. Man kann dabei ein rechtwinklig gebogenes Blech- (Ofen-) rohr benutzen, unter dessen abwärts gerichteten Schenkel eine Spiritusflamme gesetzt wird; aus dem wagerechten Teil strahlt dann der durch seinen Auftrieb bewegte heiße Luftstrom gegen den beliebig angenäherten kranken Körperteil (Heißluftdusche). Demselben Zweck dienen auch komplizierte Apparate (wie der von Frey), bei denen die Luft auf verschiedene Weise erwärmt und durch Motoren bewegt wird. Namentlich bei Hautkrankheiten dient stark erhitzte Luft zur Zerstörung krankhafter Gewebsteile oder zur Erregung umschriebener Verschorfung und Entzündung. Dabei wird die Luft meist durch ein Gummigebläse an einer durch den elektrischen Strom glühend gemachten Platindrahtspirale vorbei und durch ein seines Rohr auf die Haut getrieben. Zur Erzielung ausgedehnter Verschorfung und nachfolgender Neubildung von Schleimhaut in Körperhöhlen (Nase, Gebärmutter) wird statt heißer Luft häufiger heißer Dampf (s. Vaporisation) angewendet.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 116.
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