Meerschaum

[541] Meerschaum, Mineral, ähnlich dem dichten Talk (Speckstein), derb und in Knollen, auch in Pseudomorphosen nach Kalkspat, weiß, gelblich- oder gräulichweiß, matt, undurchsichtig, mit flachmuscheligem und feinerdigem Bruch, fühlt sich etwas fettig an, haftet stark an der Zunge, schwimmt, weil er viel Luft einschließt, auf dem Wasser, spez. Gew. 2, Härte 2–2,5, besteht aus kieselsaurer Magnesia H4Mg2Si3O10 mit 12 Proz. Wasser, das erst bei Rotglut entweicht, enthält stets auch etwas Kohlensäure und noch bis gegen 10 Proz. hygroskopisches Wasser. Der M. findet sich besonders eingesprengt in Serpentin, aus dem er sich xa bilden scheint, in der Ebene Eski Schehr in Anatolien, bei Brussa, Kiltschik, von wo er in den Handel kommt, außerdem auf Samos, Negroponte bei Theben, zu Vallecas bei Madrid, Hrubschitz in Mähren, in der Krim etc. In der Gegend von Eski Schehr ruht unter einer 2–30 m mächtigen Schicht lustartigen Brecciengesteins mit Serpentinstücken die M. führende Schicht, ein ähnliches Brecciengestein von meist 5–20 m Mächtigkeit. Die Meerschaumknollen haben meist die Größe eines mittelmäßigen Apfels, manche aber den Rauminhalt von mehreren Litern. Der M. ist, frisch gegraben, weich wie Wachs und muß sehr vorsichtig getrocknet werden, wenn er nicht rissig werden soll. Man befreit ihn dann von der bräunlichgelben Rinde und allen Verunreinigungen und bringt ihn m. ch Brussa, wo er sortiert und besonders nach Wien, Leipzig, Paris und Nordamerika versandt wird. Im spezifischen Gewicht, in der Weichheit und Gleichmäßigkeit der Masse und in der Farbe zeigt M. große Verschiedenheiten, und namentlich enthält er oft Einschlüsse von opalartiger Masse, welche die Verarbeitung sehr erschweren. Der beste M. ist der türkische, der mährische ist sehr leicht und unansehnlich grau, besser ist der spanische. Man benutzt ihn fast ausschließlich zu Pfeifenköpfen und Zigarrenspitzen, während die Römer wahrscheinlich kostbare Gefäße daraus geschnitten haben. In Europa entstanden die ersten Fabriken zur Verarbeitung von M. im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrh. zu Lemgo und etwa um dieselbe Zeit in Ruhla, wo schon 1800 in 27 Fabriken 150 Personen beschäftigt waren. Hier wurde auch zuerst aus den Abfällen künstlicher M. (Masse) hergestellt, der gegenwärtig in großer Menge verarbeitet wird. Auch Nürnberg und Paris liefern Meerschaumwaren; Hauptsitz der Industrie ist aber Wien. Zur Darstellung des künstlichen Meerschaums werden die Abfälle gewaschen und mit Wasser in einen höchst zarten Schlamm verwandelt. Man mischt diesen mit Kaolin oder besser mit kieselsaurer Tonerde (aus Alaun und Wasserglas erhalten), kocht die Mischung und füllt sie in Kistchen mit Leinwandböden, in denen sie Wasser verliert und so viel Konsistenz gewinnt, daß sie bald in die Trockenkammern gebracht werden kann. Einen andern künstlichen M. erhält man durch Fällen gemischter Lösungen von Alaun und Bittersalz mit Wasserglas und Natronlauge oder durch Imprägnieren mit kohlensaurer Magnesia mit Wasserglas. Die besten Imitationen sind dem natürlichen M. ungemein ähnlich, und nur der Kenner vermag sie von diesem zu unterscheiden; an Dauerhaftigkeit und Anrauchfähigkeit stehen sie ihm aber weit nach. Der echte wie der künstliche M. werden im feuchten Zustand verarbeitet, dann getrocknet, in geschmolzenen Talg oder Walrat gelegt, bis sie an den Rändern durchscheinend geworden sind, abgeschliffen, poliert, getrocknet und in geschmolzenes Wachs gebracht. Durch diese Behandlung mit Fett wird der M. fester, dauerhafter, politurfähiger, und vor allem raucht er sich gleichmäßiger an. Die Ölköpfe (Ruhlaer Köpfe), die beim Rauchen eine marmorartige, bunte Farbe annehmen, werden aus unreinem, wolkigem, geädertem M. hergestellt, indem man sie nach dem Eintauchen in Talg und dem Polieren mit dünnflüssigem Leinölfirnis tränkt, bei 50° trocknet, wieder mit Firnis behandelt und von neuem trocknet; bisweilen gibt man ihnen auch gleich die braune Farbe, indem man sie in einer eisernen Bratröhre genügend stark erhitzt. Schwarz gefärbte Meerschaumköpfe sind gegenwärtig nicht mehr beliebt. Vgl. Raufer, Meerschaum- und Bernsteinwarenfabrikation (Wien 1877); Tomasek, Pfeifenindustrie (Weim. 1878); Ziegler, Geschichte des Meerschaums (2. Aufl., Dresd. 1883).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 541.
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