[503] Quecksilber (Merkur, Hydrargyrum, Mercurius) Hg, das einzige bei gewöhnlicher Temperatur flüssige Metall, findet sich gediegen (Jungfernquecksilber, Merkur) in kleinen Tröpfchen in ältern Gesteinen, seltener im Diluvium, bei Moschel und Wolfstein in Rheinbayern, in Kärnten, Krain, Tirol, Böhmen, Ungarn, Spanien, Kalifornien, Mexiko, Peru, China u. Australien; auch mit Silber oder Gold legiert als Amalgam, mit Chlor verbunden als Quecksilberhornerz, in gewissen Fahlerzen (Antimonarsenfahlerz mit bis 17 Proz. Q.), am häufigsten mit Schwefel verbunden als Zinnober HgS mit 86,3 Proz. Q.
Die Gewinnung des Quecksilbers ist verhältnismäßig einfach, weil das Erz, der Zinnober, leicht zerlegt und das Metall durch Destillation ziemlich rein abgeschieden werden kann. Erhitzt man Zinnober bei Luftzutritt, so verbrennt der Schwefel zu Schwefliger Säure, und das Q. verflüchtigt sich in Dampfform. Erhitzt man Zinnober mit Kalk oder Eisen, dann bilden sich Schwefelcalcium, bez. Schwefeleisen und Q. Wegen der Flüchtigkeit des Metalls und der Giftigkeit der Dämpfe sind in beiden Fällen gute Kondensationsvorrichtungen erforderlich. Früher erhitzte man das Erz vielfach in Gefäßöfen, jetzt aber werden meist Schachtöfen angewandt und in neuester Zeit solche mit kontinuierlichem Betrieb. Zur Kondensation benutzt man mehrere miteinander verbundene große Kammern, in Spanien kurze tönerne, bauchig erweiterte Röhren (Aludeln), die zu langen Strängen miteinander verbunden sind und auf dem Aludelplan in Rinnen liegen. Sie haben im Bauch ein kleines Loch, aus dem das Q. in die Rinnen fließt. Die Aludelstränge münden schließlich in eine große Kammer zur Vordichtung der letzten Spuren der Dämpfe. In Amerika verarbeitet man pulverförmiges Erz in Öfen, die nach dem Prinzip der Hasenclever-Helbigschen Zinkblenderöstöfen konstruiert sind. Das gewonnene Q. wird durch Leinwand oder Leder gepreßt oder nochmals destilliert. An den Wänden der Kondensationskammern oder der Retorten sammelt sich ein Gemenge von sein zerteiltem Q., Schwefelquecksilber, Quecksilberoxyd, Chlorquecksilber, flüchtigem Öl, Idrialin, Ruß etc. Diese Masse (Quecksilberschwarz, Quecksilberruß, Stupp) wird durch Drücken mit einer Krücke von metallischem Q. befreit und dann feucht mit Kalk und Holzasche gemischt und in eisernen Kesseln mit Rührwerk anhaltend bearbeitet, wobei sich reines Q. ausscheidet. Man verschickt das Q. in doppelten Beuteln aus sämisch gegerbtem Hammelfell, in schmiedeeisernen zugeschraubten Flaschen, auch (China) in mit Harz verschlossenen Bambusstäben.[503] Das Q. des Handels enthält Blei, Zinn, Wismut und Kupfer. Reines Q. bildet beim Laufen auf einer schwach geneigten, glatten Oberfläche runde Kugeln, während unreines Q. tränenartig aussehende Tropfen bildet und einen grauen Schweif zieht. Auf diese Weise lassen sich 0,00095 Proz. Zink, 0,0012 Proz. Zinn, 0,0018 Proz. Blei, 0,0015 Proz. Kadmium und 0,0027 Proz. Wismut, aber nicht Kupfer, Silber, Gold im Q. erkennen. Beim Schütteln mit Luft bildet unreines Q. eine an der Glaswand haftende Haut oder ein schwarzes Pulver, und es gibt sich hierdurch eine Verunreinigung mit 1/40000 Blei kund. Man filtriert es zur Beseitigung mechanischer Verunreinigungen durch ein Filter von starkem Papier mit seinen Löchern oder durch Leder. Zur Abscheidung von Zink, Blei, Kupfer, Natrium und andern Metallen behandelt man das sein verteilte Q. mit oxydierenden Mitteln oder destilliert es (am besten im Vakuum), auch kann man es durch Elektrolyse reinigen.
