Raimund von St.-Gilles

[576] Raimund von St.-Gilles (spr. ßäng-schīl'), Graf von Toulouse, Sohn des Grafen Pons, erbte von[576] diesem die Grafschaften Rouergue, Nîmes und Narbonne und folgte 1088 seinem ältern, söhnelosen Bruder, Wilhelm IV., auch in Toulouse, wodurch er einer der mächtigsten und reichsten Fürsten seiner Zeit wurde. Eifrig kirchlich gesinnt und von lebhaftem Tatendrang erfüllt, war er einer der ersten, die 1095 das Kreuz nahmen, und weihte sich bis an sein Lebensende dem Kampf gegen die Ungläubigen. In Begleitung des päpstlichen Legaten Adémar von Puy brach er an der Spitze eines Kreuzheeres im Oktober 1096 auf und zog durch die Lombardei, Friaul, Dalmatien und Slawonien nach Konstantinopel, wo er sich mit den übrigen Kreuzfahrern vereinigte und mit Alexios I. intim befreundete. Er nahm hervorragenden Anteil an den Erfolgen des ersten Kreuzzugs, eroberte nach demselben 1103 das Fürstentum Tripolis und starb 28. Febr. 1105. Seine Nachkommen herrschten in Tripolis bis 1187. Sein Urenkel Raimund VI., Sohn Raimunds V., geb. 1156, gest. 1222, folgte seinem Vater in Toulouse 1195. Er hielt einen glänzenden Hof, den Mittelpunkt der provenzalischen Poesie. Wegen seiner Begünstigung der Albigenser 1207 mit dem Bann belegt, erst vom päpstlichen Legaten Peter von Castelnau, dann nach dessen Ermordung (im Januar 1208) vom Papst Innozenz III. selbst und durch den Einfall zügelloser Scharen von Kreuzfahrern bedroht, unterwarf er sich der Kirche, wurde aber dennoch von seinen habgierigen Nachbarn bekriegt und seiner Lande beraubt, die Simon von Montfort übertragen wurden. Doch eroberte R. mit Hilfe seines Sohnes Toulouse wieder. Sein Sohn Raimund VII., geb. 1197, gest. 27. Sept. 1249 in Milhaud, eroberte bis 1224 fast alle Besitzungen seines Hauses wieder, worauf König Ludwig VIII. von Frankreich, dem Amauri von Montfort seine Rechte übertragen hatte, gegen ihn auftrat und den Papst Honorius III. bewog, die Unterwerfung Raimunds unter die rechtgläubige Kirche zurückzuweisen. 1229 mußte R., um Frieden zu erlangen, nicht bloß Kirchenbuße tun, sondern auch die Oberlehnshoheit Frankreichs anerkennen und diesem einen Teil seiner Besitzungen abtreten. Er führte nun die Inquisition ein und verfolgte die Ketzer aufs grausamste, wurde aber dennoch wiederholt mit dem Bann belegt. Mit ihm erlosch das Grafengeschlecht von Toulouse, dessen Besitzungen an die französische Krone sieten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 576-577.
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