Stöcker [2]

[49] Stöcker, 1) Adolf, Theolog und Sozialpolitiker, geb. 11. Dez. 1835 in Halberstadt, studierte in Halle und Berlin Theologie, wurde 1863 Pfarrer in Seggerde (Kreis Gardelegen), 1866 in Hamersleben, 1871 Divisionspfarrer in Metz und 1874 Hof- und Domprediger in Berlin. Seit 1877 trat er in öffentlichen Versammlungen gegen die Führer der Sozialdemokratie auf und suchte durch Gründung einer christlich-sozialen Partei (s. Christlich-soziale Reformbestrebungen) die Arbeiter für christliche und patriotische Anschauungen wiederzugewinnen, zugleich aber ihre Forderungen des Schutzes gegen die Ausbeutung des Kapitals und einer Verbesserung ihrer Lage zu unterstützen. Die neue Partei gewann aber nur an wenigen Orten zahlreichere Anhänger, da S. durch seinen fanatischen Eifer gegen alles, was liberal hieß, besonders in kirchlicher Beziehung die Opposition der öffentlichen Meinung wach rief. Auch ging er in seinen Agitationen gegen das Judentum oft weiter, als es sich mit seiner Stellung vertrug. 1879 in das Abgeordnetenhaus, 1880 (bis 1893) und 1898 auch in den Reichstag gewählt, wo er sich der streng konservativen Partei anschloß, erhielt er 1890 seine Entlassung als Hofprediger; 1896 trat er aus der deutsch-konservativen Partei und dem Evangelisch-sozialen Kongreß aus und gründete mit andern die Christlich-soziale Konferenz. S. ist Vorsitzender der Berliner Stadtmission, Mitglied des Generalsynodalvorstandes und seit 1892 Herausgeber der »Deutschen evangelischen Kirchenzeitung«. Er veröffentlichte mehrere Jahrgänge »Volkspredigten« (gesammelt in 7 Bänden), »Das Leben Jesu in täglichen Andachten« (Berl. 1903, Volksausg. 1906), sowie zwei Sammlungen seiner Reden und Aufsätze: »Christlich-sozial« (das. 1885, 2. Aufl. 1895), »Wach' auf, evangelisches Volk« (das. 1893) und »Gesammelte Schriften« (das. 1896 f.). Vgl. seine Schrift »Dreizehn Jahre Hofprediger und Politiker« (Berl. 1895).

2) Helene, Frauenrechtlerin, geb. 13. Nov. 1869 in Elberfeld, studierte Literatur, Philosophie und Nationalökonomie, promovierte zum Dr. phil. und wurde Dozentin an der Lessing-Hochschule in Berlin; besonders bekannt als Vorkämpferin für eine neue sexuelle Ethik und als Begründerin des Bundes für »Mutterschutz« (s. d.). Sie schrieb unter anderm: »Zur Kunstanschauung des 18. Jahrhunderts« (Berl. 1904); »Die Liebe und die Frauen« (Minden 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 49.
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