[170] Moschustier (Bisamtier, Bisamziege, Moschus moschiferus L.), einzige Art der Säugetiergattung Moschus L., die allein die Familie der Moschustiere (Moschidae) aus der Ordnung der paarzehigen Huftiere repräsentiert, ein zierliches Tier (s. Abbildung) von Größe und Habitus eines Rehes, etwa 1,15 m lang, 40 cm hoch, mit mittellangem Hals, mittelgroßen Augen und Ohren, ohne Geweih, das Männchen mit 57 cm langen, hauerartig hervorragenden obern Eckzähnen, schlanken Beinen, zierlichen Hufen, bis auf den Boden herabreichenden Afterklauen und sehr kurzem, dickem, beim Männchen nur an der Spitze behaartem Schwanz. Das Haarkleid ist sehr dunkel, rotbraun oder gelblichbraun, unten weiß, auch gescheckt. Das M. bewohnt die Gebirge Hinterasiens, vom Amur bis zum Hindukusch und vom 60.°[170] nördl. Br. bis Indien und China und findet sich am häufigsten auf den tibetischen Abhängen des Himalaja, in der Umgebung des Baikalsees und in den Gebirgen der Mongolei bis in die Nähe der obern Baumgrenze. Es springt, läuft und klettert vortrefflich, ist zwar sehr scheu, aber nicht klug und berechnend. Es lebt paarweise, hält sich am Tage verborgen und betritt nur in der Dämmerung und in der Morgenstunde die Weideplätze. Zur Brunstzeit im November und Dezember schlagen sich die Rudel zusammen. dann kämpfen die Männchen wütend miteinander und verbreiten um diese Zeit außerordentlich starken Moschusgeruch. Das Weibchen wirft im Mai 12 Junge. Die Nahrung besteht aus Baumflechten, Kräutern, Wurzeln und Beeren. Das Männchen hat am Bauch zwischen dem Nabel und den Geschlechtswerkzeugen einen rundlichen Beutel von 57 cm Länge, 3 cm Breite und 3 cm Höhe, der auf beiden Seiten, bis auf eine kreisförmige Stelle in der Mitte, mit straff anliegenden Haaren besetzt ist. An der kahlen Stelle liegen zwei kleine Öffnungen hintereinander, die durch kurze Röhren in das Innere des Beutels führen.
Hier sondern seine Drüsen den Moschus ab (3050 g), der, wenn er sich zu sehr angehäuft hat, durch die vordere Röhre entleert wird. Die Jagd des wegen dieses Moschusbeutels höchst wertvollen Tieres ist sehr schwierig; gewöhnlich legt man Schlingen auf die Wechsel. In Sibirien lockt man es im Winter mit Flechten an. Die Tungusen erlegen es mit dem Bogen und locken es durch Blatten, d.h. Nachahmen des Blökens der Kälber, herbei. Das Fleisch wird auch von den Europäern in Indien sehr geschätzt, das Fell wird zu Kappen und Winterkleidern benutzt, auch zu sämischgarem Leder verarbeitet, der Moschusbeutel aber wirft den reichlichsten Gewinn ab. Nach amtlichen Berichten werden in Sibirien jährlich an 50,000 Moschustiere erlegt, darunter etwa 9000 Männchen. In Tibet darf das M. nur mit Erlaubnis der Regierung gejagt werden, die auf den Beutel das fürstliche Siegel drückt. Griechen und Römern war das M. unbekannt, die Chinesen aber benutzen den Moschus seit Jahrtausenden. In Europa erhielt man die erste Kunde von dem Tier durch die Araber, Marco Polo gab um 1300 genauere Nachrichten, aber erst Pallas lieferte eine richtige Beschreibung des Tieres.