[974] Urzeugung (Archigonia, Selbstentstehung, Abiogenesis, Archiogenesis, freiwillige Zeugung, Generatio aequivoca s. spontanea), die hypothetische, von bereits vorhandenen Organismen ähnlicher Art unabhängige Entstehung von Lebewesen. Hierbei wird ein Unterschied gemacht zwischen der direkten Entstehung aus unorganischen Stoffen (Autogonie) oder der durch Umbildung bereits vorhandener organischer Substanz (Plasmogonie) oder durch den Zerfall toter Körper in lebende Elementarorganismen (Nekrobiose). In alten Zeiten glaubte man allgemein, daß alle Tiere, selbst Wirbeltiere, durch U. entstehen könnten, z. B. Mäuse und Frösche aus dem Schlamm des Nils. Dem Gange der fortschreitenden Naturerkenntnis folgend, wurde die Annahme der U. allmählich auf niedere Tiere, Mollusken, Würmer und Insekten, eingeschränkt, aber bis ins 17. Jahrh. hinein glaubte man allgemein an die U. der letztern aus verwesendem Fleisch etc. Nachdem Redi gegen 1674 durch zahlreiche, Aufsehen erregende Versuche die U. der Insekten widerlegt hatte, kam der freilich nicht ganz im neuern Sinne gebrauchte Ausspruch Harveys: »Alles Lebende aus einem Ei« (»Omne vivum ex ovo«) zu Ehren, wenn man auch bei den inzwischen entdeckten Aufgußtierchen und den Eingeweidewürmern noch immer U. annehmen zu dürfen glaubte. Das speziellere Studium hat auch diese Annahmen zerstört, und wo man bisher den Entstehungsvorgang eines Lebewesens wirklich bis zu seinem Anfang hat verfolgen können, hat man es stets aus bereits vorhandenen Keimen entstehen sehen, die allerdings, soweit es die niedern Pflanzen und Tiere betrifft, beinahe stets in Luft, Erde und im Wasser gegenwärtig zu sein scheinen. Um diese Keime von einer Versuchsflüssigkeit auszuschließen, muß man, wie Spallanzani schon im 18. Jahrhundert zeigte, dieselbe einige Zeit siedend erhalten und hierbei sowie nachher von dem Zutritt der Luft abschließen oder die letztere, weil deren Abschluß den Anhängern der Hypothese Gelegenheit zu Einwürfen gegeben hat, vor dem Zutritt durch glühende Röhren oder Schwefelsäure gehen lassen. Unter solchen Vorsichtsmaßregeln entstehen in der Versuchsflüssigkeit niemals Organismen. Eine andre Frage ist, ob in frühern Zeiten, unter dem Einfluß einer damals herrschenden höhern Temperatur und andrer chemischer Verhältnisse, lebende Wesen niederster Art aus nicht belebter Substanz entstehen konnten, oder ob, wie dies z. B. Nägeli für wahrscheinlich hielt, die wirklich niedersten Lebewesen (Probien), die durch U. entstehen, so klein sind, daß sie mit unsern heutigen Mikroskopen nicht wahrgenommen werden können, und daß die uns bekannten niedersten Wesen erst in längerer Abstammungsreihe von ihnen ihren Ursprung herleiten. Während noch andre, die Möglichkeit einer U. leugnend, das Problem der Entstehung des Lebens der Erforschung nicht für zugänglich halten, haben einzelne Naturforscher, wie Preyer, eine Entstehung des Lebens für überhaupt unmöglich erklärt und, ein feuriges Leben als Urleben voraussetzend, den Ausspruch Harveys in den Satz: »Omne vivum e vivo« umgewandelt. Vgl. Osten-Sacken, On the oxenborn [974] bees of the ancients (Heidelb. 1894); Bastian, The beginnings of life (Lond. 1872, 2 Bde.); Preyer, Naturwissenschaftliche Tatsachen und Probleme (Berl. 1880); O. Taschenberg, Die Lehre von der U. sonst und jetzt (Halle 1882); Reinke, Einleitung in die theoretische Biologie (Berl. 1901); Haeckel, Systematische Philogenie, Bd. 1 (Berl. 1894).