Hinschĭus

[353] Hinschĭus, Paul, Kirchenrechtslehrer, geb. 25. Dez. 1835 in Berlin, gest. daselbst 13. Dez. 1898. habilitierte sich 1859 in der juristischen Fakultät seiner Vaterstadt, ward 1863 als außerordentlicher Professor nach Halle berufen, kehrte in gleicher Eigenschaft 1865 nach Berlin zurück, folgte aber 1868 einem Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Kiel, die er 1871–72 im preußischen Herrenhaus vertrat. Auf der evangelischen Provinzialsynode in Rendsburg (1871) war er als gewähltes Mitglied einer der Führer der kirchlich freisinnigen Partei. 1872 ging er als ordentlicher Professor des Kirchenrechts wieder nach Berlin. Er nahm hier an den Konferenzen des preußischen Kultusministeriums zur Vorbereitung der Kirchengesetze teil. In demselben Jahr in den deutschen Reichstag gewählt, hielt er sich zur nationalliberalen Fraktion. Auf einer größern wissenschaftlichen Reise durch Italien, Spanien, Frankreich, England, Schottland, Irland, Holland und Belgien in den Jahren 1860 und 1861 sammelte er das Material zu seiner kritischen Ausgabe der Pseudo-isidorischen Dekretalen (Leipz. 1863). Sein umfassendstes Werk ist das unvollendet gebliebene »Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland« (Berl. 1869–97, 5 Bde., und Bd. 6, Abt. 1). Auch seine übrigen Schriften betreffen vorwiegend kirchenrechtliche Fragen, wie: »Das landesherrliche Patronatrecht« (Berl. 1856); – Beiträge zur Lehre von der Eidesdelation mit besonderer Rücksicht auf das kanonische Recht« (das. 1860); »Die evangelische Landeskirche in Preußen und die Einverleibung der neuen Provinzen« (das. 1867); »Die Stellung der deutschen Staatsregierungen gegenüber den Beschlüssen des vatikanischen Konzils« (das. 1871); »Die preußischen Kirchengesetze des Jahres 1873« (das. 1873); »Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche in Preußen« (das. 1874); »Das preußische Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung« (das. 1874) und »Das Reichsgesetz« etc. (das. 1875, 3. Aufl. 1890); »Die preußischen Kirchengesetze der Jahre 1874 und 1875« (das. 1875); »Das preußische Kirchengesetz vom 14. Juli 1880« (das. 1881); »Die preußischen Kirchengesetze betreffs Abänderung der kirchenpolitischen Gesetze vom 21. Mai 1886 und 29. April 1887 erläutert« (das. 1887). Mit seinem Vater Franz H., Justizrat und Rechtsanwalt in Berlin (geb. 28. März 1810, gest. 3. Dez. 1877), gab er 1862–66 die »Preußische Anwaltszeitung« und als Fortsetzung 1867–68 die »Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen« heraus, welch letztere von J. Fr. Behrend fortgeführt wurde. Außerdem bearbeitete er in v. Holtzendorffs »Enzyklopädie der Rechtswissenschaft« das Kirchenrecht und lieferte auch für dessen »Rechtslexikon« viele Artikel. In Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart« schrieb er die Monographie »Staat und Kirche« (Freiburg i. Br. 1883).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 353.
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