Neujahr

[560] Neujahr, der erste Tag eines Jahres, gegenwärtig fast in allen christlichen Ländern der 1. Januar, den wir als Anfang des bürgerlichen Jahres von den Römern übernommen haben. Neben demselben waren im Mittelalter noch andre Anfangstage gebräuchlich, namentlich der Geburtstag Christi, der 25. Dezember, dessen sich die deutschen Kaiser noch bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrh. in Urkunden bedienten. In Frankreich zählte man bis 1556 das Jahr häufig vom Osterfest an, in England war bis 1752 der 26. März als Jahresanfang üblich. Gegenwärtig fangen die Kopten das Jahr noch mit 1. August, die syrischen Christen mit 1. September, Nestorianer und Jakobiten mit 1. Oktober des julianischen Kalenders an. Der Neujahrstag hatte schon im Altertum festliche Bedeutung. Bei den Juden (s. Feste, S. 463) fiel er auf den 1. Tischri, den man nicht nur für Gottes Gerichtstag (daher Jom Hadin, Gerichtstag), sondern auch für Adams Erschaffungstag hielt. Da das Fest durch Trompeten- oder Posaunenschall verkündet wurde, hieß es Trompeten- oder Posaunenfest, auch Sabbat des Blasens. Die Perser feierten den Tag des Jahresanfangs (Naurôz) als Festtag, an dem man sich mit Eiern beschenkte (s. Feste, S. 465). Die Römer pflegten am Neujahrstag dem Janus (s. d. und Januar) zu opfern und hielten ihn für einen Tag von günstiger Vorbedeutung. Auch waren die Neujahrswünsche und Neujahrsgeschenke schon üblich, und man pflegte besonders den Magistratspersonen an diesem Tage Glückwünsche darzubringen. Anfangs beschenkte man sich gegenseitig mit Früchten, später mit reichern Gaben, und jeder Klient hatte seinem Patron am Neujahrstag ein Geschenk (strena) darzubringen. Die Kaiser forderten nachmals diesen Tribut von allen Bewohnern Roms. Nach Feststellung des Geburtstags Jesu auf den 25. Dezember wurde von der christlichen Kirche auf den 1. Januar das Fest der Beschneidung Jesu (circumcisio) verlegt. Von den alten Sitten haben sich die Neujahrsgratulationen, in Frankreich und Belgien, wo man dagegen die Weihnachtsgeschenke nicht kennt, auch die Neujahrsgeschenke (étrennes) erhalten. In Deutschland waren die letztern früher ganz allgemein. Das Epiphaniasfest (6. Januar) wird hier und da Hohes oder Großes N. genannt (vgl. Klopf an). In China fällt N. auf den Tag nach dem Neumond, der eintritt, wenn die Sonne im Zeichen des Wassermannes steht, also zwischen 20. Jan. und 18. Febr., ebenso bis 1872 in Japan und bis 1892 in Korea, welch letztere Staaten seit dem den Neujahrstag des gregorianischen Kalenders angenommen haben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 560.
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