Landrecht, preußisches

[119] Landrecht, preußisches. Nachdem ein durch Kabinettsorder vom 31. Dez. 1746 veranlaßter, von Cocceji 1749 bearbeiteter Entwurf keine Gesetzeskraft erlangt hatte, arbeitete eine 1780 von Friedrich d. Gr. niedergesetzte Kommission, deren Vorsitzender der Großkanzler v. Carmer, dessen Seele aber der Oberamtsregierungsrat Suarez war, den Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten aus, der 1787–88 stückweise veröffentlicht wurde. Unter Würdigung der massenhaft eingegangenen Monita wurde der Entwurf vielfach umgearbeitet und 20. März 1791 als »Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten« mit Gesetzeskraft vom 1. Juli 1792 publiziert. Verschiedene Bedenken führten zu einer Hinausschiebung des Geltungstermins auf unbestimmte Zeit. Nach Vornahme einiger unbedeutenden Abänderungen wurde das Gesetzbuch durch Patent vom 5. Febr. 1794 als »Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten« mit Gesetzeskraft vom 1. Juni 1794 an publiziert. Spätere Erläuterungen und Abänderungen wurden durch Patent vom 1. April 1803 dem Gesetzbuch als »erster Anhang« einverleibt. Das preußische L. gilt in den östlichen Provinzen der Monarchie, mit Ausnahme von Neuvorpommern und Rügen, in der Provinz Westfalen und in den Kreisen Rees, Essen und Duisburg der Rheinprovinz sowie in den vor 1815 preußisch gewesenen Teilen der Provinz Hannover (Ostfriesland, Niederlingen und Eichsfeld). Außerdem hat es in den fränkischen Fürstentümern Ansbach und Bayreuth und in den ehemals Erfurtischen Gebietsteilen Sachsen-Weimars seine Geltung bewahrt sowie in den Konsulargerichtsbezirken (§ 19 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900). Das preußische L. umfaßt in seinen zwei Teilen das gesamte Privatrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht und Strafrecht. Es schließt die subsidiäre Geltung des gemeinen Rechtes aus, ist dagegen selbst nur ein subsidiäres Recht gegenüber den Provinzial- und Statutarrechten. Durch die neuere Rechts- und Landesgesetzgebung ist es vielfach abgeändert worden; so gilt insbes. der strafrechtliche Teil überhaupt nicht mehr. Seit Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1. Jan. 1900) gilt es nur (§ 55 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch), soweit es ausdrücklich aufrecht erhalten wurde. Vgl. außer den Ausgaben von Schering (Berl. 1869), Rehbein u. Reincke (mit den neuern Gesetzen, 5. Aufl., das. 1894, 4 Bde.) und dem Kommentar von Koch (8. Aufl., das. 1883–87, 4 Bde.): Landé, Das allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten in dem seit 1. Januar 1900 gültigen Umfang (4. Aufl., das. 1902–04, 2 Bde.); Leske, Vergleichende Darstellung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des preußischen Landrechts (das. 1899–1903); Fr. Förster, Theorie und Praxis des preußischen Privatrechts (7. Aufl. von Eccius, das. 1896–97, 4 Bde.); H. Dernburg, Lehrbuch des preußischen Privatrechts (5. Aufl., Halle 1894–97, 3 Bde.); O. Fischer, Lehrbuch des preußischen Privatrechts (Berl. 1887).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 119.
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