Reicher

[730] Reicher, 1) Joseph, österreich. General, geb. 19. April 1834 zu Semelkowitz in Böhmen, trat 1853 als Leutnant in ein Infanterieregiment, nahm am Kriege in Italien teil, wurde 1865 Archivar der Militärbundeskommission in Frankfurt, 1870 Professor der Strategie und Kriegsgeschichte an der Kriegsschule, 1876 Oberst und Generalstabschef beim Generalkommando in Budapest, 1877 Chef des Landesbeschreibungsbureaus, 1886 Feldmarschalleutnant; 1889 mit der Leitung des 13. Korpskommandos betraut, wurde er 1890 zum kommandierenden General des 13. Korps in Agram, im März 1891 zum Kommandanten des 14. Korps in Tirol und Vorarlberg ernannt. R. ist heute Feldzeugmeister und Geheimrat.

2) Emanuel, Schauspieler, geb. 18. Jan. 1849 in Bochnia (Galizien), erhielt seine Schulbildung auf dem Gymnasium in Krakau, wo seine Neigung für das Theater bereits zum Durchbruch kam, und schlug 1868 die Bühnenlaufbahn ein. Nachdem er zuerst auf dem Josephstädtischen Theater in Wien gespielt, schloß er sich Ungarn bereisenden Wandertruppen an und wurde dann 1873 an das königliche Residenztheater in München engagiert, dem er bis 1881 angehörte. In den folgenden Jahren war er an den Stadttheatern in Hamburg und Wien und am Hoftheater in Oldenburg tätig, und 1884 siedelte er nach Berlin über, wo er nacheinander Mitglied des Residenztheaters (bis 1888 und dann wieder von 1890 bis 1992), des königlichen Schauspielhauses (1888 bis 1890), des Lessingtheaters (bis 1894), des Deutschen Theaters, der Reinhardtschen Bühnen (Kleines und Neues Theater) und 1904 wiederum des Lessingtheaters wurde. Als Vertreter des äußersten Realismus machte er sich anfangs durch ernste und komische Charakterrollen in modernen französischen Stücken bekannt, später noch mehr durch seine hervorragende Mitwirkung in den Schauspielen Ibsens, Björnsons, Strindbergs, Hauptmanns und andrer moderner Dramatiker, deren natürlichen, effektlosen Stil er meisterhaft in seiner Darstellung ausprägt. Ihre Richtung vertritt er auch in der von ihm gegründeten Hochschule für dramatische Kunst sowie als Deklamator und Vorleser an Vortragsabenden, die[730] der modernen Literatur gewidmet sind. Von 1875 bis 1881 war er mit der Sängerin Hedwig Kindermann (s. den folgenden Artikel) vermählt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 730-731.
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