[235] Sebastopol (Ssewastópol, tatarisch Achtiár), Handels- und Kriegshafen im russ. Gouv. Taurien, Kreis Simferopol, an der Südwestspitze der Halbinsel Krim (s. d., mit Karte), Endpunkt der Eisenbahn Kursk-Charkow-S., liegt an der Südseite einer von W. her eindringenden Bucht, die eine der schönsten Reeden der Welt bildet und stets eisfrei bleibt. Ihre Länge von der Einfahrt in dieselbe bis zur Mündung des Flüßchens Tschornaja beträgt 7 km, die größte Breite über 1 km und die Tiefe 1118 m. Die Stadt ist an den Verzweigungen der Hauptbucht, besonders an der »Südlichen Bucht«, gelegen und hat ein vollständig modernes Gepräge. Denkmäler der Admirale Nachímow, Lasarew und Kornilow, und Monumentalgebäude erinnern an die berühmte Belagerung Sebastopols im Krimkriege. S. hat 19 griechisch-orthodoxe Kirchen (darunter die Peter-Paulkathedrale und die 1888 vollendete Wladimir-Kathedrale), 2 Klöster, 4 Synagogen, eine Realschule, 2 Gymnasien, eine Schiffahrtsschule, 2 Banken, große Schiffswerften, Docks und Kasernen, ein militärhistorisches Museum, eine biologische Station und (1897) 50,710 Einw. Seit dem Bau der Bahn nach Feodosia (s. d.) hat S. an kommerziell er Bedeutung eingebüßt. Zwar gibt es noch ein Zollamt erster Klasse, doch wertete die Ausfuhr 1903 nur 536,073, die Einfuhr 469,306 Rubel. In ausländischer Fahrt liefen 64 Schiffe ein mit 47,396 Reg. Ton. Raumgehalt (im Kabotageverkehr 1129 mit 1,042,870 Reg. Ton.). S. wird seines milden Klimas und seiner schönen Bäder wegen viel als Badeort besucht. Hinsichtlich der Verwaltung bildet S. eine selbständige Stadthauptmannschaft. S., die alte griechische Kolonie Chersones-Herakleia, gehörte zum pontisch-bosporanischen Reich und kam dann an die Römer, die es zu Ehren des Augustus Sebastopolis nannten (vgl. Sebastos). Früh schon war S. als Handelsort den Russen unter dem Namen Korsunj bekannt. Unter der Mongolenherrschaft verfiel es. Als die Krim 1783 an Rußland kam, wurde durch Potemkin der Kriegshafen S. gegründet und durch Nikolaus I. zum ersten Kriegshafen für die Flotte des Schwarzen Meeres erweitert. Im Krimkrieg (s. d.) begann 5. Okt. 1854 die Belagerung der vereinigten Armeen der Franzosen, Engländer, Türken und Sardinier zu Land und zu Wasser. Die Befestigungen wurden meist erst während der Belagerung von v. Totleben vervollständigt. Die Einfahrt zur Reede verteidigten auf der südlichen Seite das Quarantäne- und Alexanderfort, auf der nördlichen Seite das Fort Konstantin, den Eingang zur Südbucht das Fort Nikolaus und das Fort Paul, und diesen gegenüber waren auf der Nordseite zwei Batterien angelegt.
Mit Hinzurechnung der noch außerdem vorhandenen zahlreichen Batterien verteidigten 700 Geschütze vom schwersten Kaliber den Hafen. Die Forts waren von Kalkstein erbaut, kasemattiert und hatten zwei oder drei Etagen. Die Verteidigungslinie an der Landseite war kaum begonnen. Eben vollendet war außer einigen andern Punkten namentlich der Malakowturm. Auf der Nordseite lag etwa 1200 Schritt vom Ufer entfernt das Nordfort (Sewernaja). Durch Erstürmung des Malakow 8. Sept. 1855 ward der Fall Sebastopols nach elfmonatiger Belagerung herbeigeführt. Fast die ganze Stadt war ein Trümmerhaufe. Die noch unversehrten Docks und Forts an der Südseite wurden durch Sprengung gänzlich zerstört. Nach dem Pariser Frieden baute man sich allmählich wieder hier an, jedoch gelangte[235] der Ort nicht zum frühern Wohlstande. Seit 1885 wurden die Festungswerke und Docks wiederhergestellt, und S. ist wieder Kriegshafen für die Flotte des Schwarzen Meeres. Vgl. Marschall Niel, Siége de S. Journal des opérations du génie (Par. 1858); Weigelt, Die Belagerung von S. (Berl. 1861); v. Totleben, Die Verteidigung von S. (Petersb. u. Berl. 186472, 4 Bde.).
Meyers-1905: Sebastopol [1]