[135] Roquette (spr. -kétt'), Otto, deutscher Dichter, geb. 19. April 1824 in Krotoschin (Posen) aus ursprünglich französischer Familie, gest. 18. März 1896 in Darmstadt, besuchte das Gymnasium in Frankfurt a. O., studierte seit 1846 in Heidelberg, wo er bereits viele seiner schönsten Lieder dichtete, und seit 1848 in Halle und machte sich durch sein Märchen »Waldmeisters Brautfahrt« (Stuttg. 1851, 77. Aufl. 1905; mit Illustrationen von Schmidhammer, das. 1897) sowie das Phantasiestück »Orion« (Brem. 1851) schnell in weitern Kreisen bekannt. Nach längern Reisen durch Süddeutschland, die Schweiz und Oberitalien, die ihm zum Teil unmittelbar Stoff zu neuen Dichtungen, wie »Der Tag von St. Jakob« (Stuttg. 1853; 4. neubearbeitete Auflage, das. 1879), boten, ließ er sich 1852 in Berlin nieder, wirkte 185457 am Blochmannschen Institut in Dresden als Lehrer der deutschen Sprache und Literatur und kehrte darauf nach Berlin zurück, wo er 1862 zum Professor der allgemeinen Geschichte an der Kriegsakademie ernannt wurde, legte diese Stellung aber bereits 1863 wieder nieder. Von 1869 bis zu seinem Tode wirkte er als Professor der deutschen Literatur und der Geschichte an der Polytechnischen Hochschule in Darmstadt. Der Erfolg von Roquettes spätern Produktionen ward durch den unbegründeten Vergleich ernsterer poetischer Aufgaben mit der anmutigen Heiterkeit und der naiven Liebenswürdigkeit des »Waldmeister« beeinträchtigt. Ließen sein »Liederbuch« (Stuttg. 1852; 2. Aufl. u. d. T.: »Gedichte«, 1859; 3. Aufl. 1880), die Sage »Herr Heinrich« (das. 1854, 2. Aufl. 1857), das dramatische Gedicht »Das Reich der Träume« (Berl. 1853, 3. Aufl. 1859), selbst der Roman »Heinrich Falk« (Bresl. 1858, 3 Bde.) Vertiefung und Kraft vermissen, so schlug R. schon in der trefflichen poetischen Erzählung »Hans Haidekuckuck« (Berl. 1855, 4. Aufl. 1894) einen vollern Ton an und zeigte kräftigere Züge. Seine »Erzählungen« (Stuttg. 1859), die »Neuen Erzählungen« (das. 1862), »Susanne«, Erzählung (das. 1864), die Novellensammlung »Luginsland« (das. 1867) bekundeten überall Fortschritte. Roquettes »Dramatische Dichtungen« (Stuttg. 186776, 2 Bde.) sind von ungleichem Wert, enthalten aber einige vortreffliche und wahrhaft poetische Arbeiten; höher noch stehen die ernste, phantasievolle, ebenfalls in dramatischer Form abgefaßte Dichtung »Gevatter Tod« (Stuttg. 1873) und die »Novellen« (Berl. 1870, 2. Aufl. 1875) sowie die Novellensammlung »Welt und Haus« (Braunschw. 187175, 2 Bde.). Spätere Dichtungen waren: »Rebenkranz zu Waldmeisters silberner Hochzeit«, poetische Erzählung (Stuttg. 1876, 6. Aufl. 1893; auch in der Cottaschen Handbibliothek, das. 1903); die Romane: »Euphrosyne« (das. 1877), »Das Buchstabierbuch der Leidenschaft« (Berl. 1878, 2 Bde.), »Im Hause der Väter« (das. 1878) und »Die Prophetenschule« (das. 1879); »Idyllen, Elegien und Monologe« (Stuttg. 1882); »Inga Svendson«, Erzählung (Münch. 1883); »Neues Novellenbuch« (Bresl. 1884); »Große und kleine Leute in Alt-Weimar« (das. 1886); »Cesario, Erzählung in Versen« (Stuttg. 1888); »Über den Wolken und andere Novellen« (Bresl. 1887); »Frühlingsstimmen« (das. 1890); »Sonderlinge«, Novellen (das. 1895) u.a. Als Früchte seiner literarhistorischen Studien veröffentlichte er: »Leben und Dichten Joh. Christ. Günthers« (Stuttg. 1860); »Geschichte der deutschen Literatur« (das. 186263, 2 Bde.; 3. Aufl. u. d. T.: »Geschichte der deutschen Dichtung«, 1879; neue Ausg., Frankf. 1882); »Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten, nebst einer historischbiographischen Übersicht« (Berl. 1877, 2 Bde.). R. verfaßte auch das von Liszt komponierte Oratorium »Legende der heil. Elisabeth«, die Biographie »Friedrich Preller, ein Lebensbild« (Frankf. 1883) und seine Autobiographie: »Siebzig Jahre. Geschichte meines Lebens« (Darmst. 1893, 2 Bde.). Aus seinem Nachlaß erschienen: »Von Tag zu Tage« (darunter das Schauspiel[135] »Lanzelot«), herausgegeben von L. Fulda (Stuttgart 1896), und »Die Reise ins Blaue«, mit Illustrationen von E. Kanoldt (Leipz. 1899).