Reines Q. ist fast zinnweiß, in sehr dünnen Schichten violettblau durchscheinend, es hängt sich nicht an die Wandungen des Gefäßes, und seine Oberfläche bleibt beim Fließen vollkommen abgerundet. Es erstarrt unter beträchtlicher Zusammenziehung bei -38,85° (-39,4°), ist dann geschmeidig, weich wie Blei, auch in Oktaedern kristallisierbar, siedet bei 357° und bildet einen farblosen Dampf; es verdampft aber schon bei gewöhnlicher Temperatur und sehr bemerkbar bei 40°, spez. Gew. 13,59, im starren Zustande 14,19, Atomgewicht 200. Durch Verreiben mit Zucker, Schwefel, Fett und durch Schütteln mit Chlorcalciumlösung, Salpeterlösung oder Essigsäure kann es äußerst sein verteilt werden. Es hält sich an der Luft unverändert, bildet aber bei längerm Erhitzen an der Luft rotes Quecksilberoxyd; es verbindet sich leicht mit Chlor und Schwefel, löst sich in verdünnter Salpetersäure und unter Entwickelung von Schwefliger Säure in heißer, konzentrierter Schwefelsäure, nicht in verdünnter Schwefelsäure und Salzsäure, durch Kohle, Phosphor, Zink, Eisen, Zinn, Blei, Kupfer wird es aus seinen Lösungen gefällt. Kolloidales Q. erhält man aus Merkuronitratlösung mit Zinnoxydulnitratlösung als braune, in auffallendem Licht schwarze Flüssigkeit, aus der bei Neutralisation mit Natronlauge das feste Hydrosol sich abscheidet. Dies bildet metallisch bleiartig glänzende Stücke, gibt ein schwarzes Pulver und bildet mit Wasser wieder flüssiges Hydrosol. Q. bildet zwei Reihen von Verbindungen; in den Quecksilberoxydverbindungen (Merkuri-, Hydrargyriverbindungen) ist nur ein zweiwertiges Atom Q. enthalten, in den Quecksilberoxydulverbindungen (Merkuro-, Hydrargyroverbindungen) enthält das Molekül die zweiwertige Atomgruppe Hg2. Man kennt nur zwei Oxydationsstufen, das Oxydul Hg2O und das Oxyd HgO. Quecksilberdämpfe sind sehr giftig, und die im Magensaft löslichen Verbindungen gehören zu den heftigsten Giften.
Man benutzt das Q. zu Barometern, Thermometern, Manometern, Luftpumpen und zu analytischen Arbeiten, zur Gewinnung von Gold und Silber, zur Feuervergoldung, zu Spiegeln und zur Darstellung zahlreicher Quecksilberpräparate, die in der Technik vielfache Anwendung finden. In der Medizin wurde Q. schon von den arabischen Ärzten, aber nur äußerlich, angewendet; erst van Swieten verallgemeinerte die innerliche Anwendung, und seitdem sind Quecksilberpräparate wichtige Arzneimittel geworden. Metallisches Q. gab man früher in Dosen bis zu 500 g und darüber bei Darmverschlingungen, wo es durch die mechanische Wirkung des schweren Körpers die dislozierten Gedärme wieder in die richtige Lage bringen sollte. In seiner Verteilung mit Kreide erscheint es in den von den Engländern als mildes Abführmittel gebrauchten blue pills. Mit Fett oder eigenartigen Mischungen verrieben, als graue Salbe oder Quecksilberresorbin, wird es zu Einreibungen in die Haut angewendet als Mittel gegen Parasiten (dieselben werden sehr schnell dadurch getötet), besonders aber bei Syphilis (Schmierkur). In Form von Pflastern benutzt man Q. bei Kondylomen, Sklerose, geschwürigen Syphilisformen an der Haut und Knochenhaut, auch bei Lupus. Auch kolloidales Q. (Hyrgol) ist zur Ausführung der Schmierkur empfohlen worden. Wird Q. in erheblichen Gaben angewendet, so tritt mit seiner Aufnahme in die allgemeine Blutmasse die Allgemeinwirkung (Merkurialismus) hervor, und zwar besonders ausgesprochen im Gebiete des Verdauungskanals. Die im Magensaft löslichen Quecksilberverbindungen gehören zu den heftigsten Giften, aber auch durch Einatmung der bei gewöhnlicher Temperatur sich entwickelnden Quecksilberdämpfe kann Vergiftung herbeigeführt werden. Die Empfindlichkeit gegen Q. ist individuell außerordentlich verschieden (vgl. Quecksilbervergiftung). Das in die allgemeine Säftemasse aufgenommene Q. wird bald schneller, bald langsamer ausgeschieden, und zwar durch die Leber, die Darmabsonderung, die Nieren, Speicheldrüsen und durch die Haut. Unter Umständen kann es ein Jahr und darüber im Körper verharren. Im Kreise Memel wird Q. in bedenklicher Weise benutzt. Litauische Männer verschlucken Q. gewohnheitsmäßig. Sie nehmen Mengen von 530 g steigend auf einmal zu sich. Frauen verreiben metallisches Q. mit Fett und benutzen die Mischung als Abortivmittel.
Q. war den Alten bekannt, die Griechen nannten es Hydrargyros, Wassersilber, flüssiges Silber, die Römer Hydrargyrum oder Argentum vivum, sie kannten das gediegene und das aus Zinnober gewonnene. Theophrast spricht vom spanischen Zinnober, und nach Vitruv wurde das Erz nach Rom gebracht und dort verarbeitet. Das Bergwerk war Staatseigentum und wurde verpachtet. Man benutzte das Q. hauptsächlich zum Vergolden und Versilbern von Kupfer und zur Wiedergewinnung von Gold aus Geweben. Die Alchimisten knüpften an das Q., das sie Mercurius nannten, viele Spekulationen, und auch die medizinischen Chemiker beschäftigten sich viel mit demselben, so daß seine Verbindungen nächst denen das Antimons am frühesten bekannt wurden. Basilius Valentinus erkannte zuerst die metallische Natur des Quecksilbers, und Braun in Petersburg entdeckte 1759, daß es in Kältemischungen erstarrt. Die Quecksilberminen von Almaden wurden vielleicht schon von den Phönikern betrieben. In der Römerzeit gewann man jährlich 5000 kg und verschloß dann die Minen. Nach der Entdeckung der mexikanischen Silberminen und des Amalgamationsverfahrens steigerte sich die spanische Quecksilberproduktion sehr stark. Die peruanischen Zinnoberminen von Huanvelica (im 18. Jahrh. geschlossen) gaben wenig Ausbeute, und was in Idria seit etwa 1497 über den eignen Bedarf in Österreich hinaus produziert wurde, kauften die Spanier von der Regierung und blieben mithin Monopolisten. 15251645 bereicherte sich die Familie Fugger an diesem ihr überlassenen Monopol. Aus Böhmen wurde 1534 über Nürnberg Q. nach [504] Venedig verfrachtet. Venezianische Gruben sind gegenwärtig ohne Bedeutung, die Produktion der toskanischen aber wächst. In Mexiko gewinnt man Q. an mehreren Orten, jedoch nur in geringer Menge. In Kalifornien wurde 1845 Zinnober entdeckt, und gegenwärtig hat Kalifornien die größte Produktion. Seit 1903 hat man in Algerien die Quecksilberproduktion begonnen. Im J. 1901 betrug die Quecksilberproduktion 3647 Ton., davon in Spanien 846, Österreich 512, Ungarn 40, Deutschland 1,7, in den Vereinigten Staaten 1031, in Italien 278, Rußland 368, Mexiko 335, Bosnien 5, Japan 2,8, China 17,3 Ton.
Getötetes Q. nennt man mit Fett, Pulver etc. so lange verriebenes Q., daß man selbst mit der Lupe kein Quecksilberkügelchen wahrnimmt, wie z. B. in der Grauen Salbe. Versüßtes Q., soviel wie Quecksilberchlorür.
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