[548] Likör (v. lat. liquor, »Flüssigkeit«), aromatisches, zuckerhaltiges, geistiges Getränk, das aus Spiritus, aromatischen Pflanzensubstanzen und Zucker bereitet wird. Je nach dem Zuckergehalt unterscheidet man Cremes, eigentliche Liköre und doppelte oder einfache Aquavite. Die Cremes sind dickflüssig und werden aus den feinsten Pflanzensubstanzen bereitet. Mit Spiritus vermischte Fruchtsäfte nennt man Ratafias (z. B. Kirschratafia).
Zur Darstellung werden bisweilen aromatische Pflanzenstoffe mit Wasser destilliert und das an ätherischem Öl reiche wässerige Destillat mit Zucker und Spiritus versetzt. Häufiger löst man ätherische Öle in wenig Spiritus und setzt die Lösung dem Likörkörper, der Mischung von Zucker, Wasser und Alkohol, hinzu (Fabrikationauskaltem Wege). Solche alkoholische Lösungen ätherischer Öle, die häufig mehrere ätherische Öle enthalten, sind als Liköressenzen im Handel. Will man auch die extraktartigen Bestandteile der Pflanzen verwerten, so zieht man sie mit Spiritus von höchstens 70 Proz. in der Wärme (Digerieren) oder bei gewöhnlicher Temperatur (Macerieren) aus und benutzt diese Tinkturen wie die Liköressenzen. Die mit Tinkturen hergestellten Liköre sind meist bitter, aber nicht in entsprechender Weise aromatisch, man vermischt sie deshalb wohl mit etwas ätherischem Öl derselben Pflanze oder bereitet einen farblosen L. mit ätherischem Öl und gibt diesem durch Zusatz von Tinktur die passende Bitterkeit. Aus frischen Himbeeren, Kirschen, Erdbeeren, Quitten, Ananas etc. werden Liköre dargestellt, indem man die Früchte zerstampft, den ausgepreßten Saft mit 1/3-1/2 Spiritus vermischt und zur Klärung lagern läßt. Bei der Herstellung der Liköre löst man den Zucker in weichem Wasser und gießt den ausgekochten Sirup durch Flanell. Nimmt man 1,75 kg Zucker auf 1 Lit. Wasser, so erhält man 2 Lit. Sirup, von dem das Liter 875 g Zucker enthält und etwa 1326 g wiegt. Für feinere Liköre ist der reinste Zucker anzuwenden, nur die Aquavite oder sehr bittere, extraktreiche Liköre vertragen Melis. Statt des Rohrzuckers benutzt man auch Invertzucker, der nicht kristallisiert. Zum Färben der Liköre dienen alkoholische Tinkturen von Kochenille, Heidelbeeren, Saflor, Ringelblumen, Kurkuma, ferner Indigolösung, blauer Karmin und Zuckertinktur. Grün erhält man aus Blau und Gelb, Violett aus Blau und Rot. Manche Liköre enthalten Blattgold (Goldwasser) und Blattsilber, das mit etwas L. sein zerrieben wurde; doch darf man nur ganz reines Gold und Silber anwenden. Die Liköre klären sich durch Lagern. Zur schnellern Klärung mischt man sie mit einem ausgedrückten Brei aus Filtrierpapier und gießt sie durch einen Spitzbeutel. Frisch bereitete Liköre und namentlich die aus Alkohol und ätherischen Ölen gemischten zeigen einen starken Spritgeschmack, der sich erst nach längerm Lagern verliert. Die Feinheit der Liköre, die durch Lagern erreicht wird, kann man in 24 Stunden erzielen, wenn man sie auf 38 bis 40° erwärmt. Hierbei erhalten die Liköre auch die geschätzte ölige Beschaffenheit. Die Likörkörper kommen in verschiedener Stärke zur Anwendung. Die folgenden Vorschriften, bei denen Sirup von angegebener Konzentration und Spiritus von 90 Proz. angenommen sind, geben einige Beispiele.[548]
Für je 0,1 Lit. Spiritus von 90 Proz., das man mehr oder weniger nimmt, wird der L. um 1 Proz. stärker oder schwächer, und für je 2 Proz., die der Spiritus stärker oder schwächer ist als 90 Proz., wird der Likörkörper 1 Proz. stärker oder schwächer. L. heißt auch der aus Kognak und Kandis bereitete Sirup, der jedem Champagner zugesetzt wird. Vgl. Möwes, Die Destillierkunst der geistigen Getränke (9. Aufl., Berl. 1892); Gaber, Die Likörfabrikation (8. Aufl., Wien 1905) und Der praktische Destillateur und Spirituosenfabrikant (das. 1901); Fischer, Likörfabrikation (3. Aufl., Halle 1881); Sachsse u. Komp., Anleitung zur Herstellung von Likören, Aquaviten etc. (5. Aufl., Leipz. 1904); Engelhardt, Handbuch der praktischen Likörfabrikation (das. 1892); Trempenau, Die Likörfabrikation (3. Aufl., das. 1899); J. de Brevans, La fabrication des liqueures (Par. 1897).