Wladīmir [1]

[708] Wladīmir, russ. Gouvernement, von den Gouvernements Jaroslaw, Kostroma, Nishnij Nowgorod, Tambow, Rjasan, Moskau und Twer umschlossen, umfaßt 48,856,7 qkm (887,29 QM.) und bildet eine von Hügelreihen (bis 200 m Höhe) durchzogene Ebene. Die hauptsächlichsten Flüsse sind: die Oka, die auf eine Länge von 176 km im S. des Gouvernements fließt, die Kljasma mit der Tesa und dem Luch, alle vier schiffbar. Es gibt viele kleine Seen (darunter als bedeutendster der Pleschtschejewo), auch Moräste in Menge. Das streng kontinentale Klima ist im allgemeinen gesund (die mittlere Jahrestemperatur für die Hauptstadt ist 3,3°). Vom Areal entfallen 36,4 Proz. auf Äcker, 35 auf Wald, 20,6 auf Wiese und Weide, 8 Proz. auf Unland. Die Bevölkerung betrug 1897: 1,515,691 (31 auf 1 qkm), fast nur Großrussen von reinstem Typus und größtenteils griechisch-orthodoxer Konfession, doch sind hier auch viele Raskolniken (s. d.). Die Landwirtschaft spielt im vorwiegend industriellen W. eine relativ unbedeutende Rolle. Die Ernte ergab 1905 in Tonnen: Roggen 294,150, Buchweizen 29,586, Hafer 197,112, Kartoffeln 394,076. Bedeutend ist der Anbau von Flachs und der Gemüse- und Obstbau (berühmte Kirschen). Der Viehstand bezifferte sich 1904 auf 206,000 Pferde, 365,000 Stück Rindvieh, 350,000 Schafe, 35,000 Schweine. Das Mineralreich liefert Alabaster, etwas Sumpfeisen, Torf. Die Industrie ist sehr bedeutend entwickelt und wird sowohl in Fabriken als hausindustriell betrieben. Ihre Hauptsitze sind in Iwanowo-Wosnessensk, Schuja, Alexandrow, Danilowo, Teikowo etc. Die Zahl der Fabriken wird auf (1900) 1772 mit 158,614 Arbeitern und einem Produktionswert von 185 Mill. Rubel angegeben. An erster Stelle steht die Textilindustrie in Baumwolle und Leinen mit 750 Fabriken und einem Produktionswert von 166,4 Mill. Rubel. Die Metallindustrie erzeugte in 566 Betrieben Waren für 12,1 Mill. Rubel. Der Rest entfällt auf die Verarbeitung tierischer Stoffe, chemische Fabriken etc. Die Mannigfaltigkeit[708] der Hausindustrien ist groß und erstreckt sich auf Baumwollweberei, Seidenspulerei, Spielwarenindustrie, Handschuhstrickerei, Schuhwarenindustrie, Wollweberei, Schreinerei, Filzstiefelfabrikation, Böttcherei, Kürschnerei u. a. Besonders die Verfertigung von Heiligenbildern ist seit alter Zeit in dieser Gegend mit Vorliebe betrieben worden. Der Handel ist sehr bedeutend (wichtig die Jahrmärkte in Schuja, Murom und Kowrow). Das Gouvernement ist in 13 Kreise eingeteilt: Alexandrow, Gorochowez, Jurjew, Kowrow, Melenki, Murom, Perejaslawl-Saleski, Pokrow, Schuja, Sudogda, Susdal, Wjasniki und W.-Das Land, welches das jetzige Gouv. W. bildet, hieß früher Susdal. 1170 wählte der Fürst Andrei Bogoljubski von Susdal die vom Großfürsten Wladimir Monomach gegründete Stadt W. zu seiner Residenz und nahm den Titel eines »Großfürsten von W.« an. Von nun an war W. das Hauptland in ganz Rußland. Jaroslaw II. (1238–47) mußte 1242 das Land von dem Mongolenchan Batu als Lehen annehmen. Nach dem Tode des Großfürsten Andreas (1304) stritten der Fürst Michael von Twer und der Fürst Georg von Moskau um das Großfürstentum; endlich siegte Georg 1319 und wurde vom Mongolenchan als Großfürst bestätigt. 1328 kam durch Johann von Moskau, den der Chan zum Großfürsten ernannte, der Sitz der Großfürsten nach Moskau.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 708-709.
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