[357] Sabatier (spr. -tjē), 1) François, franz. Schriftsteller, geb. 2. Juli 1818 in Montpellier, gest. 1. Dez. 1891 in Lunel-Viel, reiste, früh für Poesie und Malerei begeistert, 1838 nach Italien, wo er sich 1841 mit der 15 Jahre ältern Sängerin Karoline Unger (geb. 28. Okt. 1803 in Stuhlweißenburg, gest. 23. März 1877 bei Florenz) verheiratete, und machte weitere Reisen nach Österreich, Deutschland und Griechenland bis Konstantinopel und Kleinasien. Sein Wohnsitz war, wenn er nicht das von seinem Vater ererbte Gut bei Montpellier bewohnte, die Villa Concezione in Florenz. Von seinen Schriften verdienen Erwähnung: »Le Salon de 1851« (Par. 1851), eine geistvolle Kunstkritik, sowie seine Übersetzungen von Schillers »Tell« (Königsb. 1859) und Goethes »Faust« (Par. 1893) ins Französische. Hier traf er Geist und Poesie der Originale vortrefflich; da er jedoch, nur seinem Ohr vertrauend, in Versbau und Reim die französische Tradition verließ, ist er bei seinen Landsleuten nicht zur vollen Anerkennung gelangt. Vgl. O. Hartwig in der »Deutschen Rundschau«, 1897.
2) Louis Auguste, protestant. Theolog, geb. 22. Okt. 1839 in Vallon (Ardèche), gest. 12. April 1901 in Paris, studierte in Montauban und auf deutschen Universitäten, wurde 1868 Professor der französischen Literatur am Gymnasium in Straßburg, wo er gleichzeitig Vorlesungen an der protestantisch-theologischen Fakultät hielt, und ging 1873 als Professor an die neuerrichtete protestantisch-theologische Fakultät in Paris. Sabatiers theologische Arbeit zeichnet sich aus durch eine glückliche Verbindung historisch-psychologischer und systematischer Denkweise, verbunden mit der Gabe anschaulicher Darstellung. Er schrieb: »Le témoignage de Jésus-Christ sur sa personne« (1863); »Essai sur les sources de la vie de Jésus« (1866); »Jésus de Nazareth, le drame de sa vie, la grandeur de sa personne« (1867); »Guillaume le Taciturne«[357] (1872); »De I'influence des femmes sur la littérature française« (1873); »La notion hébraïque de l'esprit« (1879); »L'Apôtre Paul, esquisse d1une histoire de sa pensée« (1881, 3. Aufl. 1826); »De l'origine du péché dans la théologie de l'Apôtre Paul« (1887); »Les origines littéraires et la composition de l'Apocalypse de saint Jean« (1888); »De la vie intime des dogmes« (1889; deutsch von Schwalb: »Die christlichen Dogmen, ihr Wesen und ihre Entwickelung«, Leipz. 1890); »L'évangile de Pierre et les évangiles« (1893); »Essai d'une théorie critique de la connaissance religieuse« (Lausanne 1893; deutsch von A. Baur u. d. T.: »Theologische Erkenntnistheorie«, Freib. 1895); »Esquisse d'une philosophie de la religion d'après la psychologie et l'histoire« (1897, 5. Aufl. 1898; deutsch von Baur: »Religionsphilosophie auf psychologischer und geschichtlicher Grundlage«, Freib. 1898); »La religion et la culture moderne«, Vortrag (1897; deutsch von Sterzel, das. 1898); »Lettres du dimanche« (1900), sämtlich in Paris erschienen. Nach seinem Tod erschien »Les religions d'autorité et la religion de l'esprit« (Par. 1904).
3) Paul, reform. Theolog und Historiker, geb. 3. Aug. 1858 in Saint-Michel de Chabrillonoux (Cevennen), 188993 Pfarrer in St.-Cierge (Cevennen), setzt Privatmann, schrieb die großes Aufsehen erregende »Vie de saint François d'Assise« (34. Aufl., Par. 1907; seit 1894 auf dem Index; deutsch von M. Lisco, Berl. 1895; neue Ausg. mit Nachtrag 1897) und hat durch zahlreiche andre Arbeiten (»Collection de documents pour l'histoire religieuse et littéraire du moyen-âge«, Par. 1900 ff.; »Opuscules de critique historique«, das. 1901 ff.) Interesse und Verständnis für den Heiligen und die von ihm ausgegangene religiöse Bewegung gefördert. S. gehört zu den Gründern der Société internationale des études franciscaines (seit 1902) mit dem Sitz in Assisi. Mit seiner Schrift »A propos de la séparation des églises« (Par. 1906; deutsch, Berl. 1907) griff er neuerdings in den französischen Kirchenstreit ein.