Hermen

[219] Hermen (griech.), im eigentlichen Wortsinne Bilder des Hermes (Mercurius), der häufig unter dem Bild eines viereckigen, oben breitern, unten schmäler zulaufenden Pfeilers (Herme) verehrt wurde; dann allgemeiner gebraucht für vierseitige Pfeiler, die in Büsten enden oder mit dem Oberkörper einer menschlichen Figur verbunden sind (s. Abbildung) und im alten Griechenland häufig auf öffentlichen Plätzen, Straßen und besonders an Kreuzwegen (als Wegweiser) aufgestellt wurden.

Herme.
Herme.

Von letzterer Form finden sich die schönsten, aus Griechenland stammenden Beispiele in der Villa Ludovisi in Rom. Die erstere pflegt an den Seiten des Pfeilers nahe am Kopfe je einen würfelartigen Vorsprung (Hände, griech. cheires, genannt) zum Aufhängen von Kränzen, vorn einen ausgerichteten Phallos (s. d.) zu haben. Die Entstehungszeit dieser Kunstform ist noch dunkel. Die älteste Zeit kennt sie noch nicht. Erst in der letzten Epoche der altertümlichen Kunst finden sich Beispiele; diese verbinden aber den menschlichen Oberkörper, der bis zu den Hüften reicht, mit dem vierseitigen Pfeiler und lassen sogar lebhafte Bewegung der Figur zu (so die Herme eines Diskobols in der Villa Ludovisi zu Rom). Später wird gewöhnlich Kopf und Pfeiler zusammen verbunden. Wenn auf der Herme das Bild eines andern Gottes oder Heros als des Merkur stand, so verband man den Namen Herme mit dem Namen des aufgestellten Kopfes; daher die Benennungen Hermares (Herme des Ares), Hermathene (der Athene), Hermerakles (des Herakles), Hermeros (des Eros), Hermapollon (des Apollon), Hermamithras (des Mithras), Hermalkibiades (des Alkibiades, sehr zahlreich in Athen). Gewöhnlich waren die H. nackt, selten bekleidet oder mit charakteristischen Attributen, desto häufiger mit Inschriften versehen, auch meist männlich. In der spätern Zeit wurde die Hermenform auch allgemein für Bildnisdarstellungen gewählt, auch wurden zwei solcher Büsten zu Doppelhermen zusammengestellt. Von den Griechen kamen die H. zu den Römern (vgl. Terminus), von denen sie die Kunst der Renaissance-, Barock- und Rokokozeit übernommen hat. Auch in der modernen Bildhauerkunst wird die Hermenform für Porträtbüsten und -Halbfiguren vielfach angewendet. Vgl. A. G. Meyer, Zur Geschichte der Renaissance-Herme (Leipz. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 219.
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