Radiophonīe

[557] Radiophonīe (lat.-griech., Thermophonie), Erzeugung eines Tones durch Einwirkung eines in regelmäßigen Zwischenräumen unterbrochenen Lichtstrahls auf eine dünne Platte, wobei die Schwingungszahl des Tones gleich ist der Anzahl der in einer Sekunde erfolgenden Unterbrechungen des Lichtstrahls. Die Unterbrechungen des Lichtstrahls werden z. B. mit Hilfe einer rotierenden Glasplatte hervorgebracht, die mit dunkelm Papier beklebt ist, in das am Rande die Öffnungen für den Durchgang der Strahlen eingeschnitten sind. Die Stärke des gehörten Tones ist hauptsächlich bedingt durch die Beschaffenheit der Oberfläche der Platte und wird bedeutend erhöht, wenn man diese Oberfläche mit Ruß, Platinmohr, Asphalt etc. überzieht, welche die Strahlen[557] kräftig absorbieren. Offenbar liegt hier eine Oberflächenwirkung vor, an der die Platte selbst keinen Anteil hat, und in der Tat geben Baumwolle, Kork, Schwamm etc., in einem mit einer Glasplatte verschlossenen Schalltrichter von intermittierendem Licht bestrahlt, lautere Töne als andre Stoffe, namentlich wenn sie dunkel gefärbt oder noch besser mit Ruß geschwärzt waren; auch mit Ruß geschwärztes Drahtgewebe oder Lampenruß allein erweist sich als sehr wirksam. Ein sehr einfaches und wirksames Radiophon erhält man, wenn man ein mit Ruß überzogenes biegsames Glimmerplättchen in ein Probierröhrchen einschiebt und die Strahlen so auf die Rußschicht fallen läßt, daß sie zuerst die gegenüberliegende durchsichtige Wand des Gläschens passieren. Das offene Ende des Röhrchens wird durch einen Kautschukschlauch mit einem Höhrrohr verbunden; bei Anwendung von Drummondschem Licht hört man auf diese Weise die radiophonischen Töne bis auf eine Entfernung von 1–2 m von der Mündung des Hörrohrs. Will man mittels dieser Einrichtung die artikulierten Laute der menschlichen Sprache reproduzieren, so muß man das Lichtbündel an einem dünnen, biegsamen Spiegel reflektieren lassen, der durch die gegen seine Rückseite gesprochenen Worte in Erzitterungen versetzt wird, die sich dem zurückgeworfenen Lichtbündel mitteilen. Wird das Lichtbündel mittels einer Linse auf der Rußschicht des Radiophons konzentriert, so hört man aus diesem die gesprochenen Worte deutlich herausklingen. Die radiophonischen Töne werden am stärksten durch die roten und ultraroten Strahlen hervorgebracht, d. h. durch diejenigen Strahlen, deren erwärmende Wirkung am größten ist, während die Einwirkung auf das Selen, die dem Bellschen Photophon zugrunde liegt, vorzugsweise den leuchtenden Strahlen zuzuschreiben ist. Die radiophonischen Töne entstehen ohne Zweifel dadurch, daß die in den Zwischenräumen zwischen den Teilchen der lockern Körper, z. B. des Rußes, enthaltene Luft sich abwechselnd erwärmt und ausdehnt, dann wieder abkühlt und zusammenzieht und so in hörbare Schwingungen gerät. Auch Gase und Dämpfe, die in kleine Glaskolben eingeschlossen sind, von deren Mündung ein Kautschukschlauch nach dem Ohr führt, werden durch intermittierende Strahlen, die man auf den Hals des Kölbchens fallen läßt, zum Tönen gebracht, und zwar um so stärker, je größer ihr Absorptionsvermögen für die einfallenden Strahlen ist. Breitet man das intermittierende Licht zu einem Spektrum aus, so tönt ein Körper in demjenigen Teil des Spektrums am kräftigsten, für den er das größte Absorptionsvermögen hat. Man kann daher die Stellen stärkster Absorption, an denen sich dem Auge dunkle Absorptionsstreifen zeigen würden, auch durch das Gehör wahrnehmen. Bell, der 1893 ein Radiophon in Chicago ausstellte, hat auch zu diesem Zweck ein Spektrophon eingerichtet, das nichts andres ist als ein Spektroskop, dessen Okular durch ein Hörrohr ersetzt ist. Beim Elektroradiophon fallen die intermittierenden Strahlen auf eine Selenzelle, d. h. eine zwischen zwei parallelen Drähten enthaltene Selenschicht, deren Widerstand durch Belichtung vermindert wird, so daß beim Anschluß der Drähte an eine galvanische Batterie ein intermittierender Strom entsteht, der in einem eingeschalteten Telephon die Töne reproduziert.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 557-558.
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