Hiëratischer Stil

[313] Hiëratischer Stil (griech., »heiliger Stil«, auch archaïstischer Stil genannt), in der griech. Kunstgeschichte die bis in die Kaiserzeit, namentlich unter Hadrian, für gewisse Gegenstände beibehaltene Nachahmung des ältesten griechischen Skulpturstils. Man pflegte besonders Darstellungen an Kultusgeräten (Altären, Weihwasserbecken etc.) in der alten Form auszuführen, die an dem starren, oft lächelnden Gesichtsausdruck, den gebundenen Gliedern, dem Schreiten auf den Fußspitzen, dem Anfassen mit steifen Fingern und der schematischen Gewandung (Zickzackfalten) hervortritt. Von den wirklich alten Werken unterscheiden sich diese Nachahmungen durch die weichere Ausbildung der Form, die sich bei dem spätern Künstler unwillkürlich einstellt, manchmal auch durch Nebendinge. Wenn z. B. in einem Relief des Berliner Museums Apollon in altertümlich gefalteter Chlamys vor einem korinthischen Tempel opfert, so weiß man, daß das Werk nicht vor dem 4. Jahrh. n. Chr. entstanden sein kann, weil die korinthische Ordnung nicht früher vorhanden war. Das berühmteste Beispiel dieses nachgeahmt-altertümlichen Stils ist die sogen. Dresdener Dreifußbasis, an der die Ornamente in viel freierer Manier gebildet sind als die Figuren, die sie einschließen. Vgl. auch Archaismus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 313.
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